Evangelische Glaubensgrundlagen sind bedroht

Darüber sprach am 11.7.2017 der Vorsitzende des "Netzwerks Bibel und Bekenntnis", Pfarrer Ulrich Parzany in einem Interview mit der evangelikalen Nachrichtenagentur idea. Dazu der idea-Bericht plus atheistische Anmerkungen:

Idea: In der evangelischen Kirche sind die Grundlagen des Glaubens bedroht. Die vier Prinzipien der Reformation - allein Christus, allein die Gnade, allein der Glaube und allein die Heilige Schrift - werden systematisch demontiert. Diese Ansicht vertritt der Vorsitzende des "Netzwerks Bibel und Bekenntnis", Pfarrer Ulrich Parzany (Kassel), in einem Interview mit der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. Parzany war Hauptredner der Evangelisation proChrist sowie CVJM-Generalsekretär. Ihm zufolge ist die Bibel in der evangelischen Volkskirche nicht mehr verbindlicher Maßstab für Lehre und Glauben. Zwar lege jeder Pfarrer ein Ordinationsgelübde auf Bibel und Bekenntnis ab, die Praxis sehe aber anders aus. Die Krise der Kirche sei eine Krise der Verkündigung, weil das Vertrauen in die Autorität der Bibel verschwunden sei.

Atheistische Anmerkung: Die evangelische Volkskirche gibt's nimmer. Zwar hat in Deutschland die evangelische Kirche immer noch über 22 Millionen Mitglieder, seit 1990 sind es aber um über sieben Millionen weniger geworden und aktuell treten jährlich weitere 150.000 bis 200.000 aus, der Besuch der Sonntagsmesse liegt bei vier Prozent. Was will der Herr Parzany machen gegen die verschwundene Autorität der Bibel?

Idea:
Auswirkung der historisch-kritischen Bibelauslegung ist "verheerend" - Die historisch-kritische Bibelauslegung beherrsche seit langem die Theologischen Fakultäten und habe auch an freikirchlichen Ausbildungsstätten Einfluss gewonnen. Dies wirke sich auf die Verkündigung in den Gemeinden verheerend aus. Parzany: "Im Grunde ist ‚Jesus Christus‘ eine Leerformel geworden, die jeder nach seinen Vorstellungen füllt." Viele Pfarrer sagten, es komme nicht darauf an, ob Jesus tatsächlich von der Jungfrau Maria geboren worden sei, ob er Wunder getan habe und ob er vom Tod leiblich auferstanden ist. In vielen Kirchen werde nur noch Religion betrieben, ohne mit der Wirklichkeit der Auferstehung Jesu zu rechnen.

Atheistische Anmerkung: Ja, die historisch-kritische Bibelauslegung war auch ein Verdienst der Protestanten, einem Evangelikalen ist das natürlich ein Gräuel, aber glaubt er im Ernst, eine unhistorisch-unkritische Bibelauslegung würde dagegen helfen? Diese gibt's bei den Katholiken, dort ist die Lage deswegen etwas besser, weil die katholische Kirche keine unverbindlichen Beliebigkeiten fördert, aber so groß ist der Unterschied auch nicht, das Wesen der Religionen (abgesehen vom Islam - dort herrscht ja weitgehend noch religionsstützende Bildungslosigkeit) an sich ist es: die Glaubensgrundlagen vertreiben die Gläubigen, weil die sind nicht sehr viel glaubwürdiger als Kleinkinderglaube an den Osterhasen.

Idea: Parzany kritisiert "Ehe für alle" und Präses Michael Diener - Parzany äußerte sich auch zum Kurs der Deutschen Evangelischen Allianz. Sie solle sich bei Streitfragen nicht nur hinter verschlossenen Türen äußern, sondern die öffentliche Auseinandersetzung suchen. Parzany: "Wir können den Gemeinden nur dadurch Orientierung geben, dass wir öffentlich Meinungsverschiedenheiten zum Ausdruck bringen. Wir müssen sagen, was nach Gottes Maßstäben gilt - und wir müssen zu Fehlentwicklungen ebenso klar Nein sagen." Parzany bekräftigte seine Kritik am früheren Allianz-Vorsitzenden Michael Diener (Kassel). Er ist Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes (Vereinigung Landeskirchlicher Gemeinschaften) und Mitglied der Leitung der EKD - dem Rat. Das Leitungsgremium hatte kürzlich eine Stellungnahme verabschiedet, in der die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften begrüßt wird. Diener äußerte sich öffentlich nicht, ob er den Beschluss mitträgt. Dazu Parzany: "Ich halte dieses Votum für einen Skandal, der nicht unwidersprochen hingenommen werden darf." Eine Kirche, die einer solchen Entscheidung zustimme, werde "zum Speichellecker der Gesellschaft".

Atheistische Anmerkung: Ja, so einfach ist das nicht! Die Volksmassen orientieren sich längst nimmer an irgendwelchen göttlichen Maßstäben! Recht hat Parzany allerdings mit dem Hinweis auf die protestantischen Anpassungsfähigkeiten ("Speichellecker der Gesellschaft"), das fördert die sich ausbreitende Areligiosität natürlich, weil wenn frühere Positionen unwichtig werden und das allgemein übliche Verhalten im Säkularismus kirchliche Akzeptanz findet, dann sinkt logischerweise das religiöse Interesse noch schneller! Die Katholiken brauchen zu allem immer etwas länger!
Wobei jetzt diesbezüglich eine bemerkenswerte Entwicklung aufgetreten ist, das die längste Zeit schwerstkatholische Malta zeigte dieser Tage die Beschleunigung des Aufholprozesses: Erst 2010 wurde dort die Einführung der staatlichen Ehescheidung in Angriff genommen, im Mai 2011 sprachen sich bei einer Volksabstimmung 53 % der Einwohner des nach dem katholischen Malteserorden benannten Landes für die Ehescheidung aus, sie wurde eingeführt und am 12.7.2017 hat jetzt das Parlament Maltas die Einführung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare beschlossen. Dagegen stimmte nur ein einziger Abgeordneter der oppositionellen Nationalisten.

Und als Schluss einige Zitate aus der "Frankfurter Allgemeinen" vom 11.7.: "Luther ist die Pleite des Jahres - Das Jubiläum der Reformation sollte ein einziger großer Erfolg werden. Doch die Zwischenbilanz ist ernüchternd, denn die Kundschaft bleibt aus. (..)Vielfach sind die Besucherzahlen hinter den Erwartungen zurückgeblieben, teils sogar drastisch. Die Zwischenbilanz fällt jetzt, in der Mitte des Jubiläumsjahrs, ernüchternd aus. Weltausstellung in Wittenberg, Kirchentag in Berlin, 'Kirchentage auf dem Weg', Abschlussgottesdienst - überall lagen die Zahlen niedriger als vorausgesagt. (..) Mancherorts setzt schon eine Debatte ein, wer für die Finanzlöcher am Ende aufkommen muss, die den Veranstaltern nun durch entgangene Einnahmen drohen. (..)"

Der Säkularismus ist unter normalen Verhältnissen unumkehrbar, dagegen können weder liberale noch fundamentalistische Kirchenvertreter was ausrichten, egal was sie dazu als Ursache sehen oder für richtig oder falsch halten.

Dem Säkularismus könnte nur schaden, wenn was passiert, mit dem Menschen nicht fertigwerden (können), etwa große Naturkatastrophen: wenn man sozusagen keine Hoffnung mehr hat und darum wieder eine höhere Macht um Hilfe anfleht. Früher haben Menschen das schon gemacht, wenn Kindern Masern hatten, heute braucht man dazu weitaus elementarere Tragödien. In Zeiten des Klimawandels und des weltweiten Terrors sind solche nicht gänzlich auszuschließen. Aber auch dann wird kein Jesus als Helfer vom Himmel steigen, weder der evangelikale, noch der katholische...