Ein braver ARD-Konsument (ARD steht hier nur synonym, das Kürzel ist
gegen ZDF, FAZ oder BILD undsoweiter austauschbar) weiß was er von Assad
zu halten hat. Nach Jahren der Wiederholung immer gleichen Propaganda-Hülsen
(Regime, Diktator, Giftgas) ist der Norm-Zuschauer, der Norm-Leser deutscher
Medien konditioniert: Assad ist böse. Diese Dämonisierung verstellt
einen nüchternen Blick auf die Vorhänge in Syrien erheblich. Nun hatte
die ARD die Möglichkeit eines Interviews mit Baschar al-Assad und geht
mit der eigenen vorgefassten Meinung an die Auswertung des Gesprächs. Also
hätte gehabt haben können.
Statt nach langem, mörderischen
Krieg die Motive der Assad-Fraktion in Syrien auch nur zu prüfen, wird
das Interview ideologisch interpretiert. Die Chance zum Ende des Krieges
beizutragen – der im Westen ja auch davon lebt, dass die Mär von der lupenreinen
Opposition verbreitet wird - bleibt die ARD abhängig von der im Kanzleramt
vorformulierten Haltung. Bereits manche Fragen sind von Meinungen geprägt,
nicht von echtem Interesse. Die Behauptung des Interviewers "Ich nehme
also an, dass der Frieden in Ihren Händen liegt." ist keine Frage
sondern ein Statement, das die Kräfte rund um die USA ausblendet. Auch
der Satz "Ist die Verfassung und die Stabilität in Syrien wichtiger
als das Leben von Hunderttausenden?" Ist keine Frage sondern eine Unterstellung:
Assad sollte gefälligst mit JA drauf antworten. Die ARD hätte die
Chance gehabt sich von ihrer bisherigen Rolle als Kriegspartei in Syrien zu
lösen. Aber sie bleibt Opfer der eigenen Propaganda.
Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
die ARD hat in einem ausführlichen
Interview dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad die Gelegenheit gegeben,
sich zur Lage in seinem Land zu äußern. Bemerkenswert, dass die ARD
in dem Interview zu feige war, Assad als "Machthaber" anzusprechen,
obwohl Herr Dr. Gniffke uns – die wir in einer Programmbeschwerde für die
Bezeichnung "Präsident" eintraten - noch kürzlich davon
zu überzeugen versuchte, dass der Begriff "Machthaber" korrekt
sei, u.a. weil eine regierungsnahe Stiftung und konformistischer Thinktank sich
ebenfalls auf "Machthaber" festgelegt hatte.
Wie so häufig
mochten die ARD-Programm-Macher im Zusammenhang mit dem an sich informativen
Interview auf Manipulation und Falschbehauptungen auch diesmal nicht verzichten.
Frage
des Interviewers Thomas Aders: "Herr Präsident, können Sie
sagen, dass Syrien nach wie vor ein souveräner Staat ist, oder wird Ihre
Politik bereits in Teheran bzw. im Kreml gemacht?"
Antwort Präsident
Assad (lt. Übersetzungstext): "Der Begriff Souveränität
ist relativ und verhältnismäßig. Vor der Krise hielt Israel
unser Land besetzt, und wir betrachteten unsere Souveränität so lange
nicht als vollständig, wie wir unser Land nicht zurückhatten. Und
jetzt überschreiten während der Krise zahlreiche Terroristen unsere
Grenze, und viele Flugzeuge der Amerikaner und ihrer Alliierten (was man dort
als Allianz bezeichnet) verletzen unseren Luftraum. Auch hier kann man nicht
von vollständiger Souveränität sprechen. Gleichzeitig ist man
allerdings nach wie vor souverän, wenngleich nicht im vollen Umfang des
Begriffs, wenn man eine Verfassung hat, wenn die Institutionen funktionieren
und wenn der Staat mit seiner Arbeit ein Minimum für das syrische Volk
leistet und wenn schließlich das syrische Volk sich keiner anderen Macht
zu unterwerfen hat, was sicher das Wichtigste von allem ist."
In
einem kurzen Videobeitrag am Anfang des Artikels der Tagesschau (um 14:00) befragt
ein ARD-Moderator den Reporter nach seinem Eindruck von dem Interview. Darin
schildert Thomas Aders Assad als schüchtern und zurückhaltend. Schließlich
arbeitet der Reporter eine "News" heraus, die das Interview seiner
Meinung nach gebracht hat:
"Ihm geht es darum, dass das System überlebt,
das System seines Regimes. Und er wird alles dafür tun, dass das so weitergeht.
Er wird jeden Terroristen bekämpfen, das hat er ganz klipp und klar gesagt.
Und trotzdem hat er, und das fand ich sehr interessant, zugegeben, dass die
Souveränität Syriens, mittlerweile nicht mehr vollständig sei,
eben durch die Hilfe, durch die Waffenhilfe von Russland, vom Iran und von der
libanesischen Hisbollah."
Assad hat in dem Interview an keiner Stelle
gesagt, dass er wolle, dass "das System seines Regimes" überlebt.
Er hat klipp und klar gesagt, dass er sich dem Willen des Volkes beugen werde:
"Wenn das syrische Volk will, dass ich diesen Platz räume, dann habe
ich das sofort und ohne Zögern zu tun."
Doch noch viel
gravierender ist die von Assads Aussage zur Souveränität abweichende
Interpretation des Interviewers (in beiden TS-Ausgaben): Assad hat nie gesagt,
dass die Souveränität Syriens wegen der "Waffenhilfe von Russland,
dem Iran und der Hisbollah" nicht mehr vollständig sei, sondern dass
"viele Flugzeuge der Amerikaner und ihrer Alliierten (was man dort als
Allianz bezeichnet)" den syrischen Luftraum verletzen und Terroristen die
Grenze überschreiten, und man deshalb "nicht von vollständiger
Souveränität sprechen" könne.
Das ARD-Team hat
sich nach eigenen Angaben vier Jahre lang um das Interview bemüht. Es ist
schon deshalb unverzeihlich unprofessionell, dass mit diesen Falschdarstellungen
der publizistische Erfolg entwertet wird. Der Interviewer und seine Redaktion
machen sich hier selbst zum Opfer ihrer jahrelangen Propaganda. Das wäre,
bliebe es auf diesen Kreis beschränkt, noch kein Problem. Doch mit der
unwahren Interpretation wird der Zuschauer in die Irre geführt und manipuliert.
Besonders peinlich: Die Falsch-Meldung wurde kurze Zeit später in der deutschen
Mainstream-Presse (z.B. FAZ) als Meldung der Tagesschau zitiert.
Wir
fordern Sie auf festzustellen, dass die genannten falschen Behauptungen wegen
der Pflicht zur Wahrheit die NDR-Programm-Richtlinien verletzen. (Die Begründung
dieser Eingabe haben wir weitgehend den "Deutsche Wirtschafts Nachrichten"
vom 2.3.2016 entnommen).
Mit höflichen Grüßen - F. Klinkhammer,
V. Bräutigam
Obwohl wir Dr. Gniffke gebeten haben unseren Lügner-Vorwurf
gegen ihn mit einer Klage klären zu lassen, lesen wir nichts vom ihm.
Redaktion,
RATIONALGALERIE