Das Freihandelsabkommen ist unabhängig von den Inhalten ein
sichtbares Zeichen für das derzeit höchst problematische Verständnis zwischen
Bürgern und Entscheidungsträgern.
So lange der Bürger, besser der Konsument, einer Arbeit
nachgeht, das Geld wieder ausgibt und keine kritischen Fragen stellt, ist die
auf maximalen Konsum ausgerichtete Welt in Ordnung. Wer kritische Fragen
stellt, gilt nicht nur als Konsument für die Wirtschaft, sondern auch für die
Politik als Störenfried.
Durch Dauerwerbung wird der Konsument manipuliert. Der
Gipfel dieser Manipulation trat durch die Abgasskandale an die Öffentlichkeit.
Würden die Bilder von glücklichen sprechenden Schweinchen und auf saftigen
Almwiesen grasenden Kühen annähernd an die Realität herangeführt, würde der
Konsument erkennen, welchen Manipulationen wir von Konzernen ausgesetzt sind.
Aber wer will das schon? Im 21. Jahrhundert, in dem überall zu hören ist, wie
wichtig es sei, das Vertrauen der Bürger zu gewinnen, werden so wichtige
Abkommen wie TTIP und CETA hinter verschlossenen Türen verhandelt. Dies zeigt,
welches Verständnis politischen Eliten und Entscheidungsträgern zugrunde
liegt.
Derartig weitreichende Verhandlungen werden mit allen
Mitteln geheim gehalten. Selbst die gewählten Volksvertreter durften unter
restriktivsten Bedingungen nur kurz in die Unterlagen Einsicht nehmen. Solche
Vorgehensweisen sollen das Vertrauen stärken? Es zeigt nur, dass Bürger als
Störenfriede wahrgenommen werden. Die viel beschworene Demokratie der Gegenwart
verkommt zum Trugbild. Für die Wirtschaft lautet das Motto: nicht denken,
sondern kaufen; politische Mitbestimmung, jedoch nur zum Preis von Hindernissen
und Widerständen.
Beispiel gefällig? Was vom Bildungsvolksbegehren übrig
geblieben ist, wissen Politikinteressierte. Es wird die Möglichkeit von
Mitbestimmung suggeriert, jedoch sitzen die Parteien, Gewerkschaften und
Kammern Debatten und notwendige Diskussionen aus.
Politiker, besonders die sich als moralisch und elitär
überlegen fühlenden Linkspolitiker, trauen den Bürgern gar nicht mehr zu, sich
mit Inhalten zu beschäftigen. Berechtigte Kritik, insbesondere in Migrations-
und Asylfragen, wird reflexartig als rechtsextrem, islamophob und sexistisch
abgestempelt. Warum sich viele Bürger von der Politik nicht mehr angesprochen
fühlen, sich einen starken Mann an der Spitze wünschen und das Vertrauen in die
Demokratie erodiert, liegt auf der Hand. Wer die Menschen nicht ernst nimmt,
braucht sich nicht fragen, warum Populisten einen regen Zulauf haben. Wenn
Bürger zu Stimmvieh und unkritischen Konsumenten degradiert werden, erweckt
dies den Eindruck, dass wir die Sklaven des 21. Jahrhunderts sind.