Hier
geht es um die Euro-Zone, nicht um die EU oder gar um ganz Europa. Die Euro-Story
ist eine Story von gut gewollt und schlecht gekonnt, eine Story von hochherzigem
Dilettantismus. Jetzt bekommt die Klage noch eine Strophe drangehängt..
Los
ging es mit der Aufnahme von Griechenland, das gegen die Bedenken von Eurostat
aufgenommen wurde, das sogar seine Bilanzen schönen ließ, um die
Aufnahme zu erreichen. Hätten die Griechen über ein funktionierendes
Orakel verfügt, das ihnen die Zukunft weissagen konnte, dann hätten
sie die Finger vom Euro gelassen (Bild: Noupload, pixabay).
Vor 20 Jahren
hatten Griechenland und die Türkei vergleichbare Wirtschaftsdaten. Dann
erlebte die Türkei ganz unsubventioniert ein Wirtschaftswunder (bis der
Obermufti Erdogan überkandidelte). Und Griechenland? Das liegt seit Jahren
darnieder, trotz Milliardensubventionen und der teuersten Konkurshilfe in Friedenszeiten
(300 Mrd. gegenüber 100 Mrd. bei der Nummer 2, Argentinien).
Um
mit dermaßen viel Geld ein dermaßen schlechtes Abschneiden wie in
Griechenland herbeizuführen, braucht es schon die höheren Weihen des
Dilettantismus'. Das Geld einfach verbrennen und Griechenland mit der Drachme
weitermachen lassen, wäre besser gewesen und billiger gekommen. Um das
nachzuvollziehen, muss man sich den Werdegang anschauen.
Gleich am Anfang kam ein Missverständnis: Der Markt unterstellte allen
Euro-Staaten gleichermaßen Solidität. Griechenland wurde Kredite
und Anleihen zu Euro-Zinsen los, deutsches Niveau statt griechisches – 10% zuwenig,
und das wurde von Bevölkerung und Regierung auch so aufgefasst: Wer jetzt
nix pumpt, verschenkt 10%.
Als die Märkte aufwachten und angemessene
Zinsen für die griechischen Staatsanleihen verlangten, war der Staat schon
überschuldet. Die Bevölkerung gab die neugekauften Autos zurück,
zog aus den zwangsversteigerten Häusern aus, schloss die überteuerten
Geschäfte. Die Regierung stand vor dem Konkurs.
Wer das Geld nachgeschmissen
kriegt, wirtschaftet schlecht damit. Nur wenn das Geld den richtigen, unmanipulierten
Marktpreis hat, wird es sparsam und nutzbringend investiert. Falls jemand diese
Binse noch nicht kannte, hätte er sie vor 15 Jahren lernen können.
Aber die Euro-Politik tut das nicht. Sie lernt nicht. Sie ist die ganze Zeit
davon geprägt, dass die Steuerungsfunktion des Geldes kaputtmanipuliert
wird.
Griechenland begab Staatsanleihen, die Banken kauften sie. Wenn
Griechenland die Anleihen nicht zurückzahlen kann, weil das Geld nicht
investiert, sondern irgendwo verschwendet oder abgegriffen wurde, geht das Land
pleite. Dann gehen die Banken auch konkurs – und das darf nicht sein, weil,
das sind ja Banken in Frankreich und Deutschland. Also muss gerettet werden.
Es heißt Griechenland-Rettung, ist aber eine Bankenrettung.
Dass
es fürs Retten kein demokratisches Mandat gibt, ist der Euro-Politik egal.
Es gab ja eh kein demokratisches Mandat für den Euro. Bei uns durfte nicht
abgestimmt werden, und wo abgestimmt wurde, ging es normalerweise gegen den
Euro aus. Und das trotz des No-bail-out-Versprechens, dass keiner die Schulden
vom anderen übernehmen würde.
Die gesetzliche Grundlage des
No-bail-out hat man schlicht und einfach ignoriert, als die Rettungsschirme
eingerichtet wurden. Mit großem politischen Getöse schuf man die
Rettungsfonds EFSF und
ESM, die zusammen mehr
als 300 Mrd. nach Griechenland pumpten, von denen 95% in den Banken verschwanden.
Die Banken durften die Zinsen kassieren für die Risiken, die nun die Rettungsfonds
tragen.
In Wirklichkeit ist der Risikofall längst eingetreten. Die Griechenandkredite
sind Showkredite, die von weitem wie seriöse Kredite aussehen, aber nichts
dergleichen sind. Und das kam so: Anfangs wollten die Kreditgeber noch nach
ökonomischen Methoden vorgehen, bis sie merkten, dass Griechenland dann
neue Kredite aufnehmen musste, um die Zinsen der alten zu bezahlen. So ein Schneeballsystem
wollte man denn doch nicht einrichten. Pleite gehen durfte Griechenland qua
Euro-Dogmatik aber auch nicht (bezeichnenderweise kennt die Eurozone nicht mal
eine Ausstiegsklausel), deshalb gestaltete man die Konkursverschleppung so,
dass es von weitem wie eine Rettung aussah.
Zunächst wurden die
Zinsen auf Null gesetzt, und später auf 1 symbolisches Prozent (zu Zeiten,
wo die Euro-Politik noch nicht den Nullzins erzwungen hatte). Eine Tilgung wurde
auch beschlossen: Nach 30 und mehr Jahren sollte Griechenland alles auf einmal
zurückzahlen. Also Showkredite ohne Verzinsung und mit theoretischer Tilgung
– noch windiger als bloß unseriös. Um das Maß vollzumachen,
wurde als Galionsfigur der IWF
dazugeholt, der bekanntermaßen ökonomische Gesetze befolgt
und den Anschein davon auch bei der Euro-Rettung verbreiten sollte. Das lief
dann so, dass die IWF-Kredite tatsächlich verzinst und zurückgezahlt
wurden, aber aus Mitteln der Euro-Rettungsschirme – glatter Betrug.
Heutzutage
gilt es als positive Nachricht, wenn Griechenland keine neuen Schulden macht,
sondern eine positive Bilanz vorzeigt. Allerdings wird bei der "positiven"
Bilanz die Kreditlast ignoriert, als ob die Kredite schon abgeschrieben wären.
Das bringt einen aktuellen Touch ins Geschehen, denn bisher wurde in Sachen
Griechenlandkredite die stramme Lüge vertreten, "die werden voll zurückgezahlt".
Die neue GroKo könnte sich von dieser Illusion des Ex-Finanzministers Schäuble
trennen, der ja die Rettungsgelder partout als Kredite und nicht als Geschenke
interpretieren wollte. Ein neuer Finanzminister Scholz kann das ohne allzu großen
Gesichtsverlust durchziehen.
Inzwischen hat Griechenland einen bemerkenswerten modus vivendi gefunden,
indem es aus seiner Euro-Mitgliedschaft – nachdem der Euro das Land praktisch
ruiniert hat – doch noch einen Nutzen zieht. Das Land hat sich von China kaufen
lassen, und nun tritt Griechenland als Fürsprecher für China innerhalb
der EU auf (wenn es aus dem Euro ausgetreten wäre, hätte es auch in
der EU sein Gewicht verloren). Mit seiner Stimme verhindert Griechenland nun
EU-Verurteilungen der chinesischen Politik (Aggression im südchinesischen
Meer, Menschenrechtsverletzungen, Überprüfung chinesischer Geschäftspraktiken
in Europa, siehe wb-Link Chinagate).
'
Dabei
hat sich das Land billig kaufen lassen, für keine 10% von dem, was die
Rettungsschirme ins Land gepumpt haben. Aber die Chinesen sind Freunde, und
sie verlangen nicht das Verscherbeln des Tafelsilbers wie die Euro-Retter. Die
Privatisierung von allem, was sich zu Geld machen lässt, ging sowieso nur
im einstelligen Prozentbereich voran, und sie wurde durch viele Bürgerproteste
aufgehalten. Darum ging ja ein großer Teil des Streits, ob nun genug "Reformen"
gemacht waren, um die nächste Tranche des Rettungsgelds zu bewilligen.
Die
Eurozone rettete Griechenland vor Problemen, die es ohne den Euro gar nicht
gehabt hätte, und die Rettungsgelder gingen dann gar nicht nach Griechenand,
sondern an die Banken.
Wer das Ganze für maximalen Dilettantismus hält, der hat einen
wesentlichen Aspekt noch nicht im Kalkül. Es ist schließlich dereguliert
worden, und das führte u.a. zu enormem Missbrauch auf den Kreditmärkten,
z.B. bei konzertierten Währungsspekulationen und Spekulationen gegen Euro-Staaten.
Unterhalb vom Radar der normalen Beobachter toben sich die Zocker aus. Sie müssen
nur den Trend setzen, indem sie z.B. CDS
für griechische Staatspapiere kaufen, also Versicherungen gegen deren Ausfall.
Mit Leerverkäufen von solchen Staatspapieren geht es auch: Der Kurs sinkt,
die anderen Zocker springen auf. Dadurch sinkt der Kurs noch mehr, bis auch
seriöse Anleger aussteigen, weil sie ihre Verluste begrenzen müssen.
Und dank Deregulierung dürfen die Hedgefonds CDS für Papiere kaufen,
die sie gar nicht haben, und sie dürfen Papiere leer verkaufen, die sie
genausowenig haben (siehe unten Medien-Link).
Die griechische Konkursverschleppung
bot den Hedgefonds viele Möglichkeiten, die Eurozone für ihre Marktmanipulationen
zu bestrafen. Immer wenn Kurse manipuliert werden, können die Hedgefonds
darauf spekulieren, dass die Manipulation zusammenbricht. Z.B. als die Ratingagenturen
die griechischen Staatsanleihen auf Schrott-Niveau herunterstuften, geschah
das auf Druck der Märkte; und die Spekulanten profitierten, die das erzwangen.
Damals war die Alternative Griechenland-Konkurs und -Restrukturierung oder Griechenland-Rettung,
und man hat die falsche Wahl getroffen.
Kann gut sein, dass die Politik
durch die Spekulation motiviert wurde, noch mehr zu manipulieren und alles nach
Methode politischer Willkür statt ökonomischem Gesetz zu regeln. Es
ist ja auch ärgerlich, wenn die Euro-Finanzpolitik zuschauen muss, wie
die Euros zigmilliardenweise von den Zockern abgesaugt werden. Aber die folgende
Groß-Manipulation namens QE oder Nullzinspolitik verdankt sich noch anderen
Faktoren. Damit befasst sich der nächste Bericht.
Medien-Link:
Das
Ende der Gier (Ulrich Mössner 2011, oekom-Verlag): Wir Bürger
müssen die Suppe auslöffeln, die uns die deregulierte Finanzwirtschaft
eingebrockt hat. "Die zentralen Versprechungen des Neoliberalismus haben
sich als Luftnummern erwiesen!