Wer prüft sie? Aufschluss gab die Erklärung des Ditib-Vorstands
Zekeriya Altug, der anlässlich der Armenien-Resolution des Deutschen Bundestags
zu Protokoll gab, sein Verband fühle sich von den türkischstämmigen
Abgeordneten, die für die Resolution gestimmt hatten, nicht mehr vertreten.
Die Frankfurter Islamforscherin Susanne Schröter, die eine ausführliche
Studie über Wiesbadener Moscheegemeinden durchführte und dabei auf
eingeschränktes Entgegenkommen der Ditib stieß, hält den Verband
für ein finanzielles und ideologisches Anhängsel des türkischen
Staates, einen Transmissionsriemen des zunehmend islamistischen Kurses von Erdogan.
Die in Ankara ausgebildeten Imame seien Missionare der türkischen Staatstheologie.
Tatsächlich hat die Diyanet Vertreter in allen wichtigen Ditib-Gremien.
Über Kontakte einzelner Ditib-Moscheen zu Dschihadisten und Salafisten
wurde mehrfach berichtet. Siehe
FAZ vom 9.7., "Missionare der türkischen Staatstheologie"
Der
FAZ-Artikel leitet ein mit: "Kann der Islam im Westen Wurzeln schlagen?
Für die Ausbildung deutschsprachiger Imame fehlt bislang ein klares Konzept.
Dabei gibt es längst sinnvolle Modelle."
Aus den Erkenntnissen einer meiner früheren Tätigkeiten als
Berater des Islambeirates beim CDU Kreisverband Dortmund (IB-KV), der als einer
der einflussreichsten CDU Kreisverbände immer einen MdB in Berlin stellt, kann
ich dem nur zustimmen, da die DITIB Zentrale in Köln keinerlei Bereitschaft zu
einer kosntruktiven Zusamenarbeit bezüglich der Thematisierung der Rolle und
Voraussetzung der nach Deutschland gesandten Hodschas zeigte, die damals schon
über keine ausreichenden lingualen Kenntnisse der deutschen Sprache und der
hier geltenden sozio-politischen und gesellschaftlichen Frames verfügten.
Weiteres kann hier nicht ausgeführt werden, da für mich auch
nach Beendigung der Tätigkeit 100% Verschwiegenheit gilt.
Insoweit
ist die Situation Deutschland-Österreich vergleichbar, da die ATIB-Union
Hodschas an den gleichen Universitäten und Iman-Hatip Lisesi in der Türkei
studieren wie die Hodschas der DITIB, da das türkische Bildungssystem seit
2004 schleichend den Vorgaben der Erdogan-Partei AKP angepasst wird, wie verschiedenen
Medien Berichten, beispielsweise in der "Berliner
Zeitung", im Deutschlandradio,
im
SPIEGEL, in der ZEIT,
im KURIER
nachgelesen werden kann.
Damit werden auch die letzten Reste der autoriär
durchgeführten Top-Bottom Modernisierungsprogramme, wie den "Kampf um den
Körper der Frau", von Atatürk überwunden, der die Inhalte und Ausübung der
Religion unter die Kontrolle des Staates stellte, da kemalistischer Laizismus
(Laiklik) kein französischer Laizismus mit Trennung von politischer und
religiöser Sphäre als Nachwirkung von 1798 war, was eine unausrottbare
Fehleinschätzung darstellt, wie z.B. in einem Artikel
im Kulturmagazin "Die Gazette" nachgelesen
werden kann.
Die AKP-Türkei damit zu einer vom sunnitischen Islam
in AKP-Auslegung durchdrungene 2. Republik mit einem autoritär regierenden
Staatspräsidenten werden wird, womit sich der historische Kreis vollendet,
weil unter Atatürk mit der 1923 gegründeten CHP als alleinige Partei (bis 1945) die gleiche Situation bestand.
Wenn
auch ohne offizielles Mehrparteinsystem bis zur Wahl 1950, als der Kemalismus
durch die Niederlage gegen die "Demokratische Partei" für immer
seine politische Dominanz verlor, während die kemalistischen Reformen immer
weiter zurückgedrängt wurden, während dieser sich nie gesellschaftlich
weiterentwickelte, was einer der Gründe für den Aufstieg der islamistischen
Kräfte seit 1969/70 (Milli Görüs Bewegung als Partei, Mitte 1996-
Mitte 1997 Ministerpräsidentschaft des Milli Görüs Gründers
Prof. Necmettin Erbakan, Anfang des 21. Jahrhunderts die AKP als reformistische
Abspaltung von der Milli Görüs) ist, da sozial-politisch ausgerichteter
Islamismus immer vor der Folie spezifischer Problemlagen innerhalb eines Landes
heranwächst. Zumal die
Oberbegriffe sunnitisch-arabischer (Antikolonialismus) und
sunitisch-türkischer Islamismus (sozialer Konflik schwarze gegen weiße Türken
und Abarbeitung am Kemalismus) ganz andere Voraussetzungen und
Entwicklungsgeschichten in den jeweiligen Regionen umfasst.
Wobei im heutigen türkisch-parlamentarischen System
bis auf die rechtsextreme-turanistische MHP (Milliyetçi Hareket Partisi,
Partei der Nationalistischen Bewegung) die kemalistisch-sozialdemokratische
CHP (Cumhuriyet Halk Partisi
- Republikanische Volkspartei) und die links-kurdische HDP (Halkların Demokratik Partisi, Demokratische Partei der Völker) auf absehbare Zeit keine politische Rolle mehr
spielen, während die türkische Gesellschaft so tief gespalten ist,
wie noch nie in der jungen Geschichte der türkischen Republik.
Interessant
wird es, falls die MHP-Abgeordnete Meral Aksener den Vorsitz der MHP übernehmen
sollte, weil dann dem türkischen Staatspräsidenten ein ebenbürtiger
Gegenspieler erwachsen könnte. Wie man aus der Türkei hört.
Insoweit der Kemalismus endgültig gescheitert ist. Mit
entsprechenden Folgen für alle europäischen Ländern mit Diyanet Ablegern wie
Deutschland (DITIB) und Österreich (ATIB Union).