Vorausgeschickt: Ich bin kein Freund von Putin. Wie ich auch kein
Freund von Obama bin. Beide sind Sachwalter oligarchischer Interessen. Und ich
bin kein Freund von Oligarchen. – Ich bin ein Freund des echten Journalismus.
Ein Freund solcher Kollegen, die sich den Verstand weder von ihren Abhängigkeitsverhältnissen
noch von ihren eigenen Vorurteilen trüben lassen. Der Wunsch nach solchen
Freunden macht einsam.
Mit großem Pomp segelt durch die deutschen
Medien die Enthüllung über eine Briefkastenfirma in Panama, die allerlei
Gelder aus allerlei Ländern von allerlei Leuten ins steuerliche Nirgendwo
geschleust hat. Brav, sollte man sagen. Doch nahezu alle Schlagzeilen enthalten
den Namen Putin: "Das ist Putins Zirkel der Macht" (FOCUS), "Offshore-Deals
reicher Putin-Freunde" (SPIEGEL), "Geflecht von Briefkastenfirmen
Putin-Vertrauter" (TAGESSCHAU). Aber den wirklichen Höhepunkt leistet
sich der Aufmacher der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG: "Die heimlichen Millionengeschäfte
des Putin-Zirkels". Begleitet von handcolorierten Portraits im HÖRZU-Stil
der 60er Jahre und gefolgt von nahezu drei ganzen, großen SZ-Seiten zum
Thema. Da kreißt der Berg und kreißt, um dann einen einzigen Namen
zu gebären: Den eines Cellisten aus Putins Umgebung, der in Panama einen
Briefkasten unterhielt. Kein Messi-Aufmacher, kein Poroschenko-Aufmacher,
obwohl die, anders als Putin, höchstselbst einen Briefkasten in Panama
hatten.
Panama: Ein Land, das mal zu Kolumbien gehörte und
von den USA gewaltsam "selbstständig" gemacht wurde. Ein Land
das mal einen Präsidenten hatte, der 16 Jahre lang auf der Gehaltsliste
der CIA stand, und als er mal nicht botmäßig war, vom US-Präsidenten
George Bush mit einer 24.000-Soldaten-Invasion inhaftiert wurde. Ein Land, das
bis heute von den USA dominiert wird. Der US-Dollar ist offizielles Zahlungsmittel.
So ein Land kann nichts unternehmen, was die USA nicht wollen. Aber die wollen
offenkundig das Steuerschlupfloch nicht schließen. Man könnte
ja auf ein hauseigenes Steuerflüchtlings-Asyl aufmerksam werden.
Denn
seit Jahr und Tag leisten sich die USA einen ganzen Steuerflucht-Staat: Den
zweitkleinsten Bundesstaat Delaware. Dort hat eine Kaum-Bis-Nix-Steuerpolitk
etwa 600.000 Briefkastenfirmen angelockt. Neben der Elite der US-Wirtschaft
– Apple, Google, Coca-Cola, Wal-Mart und Berkshire Hathaway von Warren Buffett
– residieren dort auch deutsche Firmen unbehelligt: Die Familien Porsche, Piëch
und Quandt, außerdem der Verleger Hubert Burda, die Kaffee-Dynastie Jacobs
und die Bank-Sippe derer von Finck haben dort eine feine Adresse. Das wäre
ein Recherche-Projekt, da gäbe es Namen und sozial unsittliche Verhältnisse
zu enthüllen: Ganze Fortsetzungsromane wären zu erwarten.
Aber
die Oligarchen-Familie du Pont de Nemours (sie besitzt den weltgrößten
Chemiekonzern, ist dick im Sprengstoff-Geschäft und Inhaber eines fetten
General Motors-Anteil, der Clan verfügt über ein Milliarden-und-Abermilliarden-Vermögen)
unterhält in Wilmington, der größten Stadt des Steuerbetrugs-Staates
Delaware, seit 1903 den "Wilmington Trust", die erste grosse Familienstiftung
der USA. Und an den du Ponts kommt keiner vorbei: Nicht diverse US-Präsidenten
und offenkundig auch nicht die "400 Journalisten aus 80 Ländern, die
ein Jahr zusammen gearbeitet haben", wie uns die SÜDDEUTSCHE hochtrabend
wissen lässt.
Wer genau deckt den Delaware-Steuerbetrug? Wer
von den Clinton-Wahlspendern zum Beispiel hat sein Geld in Delaware? Welche
Rolle spielt der organisierte US-Steuerschwindel im TTIP-Abkommen? Wo bleibt
das Interview mit dem deutschen Finanzminister zu diesem Thema? Das alles wäre
bereits ein erstes Gerüst für ein solides journalistisches Projekt,
weitere Hilfen könnten den Kollegen auf Nachfrage geliefert werden. Zu
fürchten ist allerdings, dass ein solches, wirklich spannendes Vorhaben
an der landesüblichen Feigheit scheitern wird.
Statt dessen:
Putin. Seit dem Tag, an dem der russische Präsident den Kapital-Transfer
aus Russland in den Rest der Welt weitgehend gestoppt hat, steht er auf einer
Hass-Liste westlicher Medien. Es sind die selben, die immer von der Freiheit
des Marktes schwätzen, die der russischen Konkurrenz keinen Platz lassen
wollen. Erneut beweisen deutsche Medien, dass dieser organisierte Hass blind
und blöd macht. Zu blöde sich von den FREUNDEN in den USA zu lösen,
sind sie freiwillig blind für die Gefahr, die sich aus dieser einseitigen
Haltung für die Deutschen ergibt. Eine Gefahr, die in Afghanistan, in Libyen
und Syrien zu besichtigen ist.
Danke, lieber Uli, für den scharfen Extrablog!
Zwei Anmerkungen:
a)
auch ich glaube nicht, dass die Herrschaften Journalisten, die du angreifst,
blind und blöd sind. Das würden sich unsere Eliten niemals leisten.
Die brauchen willige Wadenbeißer, Leute, die bereit sind, sich mit Haut
und Haar zu verkaufen. Und die ohne Skrupel das Geschäft des Kapitals verrichten.
b)
Putin und Obama würde ich nicht gleichsetzen. Obama hat nach glänzendem
ersten Wahlsieg eine solch traurige Figur abgegeben, einer der großspurig
demokratische und soziale Versprechen machte und sich anschließend in
Hose. Vielleicht, weil man ihm bedeutet hat, dass solcherart Präsidenten
kein langes Leben haben? Kann sein. Putin hingegen hat (mit anderen zusammen
natürlich) die Macht der russischen Oligarchen wirksam begrenzt. Zum sichtbaren
Wohl seines Landes, das anderenfalls in die Katastrophe gesegelt wäre,
auf dem Kurs, den Jelzin vorgegeben hatte. Formale Demokratie nimmt Putin dabei
nicht so wichtig. Ob er es könnte, wenn er wollte, weiß ich nicht.
Aber gemessen beispielsweise an unseren EU-Bürokraten, ist sein Verhalten
zu demokratischen Normen nicht herausragend schlecht.