Von allen öffentlichen Lippen tropft, nach dem Brexit, eine neue
Europäsche Union: Jetzt müsse sie aber sozialer werden, jetzt müsse
man aber den kleinen Leuten mal den Sinn der EU erklären, jetzt müssen
man aber mal die EU besser machen. Besser für wen? Für die Griechen,
die von der EU in Hunger und Selbstmord getrieben wurden? Für die Spanier
oder Portugiesen, deren Jugend ohne Zukunft ist? Für die Balten, die in
Massen ihre Länder verlassen und vor dem neoliberalen Würgegriffe
in andere Länder fliehen? Für die Deutschen, denen aus dem Thatcher-Blair-England
die Agenda 2010 importiert wurde? Für die Ukrainer, die man mit der Schimäre
eines besseren EU-Lebens in einen Konflikt mit Russland gezwungen hat?
Der
Brexit sei traurig, belehrt uns der Außenmeier, die Silberlocke auf dem
Kopf der übergroßen Koalition. Todtraurig für die Hartz Vierer,
die jetzt nicht mehr mal eben nach London jetten können? Beklagenswert
für die Frauen an den Supermarktkassen, deren private Pfund-Sterling-Reserven
nun entwertet werden? Trostlos für die deutschen Hooligans, denen die Reise
zu einer ordentlichen Prügelei in Manchester bald erschwert sein wird?
Nein. Deprimierend wird es für die deutsche Waffenindustrie, die Handelserschwernisse
fürchtet, denn immerhin hatte sie im ersten Halbjahr 2015 bereit für
1,5 Milliarden Rüstungsdreck an das Vereinigte Königreich verkauft.
Hoffnungslos für die Finanzbanker, deren ständige Boni-Erhöhungen
in der Londoner City vorgelebt und zur Nachahmung empfohlen wurden. Erschreckend
für alle Atlantiker, denn Großbritannien war und ist der treueste
europäische Partner in allen Kriegen der USA.
Es seien mehr als
2.500 deutsche Unternehmen die Niederlassungen in Großbritannien hätten,
barmt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. An die über 5.000 deutschen Unternehmen
in Russland, deren Existenz durch EU-Sanktionen gefährdet wurden, hat man
jüngst noch kaum einen Gedanken verschwendet. Etwa die selbe Zahl an Unternehmen
existiert in China. Müssen Russland und China jetzt schnell in die EU,
um die englische Lücke zu schließen? Und weiter denkt die SÜDDEUTSCHE
über die Kosten nach, die jetzt auf "uns" zukommen: Denn die
Briten haben bisher "knapp fünf Milliarden Euro Netto pro Jahr aufgebracht.
Fällt ihr Beitrag weg, wird Deutschland den Löwen-Anteil übernehmen
müssen." Ach, ja, wer sagt das? Die Leute, die seit Jahr und Tag ihren
Export über "unsere" EU-Zuschüsse finanzieren. - Eine
große Welle der Traurigkeit soll über das Land schwappen, damit "wir"
uns den Kopf der Unternehmer und ihrer Polit-Bürokratie in deutschen und
europäischen Ämtern zerbrechen.
Aber es sind doch die Rechten, die Gaulands, die LePens, die Straches,
die das Ende der Europäischen Union fordern, referiert der Mainstream schaudernd.
Stimmt. Dankend haben die Rechten den Platz einer europäische Linken eingenommen,
die wie Gregor Gysi die Einordnung der EU als eine "neoliberale, militaristische
und weithin undemokratische Macht" nicht unterschreiben wollte, die mit
der EU äugelte, statt sie infrage zustellen. Es sind jene Linke, die schon
das Wort "Nation" für einen Nazi-Begriff halten und kokett mit
dem Begriff "Anti-Deutsch" im selben Bett wie die USA liegen. Als
wäre die Nation nicht einfach existent, wie das Wetter existiert und auch
die Schwerkraft. Als wäre die Nation eine Frage von Wollen und Mögen.
Und nicht ein Frage von Machen und Tun.
In den nächsten Tagen
und Wochen wird ein Gewitter scheinbar guter Ratschläge zur Rettung der
EU über uns hereinbrechen. Wir sollen uns den Kopf der EU-Profiteure zerbrechen
und ja nicht auf andere, eigene Gedanken kommen. Zum Beispiel auf den, dass
die Europäische Union im Fall Ukraine zum Kriegsprojekt geworden ist. Zum
NATO-Vorfeld. Zum trojanischen Pferd der USA. Wer nicht die Kraft hat, diese
Europäische Union radikal zu ändern, der sollte aus ihr fliehen. Guten
Morgen Deutschland.