Bei meiner mehrwöchigen und gefährlichen Studienreise in die
Türkei, in der ich als kritischer Beobachter und Augenzeuge, bezüglich
des radikalen Islam und bestehenden Terrorrouten nach Europa forschte, wurden
alle Befürchtungen in Bezug auf die Entwicklung in der Türkei bestätigt.
Diese Entwicklungen betreffen jedoch nicht nur die Türkei. Ebenso wirken
diese auf sehr gefährliche Weise auch auf die Zukunft Österreichs
und Europas.
Unter Einsatz von polizeilicher Gewalt und Unterdrückung
wird Schritt für Schritt ein fundamentalistischer Islam, sowie ein Personenkult
nach osmanischem Muster, etabliert. Die Türkei ist auf dem besten Weg,
eine islamische Republik wie der Iran zu werden. Erdogan spielt sich als
"Muslimführer" auf! Auch "strenggläubige" Muslime
fühlen sich von ihm angesprochen, nicht nur radikalen Islamisten. Dieser
Staat bietet daher immer häufiger vielen arabischen Islamisten, vor allem
den ägyptischen Muslimbrüdern Schutz und Heimat. Er zieht auch viele
Araber an, etwa reiche, privilegierte und Akademiker aus den Golfstaaten, aber
auch Syrer und Iraker, die in der Türkei Geschäfte und Immobilien
kaufen. Denn sie betrachten die Türkei bereits als islamischen Staat.
Wie
sehr Erdogan bereits bei kleinen Kindern beginnend, die Islamisierung mit Hochdruck
vorantreibt, zeigt ein aktuelles Beispiel:
Es soll ab dem neuen Schuljahr,
ab September 2016, auch für Kinder in Grundschulen Arabischunterricht geben
- mit dem Ziel nicht nur Arabisch, sondern auch die 1925 abgeschaffte arabisch-osmanische
Schrift zu erlernen. Bisher war Arabisch nur als Wahlsprache für Mittelschulen
und Gymnasium vorgesehen.
Alles dreht sich nun um "den Willen
Gottes" bzw. wird immer häufiger das, was Erdogan dient, als Wille
Gottes ausgelegt. Es geht darum den national-fundamentalistischen Islam
salonfähig zu machen und jede Form von Liberalismus zu zerstören.
All dies werden wir unweigerlich auch in Österreich und Europa zu spüren
bekommen. Erste "Kostproben" haben wir schon erleben müssen.
Da
sich Tyrannen aber selten an der Macht halten können, da dies zu großen
Spannungen innerhalb der Bevölkerung führt, wird er mit großer
Wahrscheinlichkeit von den eigenen Leuten, oder aber seinen Feinden früher
oder später beseitigt werden. Denn auch innerhalb der AKP sind die Leute
verunsichert. Außerdem sind massenhaft Menschen, die mit dem Putsch nichts
zu tun hatten, in vorgefertigten Listen, inhaftiert worden.
Selbst wenn sich die Lage in der Türkei, auf den ersten Blick, nach dem Putschversuch beruhigt hat, ist, ob dies zu einer längerfristigen Stabilität führt, nicht abzusehen.
Korruption und Bestechung sind in der Türkei längst verbreitet, erreichen
aber unter Erdogan Rekordhöhe.
Die Menschen haben Angst und der Wirtschaft, insbesondere
dem Tourismus geht es nicht gut. Es fehlt wegen der massenhaften Verhaftungen,
in allen Bereichen das benötigte Fachpersonal. Da aber viele Türken
wegen des wirtschaftlichen Aufschwungs zu Erdogan-Wählern wurden, könnten
wirtschaftliche Probleme zu Unruhen führen.
Zudem praktizieren
Erdogan und seine Regierung eine aggressive und radikale Innen- und Außenpolitik.
Das ist auch für Türken kontraproduktiv und gefährlich! Erdogan
entpuppt sich dabei als absoluter Diktator. Zwar hat er laut den letzten Wahlen
rund 50 Prozent der Türken hinter sich, aber ebenfalls - aufgrund seiner
aggressiven und jähzornigen Politik - sowohl Gegner (Kemalisten, Aleviten),
als auch Feinde (Kurden) im eigenen Land. Die im In- und Ausland große
Zahl der Anhänger von Fethullah Gülen, die er vernichten will, werden
versuchen Rache an ihm zu üben. Erdogan sitzt auf einem Pulverfass!
Dieser
gewaltsame Umbau eines Staates, der nur mehr auf dem Papier eine relative
Demokratie genannt werden kann, wird immer häufiger die bestehenden Konflikte
zwischen Erdogan-Anhängern, säkularen Türken und vor allem Kurden
in Österreich und Europa eskalieren lassen und somit auch unsere Sicherheit
gefährden. Denn Erdogan fördert durch seine Maßnahmen auch einen
"Kalten Glaubenskrieg". Auf populistische Weise spielt er weltweit
Muslime und Nicht-Muslime gegeneinander aus. Er schürt den Hass gegen die
USA, die Juden und Europa, insbesondere auch gegen Österreich.
Da stellt sich die Frage, ob Erdogan das gespaltene türkische Volk
noch einigen kann?
Warum hat Erdogan lange Zeit zugeschaut, dass Flüchtlinge ertrunken
sind und Terroristen aus aller Welt und Europa die Türkei passieren?
Schafft es Erdogan, seine inneren und äußeren Feinde und Gegner
zu beruhigen?
Ist Erdogan national, regional und international noch glaubwürdig?
Die
Kontroverse zwischen der Türkei, Österreich und Europa schadet aber
in erste Linie der Türkei selbst, da die Vernunft gebietet, während
des EU-Gipfels am 16. September in Bratislava, einen klaren Schulterschluss
gegen das türkische Regime zu beschließen.
"Wir - die
Muslime in Europa - wollen hier leben. Wir dürfen nicht die Probleme aus
anderen Ländern importieren, keine fremden Konflikte in Wien auf die Straße
tragen. Ich verlange von jedem Muslim: "Sei loyal zu dem Land, in dem du
lebst!" Wenn wir Muslime nicht endlich dem Islam eine Reform europäischer
Prägung geben, können wir die Moderne nicht erreichen. Ich würde
Erdogan raten - aus Respekt vor dem türkischen Volk - seine Politik zu
ändern.
Die Berichte über Bespitzelung durch Erdogan-Handlanger
in Österreich kann ich bestätigen. Auch ich werde sicherlich überwacht.
Aber ich bin vorsichtig. Ich wechsle die Orte, an denen ich mich bewege. Als
ich kürzlich öffentlich behauptete, dass Erdogan Einfluss auf die
Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich - IGGiÖ hat, habe ich
in Wien wieder etliche Drohungen erhalten, durch soziale Netzwerke und persönlich.
Erdogans Geheimdienst ist auch hier sehr aktiv. Auch bin ich selbst schon, als
ich in der Türkei war, aufgefordert worden, verdächtige Personen bei
der türkischen Botschaft zu melden. Aber das lehne ich selbstverständlich
ab.
Zur Person: Der in Wien lebende, gebürtige Iraker Dr. Amer
Albayati, ist Mitbegründer der Initiative Liberaler Muslime in Österreich
(ILMÖ), Imam, Buchautor und Experte für radikalen Islam und Terrorismus.
Der Kenner der Islam-Szene in Österreich hat berechtigte Angst vor
Bespitzelung, Angst vor Rache, Angst vor Terroristen, denen er auf der Spur
ist. Trotz immer wiederkehrenden Todesdrohungen nicht nur durch den IS (Buch:
Auf der Todesliste der IS) lässt er sich nicht den Mund verbieten. Er arbeitet
im Sinne Österreichs und allen Menschen hier weiter, als friedlicher Aktivist
und Islam-Reformer europäischer Prägung "denn sonst hätten
wir verloren"!
Dr.
Amer Albayati, Präsident, als liberaler Imam der Initiative Liberaler Muslime
Österreich - ILMÖ