Kein Pessimismus, aber Gott ist nimmer gefragt

idea.de am 7.11.2017: "Gegen eine pessimistische Beschreibung der kirchlichen Lage hat sich der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (München), gewandt. 'Wer durch Schlagzeilen und Kommentare den Eindruck erweckt, dass wir Christen kurz vor dem Aussterben sind, liegt völlig falsch' (..). Fast 46 Millionen gehörten in Deutschland den beiden Volkskirchen an - also die Mehrheit der Bevölkerung. Anstatt kulturpessimistisch den Niedergang zu beklagen, sei es an der Zeit, sich darüber zu freuen, 'dass all diese Menschen bewusst Mitglied der Kirche sind'. (..)"

Am 8.11.2017 dazu kontrovers passend auf der evangelikalen Site pro-medienmagazin.de: "Die ARD nennt ihre Reportage-Reihe 'Gott und die Welt' in 'Echtes Leben' um. Ab dem 3. Dezember läuft das Format, das der Sender sonntags um 17.30 Uhr zeigt, unter dem neuen Titel. 'Gott und die Welt' wurde erstmals am 27. Januar 1984 ausgestrahlt und gehört zu der ARD-Koordination Kirchliche Sendungen.
Der Redaktionsleiter Religion und Orientierung beim Bayerischen Rundfunk, Wolfgang Küpper, erklärt im Gespräch mit pro, dass die Diskussion zu dem Namen über mehrere Jahre lief. Es gebe ein 'Nord-Süd-Gefälle'. Kollegen aus dem Norden und Osten betonten wiederholt, dass der 'Begriff Gott werberisch wenig attraktiv' sei. Dies habe auch die Werbeforschung bestätigt. Deswegen wollten die Macher der Sendung eine 'neue Verpackung schaffen', die auch Menschen anspreche, die beim Thema Religion weniger interessiert oder gar abgeneigt seien. Der neue Titel 'Echtes Leben' 'wirkt vielleicht unverbindlich', aber er solle eine 'Offenheit darstellen'."

Soweit diese beiden gegenteilig wirkenden Meldungen. Das mit der "bewussten Mitgliedschaft" hat in Österreich schon 2011 Kardinal Schönborn verkündet. Nach den 87.393 Austritten im Jahre 2010 wegen der aufgeflogenen Kinderschändungen meinte er, die damals nicht ausgetreten sind, wären "Entscheidungschristen", die sich bewusst für die katholische Kirche entschieden hätten. Seither sind bis Jahresende 2016 weitere 332.394 ausgetreten, die "Entscheidungschristen" werden also jährlich im Schnitt um ca. 55.000 weniger. Und in Deutschland ist das im Prinzip auch nicht anders.

1970 sind in der damaligen Bundesrepublik noch 92,3 % der Bevölkerung katholisch (44,6) oder evangelisch (47,7) und nur 3,9 % konfessionsfrei gewesen. Der Mitgliederbestand belief sich bei der Eingemeindung der DDR 1990 auf 36,9 % Protestanten und 35,4 % Katholiken, in Summe 72,3 %, die Konfessionsfreien stiegen durch die hohe Zahl der religionslosen DDR-Bürger auf 22,4 %.

Nunmehr waren laut Wikipedia im Jahre 2016 nur noch 26,5 % der Bevölkerung evangelisch und 28,5 % katholisch, aber die Zahl der Konfessionslosen (die statistisch nirgends erfasst werden) wird auf 28 bis 30 Millionen geschätzt, das wären 34-36,2 %. Die 92.3 % christlichen Kirchenmitglieder von 1970 sind 2016 auf 55 % gesunken. Und die 55% sind keine kompakte starre Masse, die bewusst Kirchenmitglieder bleiben will oder bleiben wird, sondern eine sich biologisch zwangsläufig ständig ändernde: die Alten, die noch in religiöser Tradition aufwuchsen und für die ein Kirchenaustritt auch im sozialen Umfeld auf Ablehnung gestoßen war, treten zwar nicht haufenweise aus, aber sie sterben. Die Jungen interessiert Religion immer weniger, es werden weniger getauft und es treten mehr aus, wenn sie für eine Kirchenmitgliedschaft, die sie gar nicht interessiert, auch noch zahlen sollen. Der sonntägliche Kirchenbesuch liegt bei den Protestanten schon lange danieder, er ist jetzt etwa bei drei Prozent, da kann man wohl kaum noch von einem bewussten Bekenntnis zur Religion sprechen. Gott ist eben ein Produkt, das nicht wirbt, sondern abschreckt, religiöser Pessimismus ist daher angebracht...