Dönmez: Grundsätze statt Symbole

Efgani Dönmez, früher Grün-Bundesrat, jetzt Mediator, Konfliktberater und Lektor, am 14.1.2017 in den OÖNachrichten über die Kopftuchdiskussion

Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen - dies ist eine Kernaussage der Aufklärung. Dass bei religiösen Themen, auch teilweise in der Politik, viele Menschen sich ihres eigenen Verstandes ohne Anleitung eines anderen leider nicht zum Besten bedienen, erkennt man auch an manchen öffentlich geführten Debatten, wie zum Beispiel an der Kopftuchdiskussion. Die Art und Weise, wie darüber diskutiert wird, bringt uns gesellschaftlich keinen Millimeter weiter. Es werden eher die Fronten verhärtet und eine Verschleierungspolitik betrieben, wenn man die Diskussion an einzelnen Symbolen wie dem Kopftuch festmacht, statt sich an Grundsätzen einer aufgeklärten Gesellschaft zu orientieren.

Die Gründe für das Tragen eines Kopftuches sind vielfältig. Hierbei kann die Tradition eine Rolle spielen. Eine bestimmte religiöse Interpretation des Glaubens. Der gesellschaftliche Zwang. Als Zeichen eines politisierten Glaubens. Die Zuschreibung einer bestimmten Rolle für Frauen durch patriarchal geprägte Männerbilder usw. Faktum ist, dass in vielen islamischen Ländern, seit der Machtergreifung der Vertreter des politischen Islams, wie jener der AKP in der Türkei und der global agierenden Muslimbruderschaft sowie anderer islamistisch-reaktionärer Gruppierungen wie der Salafisten, die Anzahl der Kopftuch tragenden Frauen zugenommen hat - auch in Österreich.

Wenn wir die Debatten ehrlich betreiben würden, müssten wir über das Verhältnis zwischen Staat und Religion eine Grundsatzdiskussion führen.
Manche Parteien und deren Vertreter sind sehr eng mit der Kirche und katholischen Verbindungen sowie anderen einflussstarken, religiösen Gruppierungen verwoben. Die zu führenden Diskussionen haben im Sinne der Aufklärung aufgrund der asymmetrischen Machtverhältnisse kaum Aussicht auf Erfolg. Wäre dem so, könnten sich viele Themen erst gar nicht in dieser Form ergeben.

Unter dem Deckmantel der religiösen Toleranz und des interreligiösen Dialogs wird von manchen Parteien und Religionsvertretern viel Schindluder betrieben. Ein Schandfleck und ein Mahnmal einer von Doppelbödigkeit getragenen Politik ist das von Saudi-Arabien finanzierte "Interreligiöse Dialogzentrum" in Wien, welches auf Betreiben der österreichischen Bundesregierung, dem spanischen Königshaus, dem Vatikan sowie den höchsten Vertretern des Salafismus, jener Strömung des Islams, dem fast alle islamistischen Terroristen anhängen, initiiert worden ist. Wer einer Religion bedarf, um damit Politik zu betreiben, ist und bleibt ein Schwachkopf! Die Politik wäre gut beraten, statt einer Kopftuchdiskussion dem Einfluss aus dem Ausland auf die Muslime in Österreich einen Riegel vorzuschieben. Das staatliche, öffentliche Leben sollte neutral sein.