Je reich, desto arm II

Publiziert am 27. Januar 2016 von Wilfried Müller auf www.wissenbloggt.de

Bei wissenbloggt wird sich regelmäßig über die Ungleichheit aufgeregt, zuletzt vor einer Woche in Je reich, desto arm. Da ging es um einen Oxfam-Bericht, nach dem die 62 reichsten Menschen genauso viel besitzen wie die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Jetzt berichteten die deutschen Medien über die deutsche Umverteilung von unten nach oben (Bild: geralt, pixabay).

Demnach hat sich die Kluft zwischen arm und reich über die Jahre hinweg deutlich vertieft. Die reichsten 10% der Deutschen besitzen mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens, die ärmsten 50% der Bevölkerung verfügen dagegen über immer weniger Vermögen.

So steht es am 25.1. in ZEIT ONLINE. Soziale Ungleichheit : Vermögen in Deutschland sind immer ungleicher verteilt: In Deutschland wächst die Kluft zwischen arm und reich. Laut einem Medienbericht verfügen zehn Prozent der Haushalte über mehr als die Hälfte des Vermögens im Land.

In der Version der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom selben Tag heißt es Vermögensverteilung – Kluft zwischen Reich und Arm größer als vor 20 Jahren: Mehr als die Hälfte der Deutschen hat vor allem Schulden, die reichsten zehn Prozent bauen ihren Anteil am Gesamtvermögen aus. Schon erklingt der Ruf nach einer Vermögenssteuer wieder.

Die Süddeutsche Zeitung macht wieder am selben Tag daraus Soziale Ungleichheit – Deutschlands Arme werden immer ärmer. Die Aussagen beziehen sich auf eine neue Einkommens- und Verbraucherstichprobe des Statistischen Bundesamtes, die das Bundesarbeitsministerium in den 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung einfließen lassen will, der dies Jahr veröffentlicht werden soll.

Die Daten werden seit 1998 erhoben, damals hatten die reichsten 10% nur 45% des Vermögens und die unteren 50% noch 3% (d.h. da gleichen sich Guthaben und Schulden fast aus). 2008 lag der obere Wert bei 53%, 2013 bei 52% und der untere bei 1%, aber jetzt geht es nur noch in die falsche Richtung.

Die Zahlen sind sogar untertrieben, denn es gibt Lücken bei der statistischen Erfassung von Kapitaleinkommen wie Zinsen, Dividenden oder Spekulationsgewinnen. An der europäischen Steuerflucht-Billion hat Deutschland dafür den größten Anteil, und um das Maß vollzumachen, ist der Anteil der Grund- und Immobilienbesitzer bei der deutschen Bevölkerung im Vergleich zum Euro-Raum eher niedrig.

Und: Das Bundesarbeitsministerium wies am Montag in Berlin auf die "begrenzte" Aussagekraft der Daten hin, unter anderem, weil "die reichsten Haushalte nicht erfasst werden". Milliardäre und Millionäre nehmen kaum an Umfragen teil.

Man darf füglich davon ausgehen, dass die reichsten 10% mehr als 60% des Vermögens besitzen, wie andere Werte lauten. Interessant ist dabei, dass die Staatsschulden nie in die Rechnung eingehen, obwohl die auch auf den Bürgern lasten. Wenn die eingerechnet werden, haben die unteren 50% längst weniger als 0% Anteil am Vermögen, während es nach oben hin wenig Unterschied macht. Und da brüstet sich unser Finanzminister mit 12 Mrd., die zufälligerweise noch nicht ausgegeben wurden?

Das war das Dümmste, was er machen konnte. Dann das weckt  Begehrlichkeiten, und am Ende werden die 12 Mrd. wahrscheinlich mehrmals ausgegeben. In den USA wird das seit Jahren so gemacht.

Bei HaushaltsSteuerung.de kann man unter Schuldenuhr zur Staatsverschuldung der USA eine Tabelle sehen, neben der sogar die griechischen Zahlen verblassen. Die Staatsschulden der USA wachsen und gedeihen in ganz anderen Maßstäben – Staatsschuld und Zunahme sind in Billionen Dollar, die Einwohner in Millionen:


Die Zahlen zeigen die Bevölkerungsexplosion der USA mit 1% Zunahme pro Jahr und die noch schnellere Schuldenexplosion. Die sagenhaften Schulden von 18,9 Billionen Dollar bedeuten über 100% BIP und das 8-fache der deutschen Schuldenlast (mit deutschen 80% BIP). Atemberaubend ist vor allem die Zunahme der Schuldenlast von jährlich 15% in 2008-2010 und nun immer noch fast 5%.

Das heißt, der US-Haushalt ist noch mehr schuldenfinanziert als der deutsche. In US-Bundeshaushalt: Einnahmen, Ausgaben und Überschüsse/Defizite sieht man die auseinanderklaffende Kurve zwischen Staatseinnahmen und -ausgaben, die auf noch schlechtere Zahlen für die Zukunft hindeuten.

Die Staatsschulden sind nicht nur die zweite Armmachfront, weil sie die Armen viel mehr belasten als die Reichen, die ja nicht auf staatliche Leistungen angewiesen sind. Sie bedeuten zugleich Systemrisiken, die bei Zero Hedge gewohnt knallig als "Wahrheitsbombe" bezeichnet werden: The Ultimate "Truth Bomb" – The East Knows The West Is Bankrupt (24.1.).

Nach dieser Verschwörungstheorie warten Russland und China bloß auf den Zusammenbruch des Westens. Der westliche Bankrott stehe bevor, weil alle Reserven aufgebraucht seien und das Finanzsystem im roten Bereich laufe, während die Realwirtschaft schrumpfe. Die Zeit sei reif für die Finanzattacke auf alles Amerikanische.

Man muss nicht gleich in solche Hysterie verfallen, aber die Zeichen stimmen sehr bedenklich. Das hat alles miteinander zu tun. Der Reichtum der einen, die Armut der anderen und die notleidenden Staatskassen. Und die Risiken, die durch hohe Staatsausgaben geschaffen werden, ohne dass entsprechende Steuern erhoben werden.

Darin sind die USA derzeit noch einen Schritt weiter als Deutschland. Aber was die USA mit ihren Kriegsausgaben schaffen, bringt Deutschland auch anders zuwege. Unser Land ist enorme Verpflichtungen eingegangen durch die Eurorettung und die Asylantenhilfe, und das dürfte sich bald in neuen Staatsschulden niederschlagen.

Und selbstverständlich werden die Lasten nur der Allgemeinheit incl. den 50% Besitzlosen aufgebürdet und nicht den reichen Systemprofiteuren. Und selbstverständlich wird die Steuer Arbeitseinkommen weiter mit 42% belasten und Kapitaleinkommen mit 25%. Und die Vermögenssteuer wird selbstverständlich nicht wieder eingeführt, na danke aber auch.

Nachtrag 27.1.: Ein Bick in den US-Staatshaushalt zeigt die Probleme – zweitgrößter Etatpunkt ist die "Verteidigung" mit 517 Mrd. Dollar, und die Zinsen liegen bei 249 Mrd. Dollar pro Jahr. Die Staatsanleihen werden von der US-Notenbank Fed, von China, Japan und US-Fonds gehalten, siehe Haushaltskrise: Der größte Gläubiger der USA sitzt in Washington (Werte von 2013). Wie nun auch in der Eurozone wird ein großer Teil der Staatsanleihen durch Gelddrucken der Zentralbank übernommen. Hier wie da eine unsolide Finanzierung, der keine realen Werte gegenüberstehen – noch eine Belastung der Allgemeinheit. Noch mehr Belastung kommt dann, wenn die Zinsen aus dem homöopathischen Bereich herauskommen. Dann könnten bei den USA auch 500 Mrd. Zinsen fällig werden. Die Zahlen von Deutschland sind kaum besser, auch da ist der Militäretat die Nummer 2 (!) und die Zinsen für die Staatsschuld Nummer 3 mit knapp 25 Mrd. Euro. Bei doppelten Zinsen würde das im Lauf der Zeit auf 50 Mrd. hochgehen.

Eine Menge anderes Material bei wb zum Thema Ungleichheit:
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>>>>>Sehr ungleich<<<<<
2014: Jahr der Ungleichheit