Kinder und Frauen im Dschihad

Aussendung von Dr. Thomas Tartsch und Amer Albayati am 31.12.2016

Neue Foreign Fighter Studie: Frauen u. Kinder vermehrt Dschihadis - Bestätigung Warnungen Dr. Tartsch u. Dr. Albayati (ILMÖ)

Die neue Studie zum Thema Foreign Fighter vom ICCT-The Hague, wo Prof. Edwinn Bakker, einer meiner Lehrer im Bereich Terrorism-Counterterrorism, tätig ist, kann downgeloaden werden!

Zwei Punkte, die auch ich seit 2015 immer wieder genannt habe, werden auch hier angeführt:

1. Frauen und Kinder werden in Zukunft im gewaltsamen Salafi Dschihadismus eine immer größere Rolle spielen.

Ich habe darauf schon 2014 in meiner Gefährdungseinschätzung "Da`wah und Jihadistischer Salafismus als sicherheitspolitische Herausforderung für Österreich" im Rahmen einer Aussendung der Initiative Liberaler Muslime in Österreich (ILMÖ) hingewiesen.
So haben 2016 der Mordversuch an einen Beamten der Bundespolizei in Hannover/Deutschland durch eine im Spektrum des radikalen Salafismus radikalisierten weiblichen Teenager und die Zerschlagung einer weiblichen DAESH Terrorzelle in Frankreich gezeigt, wie die Feminisierung innerhalb der Anhänger des Salafi Dschihadismus fortschreitet, wobei die Mudschahida (die den Dschihad Ausübende, feminin) genauso gewaltaffin ist wie der Mudschahid (der den Dschihad Ausübende, maskulin).
Ebenso werden die Anhänger immer jünger. So wurde 2016 ein Anschlag auf einen Sikh-Tempel in Essen/Deutschland durch jugendliche Salafis verübt.

Man somit 2017 in Europa mit einem quantitativ ansteigenden weiblichen Anhängerpotential im Rahmen einer Verjüngung der gesamten Anhängerschaft des radikalen bis dschihadistischen Salafismus rechnen muss.
Diese sind zwar in Fragen der religiös-rechtlicher Legitimierung von Gewalt dschahil (unwissend), weil im Islam die Ausübung von Qital (Kampf) und Harb (Krieg) als gewaltsamer Dschihad (al-Dschihad bi-s-Saif wa-r-Ramah fi Sabil(i) li-Illah maa' Niyyah: Die Anstrengung/Bemühung mit Schwert und Speer auf dem Weg Allah mit reiner Absicht) primär eine juristisch geregelte Frage im zuständigen Fiqh (Rechtsgebiet) der jeweiligen Rechtsschule ist.
Die seit den Tagen von Sayyid Qutb in den 1960er Jahren in Ägypten und Shaykh Abd'allah Yusuf 'Azzam während des anti-sowjetischen Dschihad in Afghanistan 1979-1989 zu einer politisch-revolutionären neuzeitlichen Ideologie mit religiöser Unterfütterung (wie mit Schriften von Gelehrten der sunnitischen Hanbali Rechtsschule und dem Begründer der saudi-arabischen Islamauslegung Muhammad Ibn Abd al-Wahhab) ausgearbeitet wurde und bis heute weiterentwickelt wird, welche gleichzeitig das Monopol der elaborierten Codes der islamischen Gelehrten und Juristen negiert.

Womit aufgrund einer fehlenden allgemein anerkannten religiösen Autorität im sunnitischen Islam jeder als angeblicher Gelehrter oder Shaykh den gewaltsamen Dschihad ohne notwendiges religiös-juristisches Wissen als individuelle und nicht delegierbare Pflicht (Fard al-Ayn) für jede(n) Muslima/Muslim propagieren kann, der Anhänger findet, die ihm folgen, während diese sich legitimiert sehen, weil der Salafi Dschihadismus sich in der Situation der reaktiven globalen Verteidigung sieht, da die westlichen Käfirun (Ungläubigen) und Salibiiyun (Kreuzfahrer) das Dar(u) l-Islam (Gebiet des Islam) und die Muslime vernichten wollen, womit auch terroristische Akte im Westen auf Grundlage der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten gerechtfertigt sind, um den bedrängten Muslimen im Dar(u) l-Islam zu helfen, wenn man nicht die Hidschra nach ash-Sham und anderen Hotspots des Salafi Dschihadismus vollziehen kann.
Dafür ist dieses Klientel umso gewaltbereiter, womit auch die Hemmschwelle zur Gewaltausübung in Form terroristische Akte gegen Soft Targets im Inland beständig sinkt.

Gleichzeitig hat sich in ash-Sham durch die gezielte Radikalisierung und zur Tötung abgerichteter jugendlicher "Cubes of Chalifat" durch DAESH ein in Zukunft zum Problem werdendes Konflikt- und Gewaltpotential vor Ort herausgebildet, welches nach der Vernichtung des Chalifates den Nährboden für eine neue Generation von Salafi Dschihadisten in ash-Sham bilden wird, da Syrien und Iraq gar nicht die Mittel haben, um Deradikalisierungs- und Eingliederungsprogramme finanzieren zu können, die man benötigt, wobei in Syrien auch auf nicht absehbare Zeit der Krieg weitergehen wird.
Zudem fehlt derzeit noch das Problembewusstsein für diese sich abzeichnende zukünftige Gefährdung, womit man zuerst den Iraq in in diesem Bereich unterstützen muss, da die nächste Salafi Dschihadi Generation auch zur Gefährdung für Europa werden kann und wird.

2. Fehlende holistisch angelegte Counterterrorism Strategie auf sicherheits- und politisch-gesellschaftlicher Ebene

Nicht nur der Anschlag in Berlin hat die existenten Mängel einer unzureichenden Sicherheitsarchitektur auf nationalstaatlicher und europäischer Ebene offenbart. Sondern seit Jahren wird eine Diskussion um die notwendigen Anpassungen in den Bereichen Repression, Prävention und Intervention geführt, die zu keinem Ergebnis geführt haben, da kostenlose Gesetzesverschärfungen und übertriebener Alarmismus alleine nicht weiterhelfen, weil man bis heute schon versäumt hat, die Resilience (physische Widerstandskraft) der Bevölkerung im Rahmen von Fear Management zu stärken, damit Terrorismus als strategische Kommunikationsform und Form psychologischer Kriegsführung als Tool zur Verbreitung von Angst und Schrecken die beabsichtige Wirkung einer gesellschaftlichen Spaltung entlang bestehender ethnisch-religiöser Bruchlinien nicht entfalten kann, da Anschläge auf Soft Targets auf dem Niveau des Low Level Terrorism alleine keine verfasste Ordnung in ihren Grundfesten bedrohen.
Sondern die darauf folgenden politisch-gesellschaftlichen Diskurse, die in den Bahnen verlaufen, die die Salafi Dschihadis vorgeben, da dem angegriffenen "Feind" eine bestimmte Weltsicht und subjektiven Wahrnehmung der Realität (Sicherheitsgefühl) aufgezwungen wird, die mit der objektiven Realität (Sicherheitslage) nicht kongruent geht, ohne das der "Feind" das bemerkt.

Vielmehr benötigt man eine umfassende Bestandsaufnahme ohne Tabus und den Willen, auch finanziell notwendige Investitionen für eine holistisch angelegte Counterterrism Strategie auf sicherheitspolitisch und politisch-gesellschaftlicher Ebene zu genehmigen, da wirksames Counterterrorism und Countering Violence Extremism (CVE) sich daran zeigt, das nichts passiert. Man daher nicht erwarten kann: Ich werfe 1 Euro oben rein und unten kommt für 10 EURO Sicherheit raus.

2017 wird zeigen, ob Berlin ein Erweckungserlebnis bewirkt hat.

Oder ob man bis zum nächsten Anschlag weiterhin weiße Elefanten Diskussionen als Ausdruck verbalen Rabulismus ohne lösungsorientiertes Issue Management führt, womit man keine Erkenntnisgewinne generieren kann, die zu notwendigen Handlungsmaximen und Anleitungen für politisches Handeln verdichtet werden können.

Dr. Amer Albayati und ich haben diese notwendigen Reformen schon Mitte 2015 explizit angemahnt:
"[...] Gleichzeitig plädiert Tartsch in Weiterführung der Empfehlungen seiner Lehrer Prof. Edwin Bakker (Universität Leiden, ICCT-The Hague, NATO Defence College) und Prof. Daniel Byman (Georgetown University) für einen ganzheitlichen politisch-gesellschaftlichen Ansatz, der Soft und Hard Measures vereint, wobei insbesondere die politisch Verantwortlichen im Rahmen des Fear Management (Edwin Bakker) schon jetzt die Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung nach einem erfolgten Anschlag stärken sollten (Resilience), um dessen psychologische Folgen zu minimieren.
Somit ohne übertriebenen Alarmismus und ohne die oftmals zu erlebende Konfliktscheu und Naivität ein angemessener und unaufgeregter Umgang mit der Gefährdungslage notwendig ist, da solche Anschläge die bestehende Staats- und Werteordnung nicht in ihren Grundfesten erschüttern können, wenn man dieses nicht zulässt."

Siehe: "IS Terroristen; Dschihadisten, Salafisten und Muslimbrüder stellen eine ernste Bedrohung für ganz Europa dar!"

Dr. Thomas Tartsch - www.thomastartsch.org
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