BERLIN. (hpd) Heute, am Freitag, 06. Mai 2016, knallen die Sektkorken.
Es wird der Internationale Karlspreis an Seine Heiligkeit, Papst Franziskus,
verliehen. Eigentlich findet die Verleihung traditionell am Feiertag "Christi
Himmelfahrt" im Krönungssaal des Rathauses der Stadt Aachen statt,
aber diesmal reist die Schar der Karl-Verehrer nach Rom, um einen Papst vom
anderen Ende der Welt für seine Verdienste um Europa zu ehren. Terminschwierigkeiten
haben dazu geführt, die Verleihung einen Tag nach Christi Himmelfahrt zu
zelebrieren, dem Tag "an dem der Gottessohn von einer Wolke aufgenommen
und ihren Blicken entzogen wurde".
So ganz genau weiß allerdings
niemand, wie die Himmelfahrt Jesu die europäische Einigung gefördert
hat, aber das dürfte wohl alles seine Richtigkeit haben, zumal bereits
Papst Johannes Paul II. im Jahre 2004 den Karlspreis erhielt. "Das Direktorium
der Gesellschaft für die Verleihung des Internationalen Karlspreises",
so begründete damals das Verleihungskomitee kratzfüßig die Wahl,
fühle "sich beehrt, einmalig und in außergewöhnlicher Weise
Seine Heiligkeit Papst Johannes Paul II. mit der Verleihung des außerordentlichen
Karlspreises auszeichnen zu dürfen". Man durfte. Nach dem huldvollen
Einverständnis des Vatikans konnte es dann zur Preisverleihung an den höchstrangigen
Vertreter derjenigen Institution kommen, die mit ihrem Verhalten Juden, Muslime,
Protestanten, häretische Muckefuckchristen und Ketzer zum rechten Glauben
gezwungen und aus Europa vertrieben hat. Was der Einigung Europas ohne Zweifel
gedient hat. Unter katholischer Flagge und unter Verzicht auf widerborstige
Andersdenker.
Begonnen hatte diese eher unfreundliche Variation der
urchristlichen Bergpredigt mit der Ernennung des Katholizismus zur Staatskirche
durch den römischen Kaiser Theodosius im Jahre 380. Es folgte dann eine
gründliche Häretiker- und Heidenhatz, auf die wir hier mit Rücksicht
auf Minderjährige nicht näher eingehen wollen. Kaiser Karl, der
Namensgeber des Aachener Preises, brachte dann im 8. Jahrhundert Schwung in
die erlahmenden Missionierungsanstrengungen. Er stellte alle Nichtkatholiken
vor die Wahl "katholisch oder Kopf ab" und drohte Frauen, die das
Vaterunser nicht beherrschten, die Peitsche an. Beides diente ohne Zweifel der
Verwirklichung einer Einheitsmeinung in Europa. Wogegen sich die Aufklärer
und 1789 das französische Volk wandte und nicht etwa die Aachener Ratsherren.
Aber darüber spricht man in der Printenstadt nicht so gerne. Lieber ergießt
man sich in einem furchtbaren Geschwafel über die "Achtung vor der
Einzigartigkeit des Menschen, seiner Würde und seinen unveräußerlichen
Rechten", wie es in der Begründung zur Karlspreisverleihung 2016 heißt.
Auch
Spaniens König Juan Carlos ("Ich geh mal eben einen Elefanten schießen"),
das Steuervermeidungsparadies Luxemburg und der Präsident des Europäischen
Rates, ein gewisser Van Rompuy, wurden bisher mit dem Karlspreis ausgezeichnet.
Van Rompuy, Absolvent der katholischen Universität von Löwen, blieb
wenigstens ehrlich: Die Auszeichnung übersteige die Bedeutung seiner Person,
sagte er in einer Stellungnahme zur 56. Verleihung dieses Preises.
Im
Jahr 2015 ist dann der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz, an der
Reihe. Schon allein deshalb, weil der Geehrte das katholische Heilig-Geist-Gymnasium
der Missionsgesellschaft der Spiritaner besuchte, das er nach der 13. Klasse
mit der Mittleren Reife verließ, um nahe Aachen eine Buchhandlung zu betreiben.
Seine Ehrung begann mit den Worten "An Christi Himmelfahrt, dem 14. Mai
2015", was jedermann klar macht, dass nur einer, der an die himmlische
Reise Jesu glaubt, für eine Würdigung in Frage kommt und nicht etwa
Konfessionsfreie, Agnostiker oder gar Kommunisten. Lessing hätte da wohl
mit seiner völkerverbindenden Ringparabel ebenso wenig Chancen auf eine
Würdigung gehabt, wie Goethe, der vom Kreuz als einem "Jammerholz"
sprach.
Ach ja, der Präsident der Europäischen Zentralbank,
Jean-Claude Trichet, wurde auch ausgezeichnet. Irgendwie muss man ja die Liste
der Honoratioren abarbeiten.
Nun also wird Papst Franziskus geehrt, der
Mann, der es sich vor dem Europaparlament angelegen sein ließ, Europa
mit einer unfruchtbaren Großmutter zu vergleichen: Nicht mehr fruchtbar
und lebendig sei diese Union, meinte Franziskus. Aber das Direktorium der Gesellschaft
für die Verleihung des Internationalen Karlspreises zu Aachen ließ
sich nicht beirren: Es fühle "sich beehrt, im Jahre 2016 Seine Heiligkeit
Papst Franziskus in Würdigung der herausragenden Botschaften und Zeichen,
die sein Pontifikat für Frieden und Verständigung, für Barmherzigkeit,
Toleranz, Solidarität und die Bewahrung der Schöpfung setzt, mit dem
Internationalen Karlspreis zu Aachen auszeichnen zu dürfen", heißt
es im salbungsvollen Ton in Aachen. Und damit niemand vergisst, welches Europa
das mit dem Domprobst als "geborenem" Mitglied und Vertretern aus
Handwerk, Versicherungen und Kommunalpolitikern durchsetzte "Direktorium"
im Auge hat, reist der Aachener Domchor mit nach Rom und wird den eingeladenen
Gästen Gelegenheit gegeben, an einem Gottesdienst teilzunehmen. Einem katholischen,
versteht sich.
Es geht also bei der Preisverleihung um das katholische
Europa und nicht etwa um ein überkonfessionelles Europa der Demokratie,
der Menschenrechte und der individuellen Freiheit, für die man nun beim
besten Willen nicht die katholische Kirche zitieren mag. Es geht auch nicht
um Frieden. Dann dürfte Karl überhaupt nicht zitiert werden, der halb
Mitteleuropa gewaltsam unter die katholische Kirche zwang und diese mit Ländereien
und Pretiosen über die Maßen beschenkte.
Nun könnte
man sagen, es werde ja nicht die katholische Kirche ausgezeichnet, sondern ein
Einzelner, der eher zufällig an der Spitze der katholischen Kirche steht.
Aber so ist es eben nicht. Es wird nicht Jorge Mario Bergoglio geehrt, sondern,
wie sich das Auszeichnungs-Komitee ausdrückt, "Seine Heiligkeit Papst
Franziskus". Die Aachener ehren also den Vorsitzenden der katholischen
Kirche, der für vieles seiner Organisation gerade stehen muss, auch wenn
er persönlich nicht haftbar gemacht werden kann. Mit Franziskus findet
auch eine Ehrung der katholischen Kirche statt. Und wie diese, die noch
im August 2000 verlauten lässt, nicht katholische Gläubige befänden
sich "in einer schwer defizitären Situation" (Dominus Jesus),
wie diese im Zeichen globalen Zusammenwachsens und der drohenden Konflikte mit
einer Milliarde Muslime zum Frieden zwischen den Religionen beitragen soll,
bleibt ein Rätsel. Denn den Muslimen ist der Kreuzzug katholischer Frommer
und Banditen gegen sie und die gewalttätige Reconquista der spanisch-katholischen
Kirche unvergessen. Das müssten Preisträger-Verleiher bedenken, wenn
sie mitten in einer Diskussion, ob der Islam zu Deutschland gehöre, ausgerechnet
den Repräsentanten einer Organisation ehrt, die sich fast tausend Jahre
lang am Islam versündigt hat.
Also, was soll ein Karlspreis?
Statt europäische Kurz- und Kleindenker mit überzogenen Pensionsansprüchen
auszuzeichnen, statt die Rangfolge der Prominenz von oben nach unten abzuarbeiten,
statt die Exekution der Geistesfreiheit und die Hinrichtung der Wissenschaften
durch einen religionsbesessenen Karolinger zu preisen, statt dessen Zwangstaufen
zu ehren, wäre es an der Zeit, die griechischen Künstler und Wissenschaftler,
die antike Stadtkultur und das Können römischer Ingenieure auszuzeichnen.
Oder die schottisch-französisch-deutsche Aufklärung, die mit den Forderungen
nach Freiheit und Menschenrechten die Vorlagen für die westlichen Verfassungen
liefert. Denn das eint Europa bis heute. Aber doch nicht Karl.