Luther zum 5. – Martin Luther King-Kong

Publiziert am 25. Mai 2017 von Wilfried Müller auf www.wissenbloggt.de

Zum Kirchentag in Berlin und Wittenberg (24.-28.5.) luthert es wieder gewaltig. Nicht nur, weil die Kirche sich Evangelisch-Lutherisch nennt. "Der Reformator lebt", heißt es, und das Luther-Merchandising kennt kaum noch Grenzen. Luther auf den Socken, Luther als Playmobil. Dabei wäre das Ganze ncht nötig gewesen, wenn es vor 2000 Jahren Vaterschaftstests gegeben hätte, wie das wunderbare Bild uns sagt … Zeit für ein paar kritische Anmerkungen.

Erst einmal fällt auf, dass es offenbar keine Einigkeit über die zugrundeliegenden Thesen gibt. Eine einzige autorisierte Version, womöglich mit Signatur, das wäre zuviel erwartet. Aber wenn man reinschaut, steht es je nach Quelle schon etwas anders da, Beispiele:
95 Thesen Version EKD (modernisiert und interpretiert)
95 Thesen Version wiki (etwas anders interpretiert)
95 Thesen Version luther.de (1. dazu und 93.+94.)
95 Thesen Version atheisten-info.at (gleich, aber Nummern anders)

Wertung der 95 Thesen

Was man da liest, das ist pervers, krank und menschenfeindlich. Luther lebte am Ende des Mittelalters, das zeigt sich in seiner pfuiteuflisch perversen Religionsauffassung ("94. Man soll die Christen ermutigen, daß sie ihrem Haupt Christus durch Strafen, Tod und Hölle nachzufolgen trachten").

In seinen Thesen regen sich allerdings gewisse Anzeichen von Humanität, denn er kritisiert die "Erpressungsmethoden" (50.) beim damaligen fund raising, und er möchte lieber Nächstenhilfe statt Ablass (bzw. Selbsthilfe statt den Armen alles abzuknöpfen, 43.). So ein bisschen scheint er doch an einen "Schatz der Kirche" (56.) zu glauben, aus welchem Ablass erteilt werden könnte, er stellt aber das Evangelium darüber (dafür sollte 100 mal mehr Bimbam gemacht werden, 55.).

Aber was für ein sadistisches Evangelium ist das, das den Gläubigen nicht bloß einem "Herrn" unterwirft, sondern Buße predigt: "Haß gegen sich selbst" das sei die "wahre Herzensbuße" (4.)? Über lange Passagen geht es um die Ausgestaltung der Buße und um die Ausgestaltung des Fegefeuers. Luther bekämpft den Schmarrn, "dass die Seele (aus dem Fegefeuer) emporfliege, sobald das Geld im Kasten klingt" (27.) – aber den ganzen anderen perversen Humbug hält er für wahr ("40. Aufrichtige Reue begehrt und liebt die Strafe. Die Fülle der Ablässe aber macht gleichgültig und lehrt sie hassen …"). Es geht ihm darum, den Papst als Agendasetzer zu entmachten und seine eigene Form der Gottesperversion durchzudrücken.

Im wesentlichen ist die Version Luther eher noch menschenfeindlicher, weil sie die schöde Abzocke durch Psychoterror ersetzt: Keiner soll Gewissheit erlangen (30.), jedermann soll ehrlich leiden (3.), und das Fegefeuer quasi schon im Diesseits genießen. Also, der Ablass hilft immer, sagt der Papst – nein, er hilft nur ein bisschen, sagt Luther, und ansonsten ergeht er sich in Theodizee, d.h. er rechtet mit Problemen, die seine menschenverachtende Religion künstlich erzeugt.

Fazit: Die 95 Thesen sind ein Dokument des mittelalterlichen Schreckens und der masochistisch-religiösen Idiotie und mitnichten etwas Feierwürdiges.

Luther ist nicht menschlicher als King-Kong und verdient daher allemal den Ehrentitel Martin Luther King-Kong

Das hat sich verschiedentlich auskristallisiert und kritische Kommentare hervorgerufen. Mit der Wahrheit der behaupteten Luther-Legenden ist es auch nicht weit her, eine Blütenlese:

Luther für Besserwisser (ZEIT ONLINE 16.1.): Wir entzaubern vier Legenden:
Hat Luther am 31.10.1517 wirklich seine 95 Thesen an das Portal der Wittenberger Schlosskirche genagelt? Die meisten Historiker sagen: Nein, jedenfalls nicht so.
Ist das Zitat "Hier stehe ich, ich kann nicht anders" echt? Für die Echtheit dieses Zitats gibt es keinen Nachweis.
Sich sich der Reformator und sein Beschützer Friedrich der Weise persönlich begegnet? Wohl kaum, das ist von Hollywood erdichtet.
Ist der berühmte Tintenfleck an der Wand der Wartburg entstanden, als Luther Besuch vom Teufel hatte und Luther das Tintenfass nach dem Beelzebub schmiss? Nein, aber Luther hat sich den Teufel als real eingebildet.

Richard David Precht: "Luther war ein widerlicher Geselle" (Abendzeitung 28.12.15): Ein widerlicher Geselle, ein Verbrecher an der Menschheit. Den haben wir noch nicht richtig aufgearbeitet. Wir gehen mit Luther um, als sei er ein „Heiliger“ der evangelischen Kirche. Er war laut Precht ein für die damalige Zeit untypisch aggressiver Antisemit, frauenverachtend bis ins Mark und vom Denken her völlig mittelalterlich – und Teufel war sein Lieblingswort.

Wir müssen den Mythos Luther abschaffen (atheisten-info.at 1.11.16): Mir fällt dazu ein, dass Luther beispielsweise mal sagte, die Vernunft sei des Teufels Hure. Folgerichtig ist er keineswegs als begnadeter Aufklärer zu ehren. Vielmehr stand er mit Vernunft und Aufklärung auf Kriegsfuß, wie auch weiteren Äußerungen zu entnehmen ist: über Frauen, Bauern, behinderte Kinder – erst recht über Juden.

Neuneinhalb Thesen gegen Martin Luther (N24 31.3.14):
1. Luther ist kein Aufklärer. Er ist ein religiöser Fundamentalist.
2. Im 16. Jahrhundert gibt es eine breite Bewegung für eine Reform der Kirche. Luther jedoch will keine Reformen, sondern eine „Reformation“: eine Neu-Formierung der Kirche gemäß seiner Lehre.
3. Luther hat die Frohe Botschaft in ihr Gegenteil verkehrt. Luther will ja die totale Unterwerfung des Menschen, das Leben als Buße.
4. Luther predigte einen eliminatorischen Antisemitismus.
5. Luther identifiziert den Kapitalismus mit dem Wucher und den Wucher mit dem Judentum.
6. Luther begründet die Autoritätshörigkeit des Protestantismus. Mit Demokratie hat Luther nichts am Hut: „Der Esel will Schläge haben, und der Pöbel will mit Gewalt regiert sein.
7. Luther hat den Hexenwahn und die Hexenverfolgung gefördert.
8. Luther sieht den Platz der Frau unter dem Mann – in jeder Hinsicht.
9. Luther ist nicht unser Zeitgenosse, sondern Prophet der Endzeit. Er will die Menschen angesichts des kommenden Weltenendes nicht befreien, sondern dem Willen Gottes unterwerfen.
10. nein 9,5. Ach und übrigens: Der Ablasshandel war eine gute Sache (Anmerkung wb: dem muss man nicht zustimmen, aber um so mehr dem Schlußsatz). Selbsthass statt Befreiung: Was für eine finstere Lehre!

Michael Schmidt-Salomon: Ein Hassprediger (Osnabrücker Zeitung 25.3.): Ich halte es sogar für sehr bedenklich, dass die öffentliche Hand die "Luther-Dekade“ mit über 250 Millionen Euro aus allgemeinen Steuergeldern finanziert. Zwar kann man Luther durchaus zugutehalten, dass er der katholischen Kirche die Stirn geboten und sich einige Verdienste um die deutsche Sprache erworben hat, jedoch war er zugleich einer der größten Hassprediger, den das Christentum hervorgebracht hat.

Ach Martin! (ZEIT ONLINE 23.3.): Die Evangelische Kirche fragt sich: Welchen Luther soll man feiern, und wie? Und was machen wir mit den wissenschaftlichen Spaßbremsen? … Na, jetzt wird es aber lustig, Herr Professor, alle Feste beruhen auf Schwindeleien, alles war ganz anders als es gefeiert wird, das müssten Sie doch am besten wissen, fragen Sie mal einen Kollegen von der Volks- und Völkerkunde oder aus der Patristik, der weist es ihnen selbst für Weihnachten nach.

Sonstige Links:
Unkritisches Huldigen eines streitbaren Deutschen…
Glaubens-Abfall
Luther zum 1. – Giga-Geld für den Gaga-Gott
Luther zum 2. – Relativiert Bundespräsident Gauck Luther’s Antijudaismus?
Luther zum 3. – Die „Therapie“ Luthers von Frank Sacco
Luther zum 4. – Reli-Unterricht oder nicht?