Rolf
Bergmeier - Karl der Große - Die Korrektur eines Mythos, Tectum Verlag
2016 320 Seiten, Hardcover, ISBN 978-3-8288-3661-7, Euro 20,50
Regelmäßig
und nicht nur zur Karlspreisverleihung wird Karl der Große euphorisch
beschworen. Selbst nüchterne Historiker ergehen sich dann gerne in Lobeshymnen
auf den "Vater Europas" und preisen Karl als Vermittler antiker Kultur
und Gelehrsamkeit. Und doch hat Karl nicht eine einzige öffentliche Schule
gegründet, keine Wissenschaftsdisziplin gefördert, kein einziges Theater
eröffnet und nicht eine öffentliche Bibliothek finanziert. Vor und
nach ihm liegt die städtische Kultur am Boden, die Menschen hausen in armseligen
Holz-Baracken, entleeren ihre Notdurft auf den Straßen, und Paris ist
ein Müllhaufen.
Statt Bildung, Wissenschaft und Kultur erlebt man
Karls Handeln und seine Gesetze nur allzu oft als unversöhnliche Theologie,
die unverhohlen droht: "Sterben soll, wer Heide bleiben will". Nicht
zuletzt deshalb führt er sein ganzes Leben lang Kriege, fördert Bischöfe
und Klöster nach Kräften und wird von der Kirche im Gegenzug selig
und sogar heilig gesprochen.
Karl ist weder "Leuchtturm"
noch "Vater Europas". Sein Denken und Handeln stehen im krassen Gegensatz
zu allem, was Europa Gesicht und Farbe verleiht, und hat mit dem Europa,
wie wir es heute verstehen, mit der Fähigkeit zum demokratischen Diskurs,
mit Kritik und Kompromiss, mit Toleranz, mit kultureller Vielfalt und freiem
Denken nicht das Geringste zu tun. Europa ist anders. Es gilt, mit den traditionell
gepflegten Karlslegenden aufzuräumen und mit einer Figur, die nicht als
Vorbild taugt.
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