Rana
Ahmad hat dem Islam abgeschworen. Sie ist von Saudi-Arabien nach Deutschland
geflohen, um ein Leben in Freiheit zu führen. Am Stiftungssitz der Giordano-Bruno-Stiftung
stellte sie ihre bewegende Autobiographie vor, die gerade im btb-Verlag erschienen
ist. Foto Udo Ungar
Rana Ahmad ist in Riad in Saudi-Arabien aufgewachsen.
Das streng kontrollierte Leben unter den dort geltenden Regeln und Geboten des
wahhabitischen Islam war für sie lange Zeit eine Selbstverständlichkeit.
Heute ist die junge Frau bekennende Atheistin und lebt seit zwei Jahren in Deutschland.
Wie
ihr dieser mutige Bruch mit der Religion und der Schritt in ein selbstbestimmtes
Leben gelang, schilderte sie am Stiftungssitz der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs),
wo ihr kürzlich erschienenes Buch "Frauen dürfen hier nicht träumen"
erstmals vorgestellt wurde. Begleitet wurde sie dabei von der Journalistin und
Moderatorin Ute Soldierer, die Auszüge aus dem Buch vorlas, sowie von gbs-Vorstandssprecher
Michael Schmidt-Salomon, der im Gespräch mit Rana Ahmad auf unterschiedliche
Stationen in ihrem Leben einging.
Ahmad schilderte, dass sie bereits
im Kindesalter unter den religiösen Vorschriften leiden musste. So wurde
ihr schon als Zehnjährige das geliebte Fahrradfahren verboten und das Kopftuch
aufgezwungen. Eine geradezu traumatische Erfahrung für das junge Mädchen,
das dem Freiheitsentzug nichts Gutes abgewinnen konnte: "Ein Fahrrad für
einen Schleier zu geben, erschien mir ein sehr schlechter Tauschhandel zu sein",
so Ahmad rückblickend.
Abfall vom Glauben
Im Alter
von 26 Jahren begann Ahmad ihren Glauben und die Religion grundsätzlich
zu hinterfragen. Durch Twitter stieß sie auf einen Beitrag von einem Account
mit dem Namen "Arab Atheist", der sie zum ersten Mal mit dem Atheismus
konfrontierte. Die wissbegierige Frau setzte sich daraufhin mit Wissenschaft
und Philosophie auseinander. Sie verschlang die verbotenen Werke von Darwin,
Rousseau, Voltaire, Nietzsche und Dawkins, die ihren Blick auf die Welt und
damit ihr Leben nachhaltig verändern sollten. Denn die gläubige Muslimin
wurde durch das Lesen dieser Texte zur Atheistin - ein todeswürdiges Vergehen
in Saudi-Arabien.
Als die tiefreligiöse Familie von ihrem inneren
Wandel erfährt, wird Ahmad zu einer Pilgerfahrt nach Mekka gezwungen, um
sie zurück zum Glauben zu führen. Doch dort, am zentralen Heiligtum
des Islam, legt sie eine andere Form des Bekenntnisses ab: Heimlich macht sie
ein Foto, wie sie einen Zettel mit der Aufschrift "Atheist Republic"
hält und stellt es ins Internet. "Der Mut, auf diese Art zu protestieren,
war einfach über mich gekommen, in mir angeschwollen und verließ
mich wenige Minuten später, als alles vorbei war. In dem kurzen Zeitfenster,
in dem ich ihn in mir getragen habe, war dieser Mut mein Weg, in die Welt hinauszuschreien,
dass ich keine Muslima bin. Ich habe mich befreit. Ein Zeichen gesetzt für
andere Ex-Moslems: Ihr seid nicht alleine", erklärt Ahmad die lebensgefährliche
Aktion, die in den sozialen Medien enorme Beachtung fand.
Ausbruch
aus dem Gottesstaat
Die Abkehr von der Religion war für die
freiheitsliebende Ahmad eine unumkehrbare Zäsur, die sie schließlich
zum Ausbruch aus Saudi-Arabien bewegte. Mit der Unterstützung eines Freundes
gelang ihr die Ausreise aus dem islamischen Gottesstaat. Nach monatelanger Flucht,
die sie zunächst von der Türkei per Schlauchboot über das Mittelmeer
nach Griechenland führte, kam sie endlich in Deutschland an.
Doch
als sie sich in einer Flüchtlingsunterkunft in Köln wiederfand, war
sie keineswegs an einem sicheren Ort gelandet. Denn einige der anderen Flüchtlinge
in der Unterkunft waren fundamentalistische Muslime, von denen sich die Atheistin
weiterhin bedroht fühlte: "Ich hatte das Gefühl, Saudi-Arabien
nie verlassen zu haben!", so Ahmad.
Hilfe suchend wandte sie sich
an Mina Ahadi vom Zentralrat der Ex-Muslime. Durch sie lernte Ahmad einige Mitglieder
der Giordano-Bruno-Stiftung kennen, die ihr nicht nur eine Wohnung in Köln
vermittelten, sondern in den folgenden Monaten auch zu engen Freunden wurden.
Ein
Leben in Freiheit
Rana Ahmad hat mittlerweile einen neuen Namen angenommen,
aus Angst, ihre Familie könnte sie hier finden. Bei der aufwühlenden
Buchvorstellung am gbs-Stiftungssitz in Oberwesel merkte man ihr jedoch an,
dass sie sich von dieser Angst nicht lähmen lässt. Ganz im Gegenteil:
Ein selbstbestimmtes Leben möchte die mutige Frau nun auch anderen Menschen
ermöglichen und engagiert sich dafür in dem Verein "Säkulare
Flüchtlingshilfe", der wesentlich auf ihre Initiative zurückgeht
und von der Giordano-Bruno-Stiftung sowie vom Zentralrat der Ex-Muslime unterstützt
wird. Schon bald will sie zudem ein Studium der Nuklearphysik antreten.
Soweit der HPD-Bericht, hier Infos zum Buch:
Rana Ahmad, Sarah Borufka -
Frauen dürfen hier nicht träumen: Mein Ausbruch aus Saudi-Arabien, mein Weg in die Freiheit - btb-Verlag Jänner 2018 - 320 Seiten, Euro 16,50
Rana Ahmad, geboren 1985, ist in Riad in Saudi-Arabien aufgewachsen, wo
sie sich im Alter von zehn Jahren zum ersten Mal verschleiern muss. Als
junge Frau darf sie aufgrund der strengen religiösen Gesetze, die in
ihrer Heimat gelten, nicht alleine auf die Straße gehen, nicht Fahrrad
oder Auto fahren, nicht selbst darüber entscheiden, ob sie studiert oder
arbeitet. Nach einer gescheiterten Ehe kommt sie durch das Internet mit
Texten von Friedrich Nietzsche und Charles Darwin in Kontakt, sie
zweifelt an ihrem Glauben und wird Atheistin. Darauf steht in
Saudi-Arabien die Todesstrafe. Rana Ahmad entscheidet sich deshalb für
den Ausbruch. Sie verlässt unter größter Gefahr ihre Heimat, nur mit
einem Laptop und einem Flugticket nach Istanbul in der Handtasche. Von
der Türkei aus gelangt sie über Griechenland nach Deutschland, wo sie
heute lebt. Um von ihrem Bruder und ihrer Familie nicht gefunden zu
werden, muss Rana Ahmad ihren Namen ändern. Heute hat sie nur mit ihrem
Vater sporadischen Kontakt, der sie trotz ihrer Flucht nicht verstoßen
hat. An den Wänden ihrer Wohnung in Köln hängen Bilder ihrer großen
Vorbilder: neben Marie Curie eines von Albert Einstein und Isaac Newton.
Als Vorbereitung auf ihr Physikstudium ist sie Gasthörerin an der
Universität Köln. »Die Sprache der Naturwissenschaften ist universell,«
erklärt Rana Ahmad, »wenn ich die Welt ein bisschen besser verstehen
möchte, dann muss ich diese Sprache lernen.« Im Frühjahr 2018 wird sie
ein Praktikum am CERN in der Schweiz absolvieren.
Die Co-Autorin
Sarah Borufka wurde 1983 in Fürth geboren. Studium der
Filmwissenschaften in New Orleans, danach Arbeit in New York und Prag.
Seit 2012 lebt sie in Berlin, wo sie als Freie Autorin arbeitet.