Erdogan, Erdoganer...

...aber vielleicht doch nicht am Erdogansten?

Am 26.1.2017 wurde das Ergebnis einer türkischen Umfrage des türkischen Meinungsforschungsinstituts Gezici bekannt, demnach lehnen die Türken mehrheitlich das von Staatspräsident und Möchtegernsultan Erdogan angestrebte Präsidialsystem, sprich Präsidentendiktatur ab, 58 Prozent der Befragten gaben an, gegen das Erdogan-System stimmen zu wollen. Der Herr Staatspräsident will voraussichtlich im April die türkische Wählerschaft darüber abstimmen lassen, ob er Präsident und Regierungschef in einem sein soll und Gesetze im Verordnungsweg erlassen kann.  Auch 20 % der AKP-Wähler wollen dagegen stimmen, bei den Oppositionsparteien ist der Prozentsatz natürlich deutlich höher, bei den Kemalisten sind es 93%.

Recep Tayyip Erdogan war ja in den letzten Tagen zusätzlich auffällig geworden, er will Mustafa Kemal Atatürk, den Gründer der türkischen Republik, im Hintergrund verschwinden lassen, denn dieser hatte in den 1920er- und 30-Jahren der Türkei eine nach europäischen Maßstäben geformte Verfassung gebracht, die Islamreligion unter staatliche Verwaltung gestellt und sich bemüht, die Türkei zu säkularisieren, etwa durch gleiche Rechte für Frauen und auch durch das strikte Verbot islamischer Kleidungsstücke wie Fez und Kopftuch.

1929 sagte Kemal in einem Interview zum Thema Religion: "Sie wundern sich, dass die Moscheen sich so schnell leeren, obwohl sie niemand schließt? Der Türke war von Hause aus kein Muslim, die Hirten kennen nur die Sonne, Wolken und Sterne; das verstehen die Bauern auf der ganzen Erde gleich, denn die Ernte hängt vom Wetter ab. Der Türke verehrt nichts als die Natur. Ich lasse jetzt auch den Koran zum ersten Mal auf Türkisch erscheinen, ferner ein Leben Muhammads übersetzen. Das Volk soll wissen, dass überall ziemlich das Gleiche steht und dass es den Pfaffen nur darauf ankommt, zu essen."

Leider haben wieder einmal weltfremde Politiker in Europa große Böcke geschossen, indem sie in den Neunzigerjahren begannen, die bisher als "türkische Gastarbeiter" titulierten Einwanderer, ein wesentliches gemeinsames Merkmal zuzuweisen: die Türken wurden als eine Muslimgemeinschaft gesehen, damit wurde eine überpolitische Türkeneinheit hergestellt, man förderte die Wiederkehr einer eher im Schwinden begriffenen Religiosität und dadurch auch die Ausformung von Parallelgesellschaften.

Inzwischen ist es in unseren Breiten unter den wirklichkeitsblinden Gutmenschen schon zur Selbstverständlichkeit geworden, mit heiliger Inbrunst für die Förderung  bekopftuchter Musliminnen zu kämpfen, selbst das Verlangen nach einem religionsfreien öffentlichen Dienst gilt unter diesem Narrenvolk inzwischen schon als Menschenrechtsverletzung.

Dass Sultan Erdogan zurück ins Mittelalter will, zeigte auch seine jüngste Schulreform:
Die Evolutionslehre wird in der Türkei verboten, weil das ganze Pflanzen- und Viehzeug wurde schließlich von Allah erschaffen und Darwin ist ein teuflischer Gavur (das türkische Wort "gavur" bedeutet Ungläubiger, ungläubig und außerdem: "trotzig, stur, unbarmherzig", soviel Toleranz muss sein!).

Man kann nun wohl gespannt sein, wie der Wahlkampf ums Erdogan-Sultanat vor sich gehen wird. Wer darf - außer Erdogan & AKP - am Wahlkampf zur Abstimmung teilnehmen? Wer darf wählen? Wer zählt die Stimmen? Und wieviel Prozent werden dafür sein, auch wenn eine Mehrheit dagegen ist? Erdogan, Erdoganer, am Erdogansten...


Blick in die Zukunft: Sultan Recep Tayyip der Erste in Amtstracht mit Fez am Kopf

In Europa sollten die o.a. weltfremd lebenden Wichtigtuer in ihre Schranken gewiesen werden: zumindest raus mit dem Kopftuch aus dem öffentlichen Dienst, in Schulen, Ämtern, Krankenhäusern hat es keinen Aufmarsch von Kopftuchbrigaden zu geben, das sind wir dem aufgeklärten Europa schuldig! Kein Zurück in den öffentlichen Religionswahn! Dazu Alice Schwarzer: "Das Kopftuch ist seit dem Sieg Khomeinis im Iran 1979 weltweit die Flagge der Islamisten." Ziehen wir diese Fahne ein, wenigstens im öffentlichen Dienst der Republik Österreich!