Brot und Spiele

Publiziert am 25. April 2017 von Günter Dedié auf www.wissenbloggt.de

… oder panem et circenses, wie es schon im alten Rom hieß und schon damals von staatstragender Bedeutung war. Aber weder damals noch heute lebt der Mensch vom Brot allein. Bei uns gehört gegenwärtig zum Brot auch das Auto usw., und die Spiele finden überwiegend auf einem Bildschirm statt. Bei den Römern war das Regieren noch nicht so einfach wie heute, denn es gab noch nicht so gute Möglichkeiten zur nachhaltigen Beeinflussung der Bürger wie heutzutage die unauffällige aber wirksame Propaganda per TV und Qualitätsmedien.

Zwischen den Medien und ihren Konsumenten hat es außerdem in den letzten Jahrzehnten eine Art Ko-Evolution gegeben: Ihr Angebot, fast ausschließlich optimiert im Hinblick auf Auflage bzw. Einschaltquote, und das Konsumverhalten der Bürger hat sich gegenseitig in einer rückgekoppelten "Spirale abwärts" zu einem immer trivialeren und einseitigerem Niveau verstärkt. Dies wird zunehmend bestimmt durch Sensationen, professionalisierten Sport (das moderne Opium für das Volk nach Terry Eagleton), Neugier auf Prominente, kommerzielle Werbung u.ä. Die letzten Freiräume zum Nachdenken und zur Besinnung des Einzelnen werden durch die ständige  Benutzung von Smart Phones u.ä. "zugemüllt".  Die meisten Menschen lassen sich inzwischen rund um die Uhr davon abhalten, selbst zu denken.

In dieser Wüste der schwindenden Individualität haben die ideologischen Botschaften der etablierten Parteien leichtes Spiel, die Menschen durch geschickte, wenig auffällige Desinformation und Propaganda in ihrem Sinne zu beeinflussen und zu lenken. Durch die Medien wird eine Rückkopplung zwischen der angemaßten politisch korrekten Ideologie der Herrschenden und der Meinungsbildung ihrer Untertanen aufgebaut und, wie bei jeder Rückkopplung, nachhaltig stabilisiert. Eine tragende Rolle spielen dabei das überwiegend von den regierenden Parteien dirigierte und von den Bürgern zwangsfinanzierte ÖRR-Fernsehen und die von großen Medienkonzernen beherrschte Presse. Solange sich der gewohnte Wohlstand der Bürger nicht spürbar verschlechtert, können die Regierenden deshalb inzwischen machen, was sie wollen.

Sie werden vielleicht fragen, ob ein stabiler Zustand nicht etwas Positives und Gutes ist? Die Antwort ist abhängig von der Art der Gesellschaftsordnung, die dadurch stabilisiert wird. Im Westen sind das gegenwärtig der neoliberale Fundamentalismus und die repräsentative Demokratie. Letztere ist gekennzeichnet durch die Herrschaft der Kaste der regierenden Parteien. Der Wohlstand kann dabei seit der Euro-Einführung und den Bankenkrisen nur noch mühsam mit einer immensen, ständig wachsenden Staatsverschuldung erhalten werden, die zu einer enormen "Krötenwanderung" von unten nach oben geführt hat.. Die Schulden sind und bleiben aber die Schulden der Bürger. Sie sind derart riesig, dass sie nur noch durch irgendeinen Crash aus der Welt geschafft werden können; nach Thomas Piketty etwas zwischen galoppierender Inflation, Währungsreform (oder eine andere Form der Zwangsenteignung) oder … Krieg.

Je weiter sich Ideologie und Propaganda der Regierenden von der Realität entfernen, umso mehr sind Maßnahmen nötig wie die Verteufelung jeglicher Opposition, die Unterdrückung der Meinungsfreiheit usw. Eine unabhängige Meinungsbildung und Berichterstattung durch soziale Netzwerke und andere Medien im Internet wird deshalb inzwischen mit Strafen bedroht. Populistisch begründet mit dem Schlagwort Hassparolen usw., wobei aber die Regierung im Einzelfall bestimmt, was das ist. Die Freiheit der Desinformation der regierungsamtlichen Propagandamedien bleibt dabei natürlich unangetastet.

Die Entwicklung einer Diktatur der etablierten Parteien ist schon weit fortgeschritten. Vorbei und vergessen ist das Ideal von den Medien als Vierte Gewalt in der Demokratie (z.B. Jürgen Habermas). Entscheidend wichtig dafür wäre nämlich eine fundierte kritische Haltung und Berichterstattung gegenüber den anderen Gewalten statt – wie gegenwärtig – der Rolle des Propaganda-Sprachrohrs. Selbst der investigative Journalismus ist inzwischen schon fast etwas Anrüchiges an der Grenze zum Geheimnisverrat.