Im luxemburgische Tagblatt behauptet P. Jean-Jacques Flammang, dass es allein
der katholischen Religion zu verdanken sei, dass die Menschen heutzutage nicht
mehr die wilden Tiere im Wald anbeten. Die ganze Wissenschaft sei einzig
und allein eine Kulturleistung des Katholizismus.
Wie viele Pseudonyme
hat denn dieser Jan Böhmermann? Denn es ist kaum zu glauben, dass der Satiriker
bei dem Artikel nicht seine Hände mit im Spiel hat.
So schreibt
Herr Flammang, dass "es ein polnischer katholischer Kanoniker gewesen [sei],
der als Erster in der Neuzeit es wagte, nicht die Erde, sondern die Sonne in
den Mittelpunkt seines Weltbildes zu stellen." Tatsächlich war Nikolaus
Kopernikus – und um den geht es hier – Domherr des Fürstbistums Ermland
in Preußen. Und tatsächlich revolutionierte er das bis dahin vorherrschende
geozentrische Weltbild. Das ist bekannt und historisch erforscht. Allerdings
konnte bisher noch kaum ein Nachweis darüber erbracht werden, dass die
christlichen Kirchen das neue Weltbild Beifall klatschend begrüßten.
Im Gegenteil: Die katholische Kirche hielt Kopernikus für einen Spinner
(und setzte das Buch auf den Index); die evangelische lehnte die Idee grundsätzlich
ab, weil sie der Bibel widersprach.
"Ein anderer katholischer Priester",
schreibt Flammang, "ein Belgier, Physikprofessor in Leuven, hat die Urknall-Theorie
zwei Jahre vor den [...] amerikanischen Wissenschaftlern aus Einsteins Relativitätstheorie
entwickelt und somit unser wissenschaftliches Weltbild grundlegend verändert."
Gemeint ist Georges Lemaître, der im Jahr 1927 in einem Artikel die wesentliche
Grundzüge der Expansion des Universums andeutete. Die von Flammang als
wissenschaftsfreundlich bezeichnete katholische Kirche hat nur ein knappes Vierteljahrhundert
(1951) später Lemaîtres Theorie akzeptiert.
Weiter erfährt
man im Tagblatt: "Die moderne Gentechnik stammt aus den Forschungen eines
österreichischen katholischen Mönches [...] Ohne seinen Beitrag wären
die Evolutionstheorien nicht ganz ernst zu nehmende Fabeln geblieben."
Es ist unklar, weshalb der Autor es generell unterlässt, Namen zu nennen.
In diesem Falle den von Gregor Mendel, der als der Vater der Vererbungslehre
gilt. Allerdings bestätigte Mendel nur, was Charles Darwin zuvor erforschte.
Der aber passt nicht ins Bild des Autoren: Schließlich war er kein Mönch
oder Priester.
Flammang mag als typische Beispiel für selektive
Wahrnehmung dastehen: Er blendet alles aus, was seiner Weltsicht widerspricht:
Verfolgung von Wissenschaft und Wissenschaftlern durch die christlichen Kirchen;
Anerkennung von wissenschaftlichen Erkenntnissen erst dann, wenn es nicht mehr
anders geht (um sich nicht vollends lächerlich zu machen).
Wenn
der Autor schreibt: "Religion, besonders die katholische, hat die europäische
Kultur [...] grundlegend geprägt" dann ist das leider richtig. Ohne
diese Religion könnte die Menschheit möglicherweise schon viel weiter
sein.
"Vielen Christen und katholischen Geistlichen haben wir
sowohl die Entstehung wie auch die Weiterentwicklung unserer Wissenschaften
zu verdanken", heißt es weiter. Das blendet ganze Teile der Wissenschaftsgeschichte
aus; er "vergisst" zu erwähnen, wie viele Menschen auf Scheiterhaufen
starben, wie viele exkommuniziert, wie viele in jeder erdenklichen Art und Weise
unterdrückt wurden – eben weil sie Wissenschaft betrieben und so zwangsläufig
in Widerspruch zur christlichen Lehre geraten mussten. Und er unterschlägt,
dass es die Kirchen waren, die den Menschen die Bildung versagten und einzig
einigen Klerikalen ermöglichten, Bücher zu lesen und zu forschen.
Man
muss jedenfalls schon sehr einfältig oder gläubig sein, um so zu denken
wie P. Jean-Jacques Flammang. Oder ein guter Satiriker.
Anm. zum o.a. Satiriker Jan Böhmermann: hier ein Böhmermann-Beispiel: