Die kirchliche Bestätigung der Ernennung eines neuen Diözesanbischofs für die römisch-katholische Diözese Innsbruck steht offenbar kurz bevor. Der neue Bischof der Diözese Innsbruck wird sein Amt in einem bemerkenswerten landesverfassungsrechtlichen Umfeld antreten können.
Es mag sein, dass ich als Nicht-Tiroler das vielleicht mit einer
gewissen Unbefangenheit wahrnehme (und als Atheist vielleicht
gleichzeitig doch auch mit einer gewissen Befangenheit), aber mir fällt
auf, dass in der bis heute unveränderten Präambel/Promulgationsklausel
der auch heute aktuellen Tiroler Landesordnung 1989
(Landesverfassungsgesetz vom 21. September 1988 über die Verfassung des
Landes Tirol, Tiroler LGBl. Nr. 61/1988 zuletzt geändert durch das
Tiroler LGBl. Nr. 53/2017) unzweifelhaft der folgende deutliche
Gottesbezug zu lesen ist:
Der Landtag hat […] im Bewusstsein, dass die Treue zu
Gott und zum geschichtlichen Erbe, die geistige und kulturelle Einheit
des ganzen Landes, die Freiheit und Würde des Menschen, die geordnete
Familie als Grundzelle von Volk und Staat die geistigen, politischen und
sozialen Grundlagen des Landes Tirol sind, die zu wahren und zu
schützen oberste Verpflichtung der Gesetzgebung und der Verwaltung des
Landes Tirol sein muss, beschlossen: […]
Die Tiroler Landesverfassung enthält also in ihrer Präambel/Promulgationsklausel einen Gottesbezug, und zwar einen Gottesbezug in der Form einer Erwähnung Gottes (nominatio dei), nämlich durch die Worte „die Treue zu Gott“, die hier ausdrücklich als Verpflichtung vor Augen gestellt wird.
Die Formulierung „die Treue zu Gott“ ist, so will es mir scheinen, zunehmend nicht mehr völlig selbsterklärend und daher auch, wenn man sie wirklich ernst nimmt, zunehmend interpretationsbedürftig. Vernünftigerweise wird man wohl davon ausgehen können, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Tiroler Landtag, der hier in seiner Eigenschaft als demokratisch gewählter Landesverfassungsgesetzgeber agiert hat, an dieser Stelle mit „Gott“ ganz besonders – etwas verkürzt formuliert – der christliche Gott gemeint war. Das wirft allerdings angesichts der religiösen und weltanschaulichen Vielfalt, die es ja nicht nur anderswo, sondern zunehmend auch in Tirol gibt, Fragen auf. Ich möchte hier nur als Beispiele ein paar dieser Fragen zur Sprache bringen. Dürfen alle Menschen, die in Tirol leben, ihren jeweils eigenen Gott – sofern sie einen haben – in diesem in der Präambel/Promulgationsklausel erwähnten „Gott“ (mit-) gemeint sehen, und wenn ja, was bedeutet das für die geistige und kulturelle Einheit und die geistigen Grundlagen des Landes Tirol, die zu wahren und zu schützen oberste Verpflichtung der Verwaltung des Landes Tirol sein müsse? Auf einer narrativen Ebene etwa der Geschichten, Erzählungen und Theologien hat die religiöse Vielfalt der Götter wohl durchaus auch etwas mit erkennbar unterschiedlichen Verhaltensprofilen der einzelnen Götter zu tun, mit einer gewissen Vielfalt an göttlichen Vorstellungen etwa von guter Ordnung und selbstverständlichen menschlichen Pflichten und mit unter Umständen sehr detaillierten göttlichen Anweisungen und grundlegenden Monopol- und Absolutheitsansprüchen.
Wie sollen diesbezüglich auch ganz besonders die nicht-christlichen und speziell natürlich auch die atheistischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung des Landes Tirol mit ihrer aus der Sicht des Tiroler Landtages bestehenden Verpflichtung, neben anderen Grundlagen des Landes Tirol auch die Treue zu Gott zu wahren und zu schützen, in angemessener Weise, ohne dabei die eigenen Vorstellungen und Wünsche im Rahmen der eigenen Freiheiten und Rechte völlig außer Acht zu lassen, umgehen? Und wie könnten in dieser Perspektive die unterstützenden Hilfestellungen und Beiträge zu einem guten Zusammenleben in einer religiös und weltanschaulich vielfältigen Gesellschaft, die ein Diözesanbischof der römisch-katholischen Diözese Innsbruck hier aus dem eigenen römisch-katholischen Selbstverständnis heraus anbieten könnte, aussehen und umgesetzt werden?
Ein Teil dieser Fragen richtet sich sinnvollerweise an den Tiroler Landesverfassungsgesetzgeber, ein Teil aber sinnvollerweise auch an die Katholische Kirche in Tirol und ihre vielen Mitglieder, die weiterhin eindeutig eine religiöse Mehrheit in Tirol darstellen. Das alles ist wohl ein Teil des Tiroler Hintergrundes, vor dem der neue Bischof sein verantwortungsvolles Amt als Bischof der Diözese Innsbruck antreten können wird.