Extremistische Einstellungen bei Jugendlichen

Dr. Roman Schweidlenka - LOGO ESO.INFO - http://www.logo.at/- berichtete am 1. März 2017 über seine Erfahrungen in der Steiermark zu diesem Bereich

Folgende kurz skizzierte Aussagen basieren nicht auf einer statistischen wissenschaftlichen Untersuchung sondern auf der zeitgeschichtlichen Methode der teilnehmenden Beobachtung.

Ohne Zweifel finden wir seit Jahren bei steirischen Jugendlichen einen beachtlichen Hang zu rechten, aber auch, quantitativ geringer, zu rechtsextremen Einstellungen, die meist als nicht reflektierte Meinungen geäußert werden. Viele dieser „Ansagen“ sind Mainstream geworden. In etlichen Fällen artikulieren sich diese Haltungen als „Verständnis“ für rechtsextreme Gruppen, Parteien und Trends, so z.B. für Pegida. Oder es werden rassistisch geprägte, abwertende Meinungen über andere Kulturen, Ausländer_innen, Asylanten_innen verbreitet, die zwar teilweise einen nachvollziehbaren Background haben, durch ihre generell fremdenfeindliche Ausrichtung aber problematisch sind. (Der österreichische Homo Sapiens, so auch seine steirische Variante, ist generell nicht unbedingt weltoffen und Liebhaber des Fremden, Anderen. Ausnahmen bestätigen die Regel.) Primäres Feindbild ist der Islam, bezüglich dessen Ausbreitung und „Übernahme“ unseres Landes deutliche Ängste bestehen. Diese Einstellungen habe ich in der Tendenz häufiger bei in ländlichen Regionen beheimateten jungen Menschen entdeckt, in Graz ist die „liberale“, eher fremdenfreundliche Jugendfraktion deutlich stärker ausgeprägt.

Soweit ich es erkennen konnte, sind diese rechten Einstellungen untrennbar mit Ängsten verbunden, wie z.B. Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und der eigenen tradierten kulturellen Bräuche. Dazu, meist unbewusst, gesellt sich die Erfahrung, dass Gehälter und Löhne spürbar mit der Teuerung nicht Schritt halten, soziale Leistungen, Garanten unserer Demokratie, permanent, und meist stillschweigend, abgebaut werden. So entwickelt sich ein Bedrohungsszenario: „Die“ nehmen uns zu viel weg. Die hohen Kosten der Asylantensituation zu verschweigen ist kontraproduktiv. Jede Form der Tabuisierung fördert weltverschwörungstheoretische Tendenzen, die oft antisemitische Wurzeln haben. Die feigen Versuche, reale Problemfelder betreffend die Konfliktsituationen zwischen Ethnien, zwischen „Alteingessenen“ und zugezogenen Migrant_innen etc. zu vertuschen - Konflikte, die Jugendliche live erleben - haben das Vertrauen in unser politisches System bedauerlicherweise untergraben.

Bleibt die Feststellung, dass durch moslemische Jugendliche, mit denen ich wenig zu tun habe (mein Gebiet sind die steirischen „Alteingessenen“), der Antisemitismus deutlich angestiegen ist, was eine ideologische inhaltliche Verbindungslinie zu Neonazis darstellt. Zur Warnung: In Malmö, der multikulturellsten Stadt Europas mit hohem und weiter steigendem Moslemanteil, können jüdische Kinder nur mehr in schwer bewachte jüdische Kindergärten gehen, viele Juden verlassen gegenwärtig aus Angst die Stadt.

Konkrete umfassende, präventive Aktionen, um den Extremismus einzudämmen und zu befrieden wären, wie ich stets betonte, spätestens im Jahre 2000 angesagt gewesen. Inzwischen stehen wir einer höchst komplexen, nur mehr schwer zu erkennenden gesellschaftlichen Situation gegenüber.

Halten wir fest: In unserem Land lebt nun eine große Anzahl an Ethnien und Kulturen, die vielfach miteinander verfeindet sich, die auch untereinander wegen verschiedener religiöser und politischer Überzeugungen zerstritten sind. Die Verhaftung vieler dieser Menschen in schwer patriarchalen, ehrenkultischen Großfamilienformen erleichtert die Situation nicht. Der Durchblick fehlt hier in der offenen Jugendarbeit, bei freiwilligen Flüchtlingshelferinnen etc.. Keine einfache Strategie wird mit dieser komplexen, vielschichtigen, multidimensionalen Situation sinnvoll umgehen können. Weit verbreitet ist bei vertraulichen Gesprächen mit Personen der offenen Jugendarbeit und Jugendverantwortlichen die etwas resignative Meinung, dass wir diesen Problemfeldern nicht mehr gewachsen sind. Ich hoffe, diese Personen, deren Arbeit ich schätze, irren sich in diesem Punkt.

Uns stehen keine leichten Zeiten bevor.