Die Türkei habe sich in den vergangenen Monaten in eine mehr als
nur besorgniserregende Richtung entwickelt, stellten Abgeordnete aller sechs
Parlamentsfraktionen in einer gemeinsamen Erklärung fest, die heute
im Parlament unterzeichnet wurde. Andreas Schieder (S), Reinhold Lopatka (V),
Heinz-Christian Strache (F), Aygül Berivan Aslan (G), Matthias Strolz (N)
und Robert Lugar (T) fordern u.a. von der türkischen Regierung die sofortige
Freilassung der inhaftierten Abgeordneten und JournalistInnen sowie die Achtung
der Meinungsfreiheit und die Unabhängigkeit von Justiz und Gesetzgebung.
Diese antidemokratischen Vorgänge in der Türkei, die nicht mit europäischen
Werten vereinbar sind, seien ein weiterer Grund, die Verhandlungen auszusetzen
und bei weiterer Eskalation den Abbruch der Beitrittsverhandlungen zwischen
der Europäischen Union und der Türkei von Seiten der österreichischen
Bundesregierung zu fordern.
Auch der EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn
zeigte sich gestern anlässlich der Präsentation des jährlichen
Fortschrittsberichts schwer besorgt über die jüngsten Vorkommnisse
in der Türkei. Es liege nun an den EU-Staaten, die Schlussfolgerungen zu
ziehen, meinte Hahn.
"Die Ereignisse der letzten Monate in der Türkei haben sich in
eine mehr als nur besorgniserregende Richtung entwickelt. Infolge eines gescheiterten
Militärputsches im Juli d.J. verhängte die Türkei den Ausnahmezustand
und setzte Verpflichtungen der Europäischen Menschenrechtskonvention aus.
Es kam zu Massenverhaftungen und Amtsenthebungen von bis zu 60.000 Staatsangestellten
in der Armee, Polizei, Justiz und im Bildungswesen. Bereits im Sommer wurde
die Immunität der Abgeordneten der Oppositionspartei HDP aufgehoben, regierungskritische
Medien wurden eingestellt und andere einschüchternde Maßnahmen getroffen.
Trotz
der auch international anhaltenden Kritik an der fehlenden Einhaltung der Menschenrechte
gegenüber Bürgerinnen und Bürgern der Türkei insbesondere
der kurdischen Minderheit, Journalistinnen und Journalisten, Richterinnen und
Richtern und vielen anderen, regierungskritischen Personen und trotz der vielen
Solidaritätsbekundungen wurden nun Abgeordnete der Oppositionspartei HDP
verhaftet. Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag - die beiden Vorsitzenden
der HDP und somit wichtige Persönlichkeiten der parlamentarischen Opposition
- sowie andere Abgeordnete der HDP sind mittlerweile in Haft. Die Fahndung nach
anderen Abgeordneten der HDP läuft.
Diese äußerst besorgniserregenden Entwicklungen in der Türkei,
die nicht mit europäischen Werten vereinbar sind, sind ein weiterer Grund,
die Verhandlungen auszusetzen und bei weiterer Eskalation den Abbruch der Beitrittsverhandlungen
zwischen der Europäischen Union und der Türkei von Seiten der österreichischen
Bundesregierung zu fordern. Das Parlament ist das Herz jeder Demokratie, jede
Maßnahme, die Abgeordnete in ihrer Handlungsfreiheit einschränkt
und in ihrer Arbeit behindert, ist darum abzulehnen. Demokratie und die Wahrung
der Grund- und Menschenrechte sind unverhandelbar und sind auf jeden Fall einzuhalten!
Wir
fordern daher von der türkischen Regierung die sofortige Freilassung der
inhaftierten Abgeordneten, Journalistinnen und Journalisten, sowie die Achtung
der Meinungsfreiheit und der Unabhängigkeit von Justiz und Gesetzgebung.
Wir verurteilen alle Terrorakte und fordern die Reaktivierung des kurdischen
Friedensprozesses. Gleichzeitig fordern wir die österreichische Bundesregierung
auf, sich in ihren Kontakten mit der Türkei bilateral und im Rahmen der
EU ebenfalls mit Nachdruck für diese Forderungen einzusetzen.
Als
Abgeordnete sprechen wir an unsere Kolleginnen und Kollegen im türkischen
Parlament die Einladung, uns in Wien zu besuchen und uns im Parlament über
ihre Probleme und Anliegen zu berichten, aus."