Sie haben in Wien getagt, die Vereinten
Nationen, die Europäische Union und weitere 17 Länder, um den Krieg in
Syrien zu beenden. Neu ist, dass neben den notorischen USA auch
Russland, Saudi Arabien, die Türkei und der Iran an dieser Konferenz
teilgenommen haben. Und wenn man die Lage von allem Geschwätz deutscher
Medien und allen überzuckerten politischen Lügen befreit, dann haben die
Russen diese dringend notwendige Konferenz herbei gebombt. Denn erst
seit russische Flugzeuge Angriffe auf Terroristen in Syrien fliegen,
sind die anderen Kriegsteilnehmer überhaupt zu Verhandlungen bereit. Das
ist bitter. Denn jeder weitere Bomber am Himmel über Syrien - nach den
US-Kriegsflugzeugen, den britischen, den französischen und den
türkischen - wird nicht nur aktive Kriegsteilnehmer treffen. Und doch
ist die erste Begegnung der ausländischen Kriegsparteien ein erster,
wesentlicher Schritt zu einem Ende des Krieges.
Bis zum Erbrechen haben deutsche Medien in
Vorbereitung der Konferenz die Russen als neue Schuldige eines Krieges
ausgemacht, den die nicht begonnen haben. Den armen, unendlich blöden
deutschen Medienkonsumenten wird seit Beginn des Krieges das
GUT-BÖSE-Schema dieses Schlachtens erzählt, um es weiter betreiben zu
können. Zwei Fälle aus der jüngsten Zeit: In der letzten Woche, so
konnte man vom dummstolzen türkischen Ministerpräsidenten Ahmet
Davutoglu auf der Web-Site von Al Jazeera erfahren, bombte die türkische
Luftwaffe kurdische Kräfte in Syrien, die sich gegen den "Islamischen
Staat" verteidigen: "Wir haben die PYD (kurdische Miliz) zwei Mal
bombardiert. (...) Die PYD wird den Euphrat-Fluss Richtung Westen nicht
überqueren. Wir haben in der Vergangenheit angekündigt, dass wir sie bei
dem Versuch bombardieren werden. Und nun haben wir sie zwei Mal
bombardiert."
Sieht man vom verdienstvollen Onlinemagazin
"Telepolis" ab, wurde diese mörderische Sensation in deutschen Medien
eiskalt beschwiegen. Ein NATO-Partner bringt genau jene kurdischen
Kämpfer um, die ganz kurz mal als die "Helden von Kobane" die deutschen
Einheits-Redaktionen erreichten, um dann im Gut-Böse-Schema wieder zu
verschwinden. Aber sie wollen den Krieg der USA in Syrien gewinnen,
die Damen und Herren in den deutschen Redaktionen. Da kann man den
Kriegs-Partner Türkei, doch nicht als das bezeichnen was er ist: Ein
Kriegsverbrecher. Aber Kriegsverbrecher, darauf ist die Redaktion
festgelegt, können in deutschen Medien nur die Russen sein. Pünktlich
nachdem die guten Amerikaner mal eben ein Krankenhaus im afghanischen
Kundus bombardiert hatten - wahrscheinlich zur Rettung der
Menschenrechte - hat der Russe angeblich auch ein Krankenhaus
bombardiert, in Syrien versteht sich. Allerdings nur in den deutschen
Medien. Denn seit der russische Vize-Verteidigungsminister Anatoli
Antonow jüngst die Militärattachés sämtlicher NATO-Mitgliedsstaaten
einbestellt hat und Beweise für diese Beschuldigung verlangte, ist die
Bombardierung verschwunden. Dafür ist die russische Forderung nach
Beweisen in ordentlichen deutschen Medien erst gar nicht aufgetaucht.
Klar: Es gab keine Beweise.
Setzt man voraus, dass in den Redaktionen Leute
mit normalen Gehirnen sitzen, kann es nur sein, dass ihnen jedes
Gewissen, jede Ethik, jeder Wunsch nach Wahrheitsfindung abhanden
gekommen ist. Denn wenn schon Baschar al-Assad, der syrische
Staatspräsident, als mörderischer Bösewicht im bundesrepublikanischen
Menschenrechts-Drama besetzt wird, was ist denn dann einer, der seit
Jahr und Tag mehr als 3000 Menschen heimtückisch, ohne Recht und Gesetz
hat umbringen lassen? Seit es Barack Obama und seine Drohnen gibt,
wissen die Menschen in den missliebigen Ländern, was die deutsche
Redewendung "aus heitererem Himmel" bedeutet. Aber der deutsche
Redakteur wagt es, den einen für einen Verteidiger der Menschenrechte
und den anderen für einen Schlächter zu halten. Der Redakteur kann
einfach die Flecken von Blut und die Schlieren von Hirn auf der allzeit
weissen Weste des US-Präsidenten nicht entdecken.
Nächst den USA, die im bundesrepublikanischen
Schema nicht nur als FREUNDE sondern auch als "Die Guten" auftauchen,
saßen am Wiener Verhandlungstisch auch Vertreter Saudi Arabiens. Wer die
religiösen Wahnvorstellungen der Saudis mit denen des "Islamischen
Staates" vergleicht, wird kaum Unterschiede finden. Die Saudis (von
anderen Golfstaaten gern unterstützt) sponsern zur Zeit primär eine
Gruppe, die sich "Liwa al-Islam" (Armee des Islam) nennt und die von den
USA - also auch entsprechend in den deutschen General-Redaktionen - als
"moderat" bezeichnet wird. Dass diese "Moderaten" mit der mörderischen
al-Nusra-Front zusammenarbeiten, die wiederum nicht von den ISIS-Leuten
zu unterscheiden ist: Geschenkt. Da meldet sich der deutsche Redakteur
lieber ins Wochen-Ende ab.
Auch über das Wochenende liefern die Saudis
ihren Schützlingen in Syrien Panzerabwehrraketen,
Kalaschnikow-Sturmgewehre, Maschinengewehre und Mörser. Das extrem
moderate saudische Königreich hat zudem rund 1200 zum Tode verurteilten
Insassen seiner Gefängnisse angeboten, ihre Strafe in einen Fronteinsatz
in Syrien umzuwandeln. Die Familien der Todes-Kämpfer werden während
des Einsatzes vom saudischen Staat alimentiert. Diese Kämpfer und ihre
Waffen werden über die völlig moderate Türkei nach Syrien geschmuggelt.
Und weil auch die Türkei bombige Interessen in Syrien hat, durfte der
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei einem Treffen der
Nato-Verteidigungsminister in Brüssel jüngst sagen: "Die Türkei ist ein
sehr starker Partner, aber die Nato ist natürlich immer bereit zu
verstärken und zu unterstützen". Ohne Proteste aus Berlin durfte der
Mann außerdem verbreiten, dass die "Schnelle Eingreiftruppe" der NATO
darauf vorbereitet sei, in das südliche Bündnisgebiet und auch in die
Türkei geschickt zu werden, wenn das nötig wäre.
Die Wiener Tagung war ein Fortschritt, weil es
sie überhaupt gab und weil dort, auf Drängen Russlands, ausdrücklich
festgehalten wurde, dass das syrische Volk selbst über die Zukunft des
Landes entscheiden soll. Und doch sterben weiterhin jeden Tag Menschen
in Syrien, ist ein Ende des Krieges nicht in Sicht. Auch und gerade weil
die Schlächter aus Saudi Arabien, aus den USA und der Türkei auf einer
Ablösung von Baschar al-Assad bestehen. Als seien sie die syrischen
Völker. Für die hatte schon im Juli 2012 der Think Tank des deutschen
Außenministeriums, die "Stiftung Wissenschaft und Politik", darüber
beraten, was denn nach dem Sturz des syrischen Präsidenten in Syrien zu
geschehen habe. Vom kaputten syrischen Kuchen wollten damals auch die
Deutschen ein Stück abhaben. Mit einem Besuch der syrischen Bevölkerung
in größeren Mengen, im Ergebnis eines jahrelangen Regime-Change-Krieges,
hatte das Außenministerium offenkundig nicht gerechnet.
Dazu ergänzend: Tagesschau sendet Tendenz-Müll