Die neue Studie zum Thema Foreign Fighter vom ICCT-The Hague, wo Prof.
Edwinn Bakker, einer meiner Lehrer im Bereich Terrorism-Counterterrorism, tätig
ist, kann downgeloaden
werden!
Zwei Punkte, die auch ich seit 2015 immer wieder genannt habe,
werden auch hier angeführt:
Ich habe darauf schon 2014 in meiner Gefährdungseinschätzung "Da`wah
und Jihadistischer Salafismus als sicherheitspolitische Herausforderung für
Österreich" im Rahmen einer Aussendung der Initiative Liberaler Muslime
in Österreich (ILMÖ) hingewiesen.
So
haben 2016 der Mordversuch an einen Beamten der Bundespolizei in Hannover/Deutschland
durch eine im Spektrum des radikalen Salafismus radikalisierten weiblichen Teenager
und die Zerschlagung einer weiblichen DAESH Terrorzelle in Frankreich gezeigt,
wie die Feminisierung innerhalb der Anhänger des Salafi Dschihadismus fortschreitet,
wobei die Mudschahida (die den Dschihad Ausübende, feminin) genauso gewaltaffin
ist wie der Mudschahid (der den Dschihad Ausübende, maskulin).
Ebenso
werden die Anhänger immer jünger. So wurde 2016 ein Anschlag auf einen
Sikh-Tempel in Essen/Deutschland durch jugendliche Salafis verübt.
Man
somit 2017 in Europa mit einem quantitativ ansteigenden weiblichen Anhängerpotential
im Rahmen einer Verjüngung der gesamten Anhängerschaft des radikalen
bis dschihadistischen Salafismus rechnen muss.
Diese sind zwar in Fragen
der religiös-rechtlicher Legitimierung von Gewalt dschahil (unwissend),
weil im Islam die Ausübung von Qital (Kampf) und Harb (Krieg) als gewaltsamer
Dschihad (al-Dschihad bi-s-Saif wa-r-Ramah fi Sabil(i) li-Illah maa' Niyyah:
Die Anstrengung/Bemühung mit Schwert und Speer auf dem Weg Allah mit reiner
Absicht) primär eine juristisch geregelte Frage im zuständigen Fiqh
(Rechtsgebiet) der jeweiligen Rechtsschule ist.
Die seit den Tagen von Sayyid
Qutb in den 1960er Jahren in Ägypten und Shaykh Abd'allah Yusuf 'Azzam
während des anti-sowjetischen Dschihad in Afghanistan 1979-1989 zu einer
politisch-revolutionären neuzeitlichen Ideologie mit religiöser Unterfütterung
(wie mit Schriften von Gelehrten der sunnitischen Hanbali Rechtsschule und dem
Begründer der saudi-arabischen Islamauslegung Muhammad Ibn Abd al-Wahhab)
ausgearbeitet wurde und bis heute weiterentwickelt wird, welche gleichzeitig
das Monopol der elaborierten Codes der islamischen Gelehrten und Juristen negiert.
Womit
aufgrund einer fehlenden allgemein anerkannten religiösen Autorität
im sunnitischen Islam jeder als angeblicher Gelehrter oder Shaykh den gewaltsamen
Dschihad ohne notwendiges religiös-juristisches Wissen als individuelle
und nicht delegierbare Pflicht (Fard al-Ayn) für jede(n) Muslima/Muslim
propagieren kann, der Anhänger findet, die ihm folgen, während
diese sich legitimiert sehen, weil der Salafi Dschihadismus sich in der Situation
der reaktiven globalen Verteidigung sieht, da die westlichen Käfirun (Ungläubigen)
und Salibiiyun (Kreuzfahrer) das Dar(u) l-Islam (Gebiet des Islam) und die Muslime
vernichten wollen, womit auch terroristische Akte im Westen auf Grundlage der
zur Verfügung stehenden Möglichkeiten gerechtfertigt sind, um den
bedrängten Muslimen im Dar(u) l-Islam zu helfen, wenn man nicht die Hidschra
nach ash-Sham und anderen Hotspots des Salafi Dschihadismus vollziehen kann.
Dafür
ist dieses Klientel umso gewaltbereiter, womit auch die Hemmschwelle zur Gewaltausübung
in Form terroristische Akte gegen Soft Targets im Inland beständig sinkt.
Gleichzeitig
hat sich in ash-Sham durch die gezielte Radikalisierung und zur Tötung
abgerichteter jugendlicher "Cubes of Chalifat" durch DAESH ein in
Zukunft zum Problem werdendes Konflikt- und Gewaltpotential vor Ort herausgebildet,
welches nach der Vernichtung des Chalifates den Nährboden für eine
neue Generation von Salafi Dschihadisten in ash-Sham bilden wird, da Syrien
und Iraq gar nicht die Mittel haben, um Deradikalisierungs- und Eingliederungsprogramme
finanzieren zu können, die man benötigt, wobei in Syrien auch auf
nicht absehbare Zeit der Krieg weitergehen wird.
Zudem fehlt derzeit noch
das Problembewusstsein für diese sich abzeichnende zukünftige Gefährdung,
womit man zuerst den Iraq in in diesem Bereich unterstützen muss, da die
nächste Salafi Dschihadi Generation auch zur Gefährdung für Europa
werden kann und wird.
Nicht nur der Anschlag in Berlin hat die existenten Mängel einer
unzureichenden Sicherheitsarchitektur auf nationalstaatlicher und europäischer
Ebene offenbart. Sondern seit Jahren wird eine Diskussion um die notwendigen
Anpassungen in den Bereichen Repression, Prävention und Intervention geführt,
die zu keinem Ergebnis geführt haben, da kostenlose Gesetzesverschärfungen
und übertriebener Alarmismus alleine nicht weiterhelfen, weil man bis heute
schon versäumt hat, die Resilience (physische Widerstandskraft) der Bevölkerung
im Rahmen von Fear Management zu stärken, damit Terrorismus als strategische
Kommunikationsform und Form psychologischer Kriegsführung als Tool zur
Verbreitung von Angst und Schrecken die beabsichtige Wirkung einer gesellschaftlichen
Spaltung entlang bestehender ethnisch-religiöser Bruchlinien nicht entfalten
kann, da Anschläge auf Soft Targets auf dem Niveau des Low Level Terrorism
alleine keine verfasste Ordnung in ihren Grundfesten bedrohen.
Sondern die
darauf folgenden politisch-gesellschaftlichen Diskurse, die in den Bahnen verlaufen,
die die Salafi Dschihadis vorgeben, da dem angegriffenen "Feind" eine
bestimmte Weltsicht und subjektiven Wahrnehmung der Realität (Sicherheitsgefühl)
aufgezwungen wird, die mit der objektiven Realität (Sicherheitslage) nicht
kongruent geht, ohne das der "Feind" das bemerkt.
Vielmehr
benötigt man eine umfassende Bestandsaufnahme ohne Tabus und den Willen,
auch finanziell notwendige Investitionen für eine holistisch angelegte
Counterterrism Strategie auf sicherheitspolitisch und politisch-gesellschaftlicher
Ebene zu genehmigen, da wirksames Counterterrorism und Countering Violence Extremism
(CVE) sich daran zeigt, das nichts passiert. Man daher nicht erwarten kann:
Ich werfe 1 Euro oben rein und unten kommt für 10 EURO Sicherheit
raus.
2017 wird zeigen, ob Berlin ein Erweckungserlebnis bewirkt hat.
Oder
ob man bis zum nächsten Anschlag weiterhin weiße Elefanten Diskussionen
als Ausdruck verbalen Rabulismus ohne lösungsorientiertes Issue Management
führt, womit man keine Erkenntnisgewinne generieren kann, die zu notwendigen
Handlungsmaximen und Anleitungen für politisches Handeln verdichtet werden
können.
Dr. Amer Albayati und ich haben diese notwendigen Reformen
schon Mitte 2015 explizit angemahnt:
"[...] Gleichzeitig plädiert
Tartsch in Weiterführung der Empfehlungen seiner Lehrer Prof. Edwin Bakker
(Universität Leiden, ICCT-The Hague, NATO Defence College) und Prof. Daniel
Byman (Georgetown University) für einen ganzheitlichen politisch-gesellschaftlichen
Ansatz, der Soft und Hard Measures vereint, wobei insbesondere die politisch
Verantwortlichen im Rahmen des Fear Management (Edwin Bakker) schon jetzt die
Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung nach einem erfolgten Anschlag
stärken sollten (Resilience), um dessen psychologische Folgen zu minimieren.
Somit
ohne übertriebenen Alarmismus und ohne die oftmals zu erlebende Konfliktscheu
und Naivität ein angemessener und unaufgeregter Umgang mit der Gefährdungslage
notwendig ist, da solche Anschläge die bestehende Staats- und Werteordnung
nicht in ihren Grundfesten erschüttern können, wenn man dieses nicht
zulässt."
Siehe:
"IS Terroristen; Dschihadisten, Salafisten und Muslimbrüder stellen
eine ernste Bedrohung für ganz Europa dar!"
Dr. Thomas Tartsch
- www.thomastartsch.org
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