Brexit offenbart EU-Skandal

Publiziert am 20. März 2017 von Wilfried Müller auf www.wissenbloggt.de

Die Rede von 60 Mrd. Euros macht inoffiziell die Runde, die Großbritannien als Rechnung für den EU-Austritt zahlen muss. Das wird diskutiert in dem Artikel The €60 billion Brexit bill: How to disentangle Britain from the EU budget (Centre for European Reform 6.2.). Es gibt ein ausführliches pdf von dem Thinktank, The €60 billion Brexit bill – How to disentangle Britain from the EU budget.

Der Autor Alex Barker (Journalist bei der Financial Times) stellt dort verschiedene Alternativen vor, die Großbritannien zwischen 24,5 Mrd. und 57,4 Mrd, kosten:


Das eigentlich interessante sind aber andere Zahlen, nämlich wie sich die Kosten zusammensetzen. Es sind Pensionsverpflichtungen für mehr als 45.000 EU-Beamten, "offene Zahlungsermächtigungen", Fonds für regionale Entwicklung, Sozialfonds, Kohäsionsfonds, Fonds für ländliche Entwicklung / Fischerei, das Copernicus-Programm, grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte, der Juncker-Investitionsfonds, Fonds für Entwicklungshilfe und Migration, dazu Kredite und Kreditgarantien (das ergibt 69,1 Mrd.), abzüglich EU-Vermögen und Rückflüsse (dann bleiben 57,4 Mrd.).

All diese Positionen zusammen ergeben annähernd 60 Mrd. Euros – aber das ist nur der britische Anteil (wenn der Anteil von GB an der EU mit 12% veranschlagt wird). Für die EU-Staaten insgesamt ergeben sich
559,7 Mrd. – 22,5 – 9,0 = 528,2 Mrd. Euros

Mit anderen Worten, jetzt kommt raus, dass die EU nicht nur ihren offiziellen Etat von 142 Mrd. pro Jahr ausgegeben hat (Wert 2017), sondern mehr als 500 Mrd. Verbindlichkeiten zusätzlich angehäuft hat. Die Briten sollen ihren Anteil sofort zahlen, die anderen EU-Staaten können sich noch Zeit lassen.

Dabei hat man dem Volk versichert, dass die EU weder Steuern erheben darf noch Schulden machen darf.

Das Versprechen wurde gebrochen, ohne das Volk zu fragen oder es überhaupt zu informieren. Man lernt dabei ein neues Wort für Schuldenmachen: Verpflichtungsermächtigung.

Bei wissenbloggt wurde die Schuldenmacherei in einem aktuellen  Artikel gewürdigt, Weltweite Schuldenorgien, wo die Verhältnisse für die Welt, die Eurozone und Deutschland separat angesprochen wurden. Die Europäische Union fehlte bei der Schuldenmacherliste – zu Unrecht. "Verpflichtungsermächtigungen" ist ein Wort, das kaum jemand kennen dürfte, und das bei Sven Giegold, unserem EU-Finanz-Informanten, nicht vorkommt. Es betrifft aber alle.

Die Mehrheit der Europäer war mit der EU als Wirtschaftsraum und Wohlstandbringer für alle zufrieden. Bis die EU diese Ziele aus den Augen verlor und die Integration zum Selbstzweck oder gar zum Dogma erhob. Die Grenzöffnungen nach Osten gingen vielen zu schnell. Die europäische Antwort auf die totale deutsche Flüchtlingsmobilmachung durch totale Grenzöffnung war dann ein allgemeines Nein.

Dabei hob sich die EU-Politik immer von der überambitionierten Eurozonen-Politik ab, mit ihrer Euro-Ideologie, ihren Bankenrettungen, ihren Geldschwemmen und ihrer politischen Willkür anstelle der ökonomischen Gesetze. Die Vorstellung von der solideren EU kriegt jetzt aber einen Dämpfer, wo die EU-Schuldenmacherei rauskommt, per Selbstermächtigung an der demokratischen Legitimation vorbei.

Mag sein, dass der "Ausnahmetatbestand" der "Verpflichtungsermächtigungen" mal irgendwo parlamentarisch beschlossen wurde. Aber wenn das bei der EU-Wahl zur Abstimmung gestanden hätte, wäre dagegen gestimmt worden. Es ist eine weitere Machtergreifung der EU-Politik. Dafür will doch niemand zahlen.

Manch einer wird die Briten beglückwünschen, dass sie weiteren "Verpflichtungsermächtigungen" entkommen sind.