München – In Bayern muss nach einem Beschluss des Landeskabinetts ab
Juni in jeder Behörde ein Kreuz hängen. "Im Eingangsbereich eines
jeden Dienstgebäudes im Freistaat ist als Ausdruck der geschichtlichen
und kulturellen Prägung Bayerns deutlich wahrnehmbar ein Kreuz als sichtbares
Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung in Bayern
und Deutschland anzubringen." Das erklärte die Staatskanzlei am Dienstag
nach einer Kabinettssitzung. Die allgemeine Geschäftsordnung sei entsprechend
geändert worden.
"Das Kreuz ist das grundlegende Symbol der kulturellen
Identität christlich-abendländischer Prägung", hieß
es weiter. Die Neuerung gilt "für alle Behörden des Freistaats
Bayern ab dem 1. Juni 2018". Den Kommunen, Landkreisen und Bezirken werde
empfohlen, "entsprechend zu verfahren".
Soweit die Meldung. Der aktuell zu sehende oberste Leserkommentar dazu:
"Ich kann diesen Schwachsinn vom christlichen Abendland nicht mehr hören.
Europäische Kultur, zumindest im westlichen Europa, ist aus der Opposition
zur Kirche und zum Glauben entstanden und nicht daraus! Durch den Rückgriff
auf die Antike, durch die Aufklärung und dem Niedergang des Kirchenstaates
sind wir wer wir sind. Ein Kreuz bedeutet die Anbiederung an die Rückständigkeit.
Durch solche Gesetze bekämpfen wir keine Extremisten, sondern werden selbst
wieder zu welchen."
Bayern ist natürlich seit 1945 CSU-geprägt.
In den Fünfziger- und Sechzigerjahren hatte die CSU nicht die absolute
Mehrheit, da gab es die Konkurrenz der Bayernpartei, von 1970 bis 2008 lag die
CSU über 50 %, was wohl auch damit zusammenhängt, dass die CSU nicht
CDU heißt und im "Freistaat Bayern" regionales Selbstbewusstsein
manifestiert, bei den letzten beiden Wahlen verlor man Stimmen an die nun im
10%-Bereich liegenden "Freien Wähler Bayern".
Aber
auch die CSU-Dominanz hat nichts daran geändert, dass sogar in Bayern die
Religion weniger wird. 1950 waren 71,9 % katholisch, 26,5 % evangelisch
und 1,5 % konfessionslos. 2011 waren 55 % katholisch und 21 % evangelisch, 20
% konfessionslos, in nur fünf Jahren änderte sich bis 2016 das auf
50,5 % katholisch, 18,8 % evangelisch, über 25 % konfessionslos!
Offenbar
will man jetzt ein katholisches CSU-Zeichen setzen! Bayern hat christlich zu
sein und jeder Muslim und jeder Konfessionslose hat das zu sehen, wenn eine Behörde
betreten wird! Dort herrscht streng amtliche Christentradition! Also ist überall
ein aus Schillers "Wilhelm Tell" berühmter Gesslerhut aufzuhängen
und das Volk hat dem CSU-Kreuz seinen Respekt zu zeigen! Ob da dann auch wer
wartet in der Hohlen Gasse? Es muss ja keiner mit einer Armbrust sein, aber
die rechtliche Frage, ob es zumutbar ist, das christliche Siegeszeichen in jedes
Amt zu hängen, sollte auf alle Fälle gestellt werden. Denn schließlich
sind auch in Bayern die Sonntagsmessen Aufenthaltsorte für ein paar Leute
aus der Pensionistengeneration und eine allgemeine christliche Religionspflicht
gibt es schon lange nimmer.
Und in der bayrischen Verfassung steht
auch die Religionsfreiheit:
Art. 107 – 1) Die Glaubens- und Gewissensfreiheit
ist gewährleistet.
2) Die ungestörte Religionsausübung steht
unter staatlichem Schutz.
3) Durch das religiöse Bekenntnis wird der
Genuss der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte weder bedingt
noch beschränkt. Den staatsbürgerlichen Pflichten darf es keinen Abbruch
tun.
4) Die Zulassung zu den öffentlichen Ämtern ist von dem religiösen
Bekenntnis unabhängig.
5) Niemand ist verpflichtet, seine religiöse
Überzeugung zu offenbaren. Die Behörden haben nur soweit das Recht,
nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft zu fragen, als davon
Rechte und Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische
Erhebung dies erfordert.
6) Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder
zur Teilnahme an religiösen Übungen oder Feierlichkeiten oder zur
Benutzung einer religiösen Eidesformel gezwungen werden.
Verfassungsnachtragsvorschlag:
7)
Jedoch können alle unabhängig
von Religion und Weltanschauung in jeder Behörde zum Anblick eines Kreuzes
gezwungen werden!
Überraschung! Es gibt sogar kirchliche
Kritik an der geplanten religösen Markierung aller bayrischen Behörden!
Der
SPIEGEL schrieb am 27.4. u.a.: "Auf Initiative Söders hatte das bayerische Kabinett am Dienstag beschlossen,
dass in allen Behördengebäuden unter der Verwaltung des Freistaats im
Eingangsbereich ein Kreuz angebracht werden soll. Dies war unter anderem von den
Kirchen als Instrumentalisierung des Kreuzes zu Wahlkampfzwecken kritisiert
worden. Tatsächlich findet in Bayern im Herbst die Landtagswahl statt. Söders
Kreuz-Vorstoß, wie auch andere Äußerungen zum Islam, muss in diesem Zusammenhang
gesehen werden."
Söder reagiert auf islamische Bedrängungen
wie viele konservative Politiker, er setzt einer mittelalterlichen Religion
nicht die Aufklärung und die heute gelebte Säkularität entgegen,
sondern das Christentum des Vormodernismus! Wer kein Philoislamist ist, der
hat eine Art Kreuzritter zu sein und nicht ein säkularer Mensch des 21.
Jahrhunderts! Offensichtlich glaubt der Söder tatsächlich, dass ihm
die amtliche Markierung von Behörden mit Kreuzen bei den Wahlen Stimmen
bringt. Was wohl eher nicht der Fall sein wird, weil die Minderheit der tatsächlich
noch praktizierenden Christen
in Bayern wählt sowieso CSU und islamkritische Leute werden die Bekreuzigung
von Ämtern und Behörden eher als eine Folge des Islam sehen und nicht
als Islamkritik! Sozusagen: der Islam ist eine dominante Religion, na wir in Bayern
zeigen, dass für alle das Christentum die dominante Religion zu sein hat!
Bereits
am 26.4. hieß es in einer Meldung des ORF: "Der deutsche Staatsrechtler Horst Dreier hält eine Verfassungsklage
gegen den Landesregierungsbeschluss zum verpflichtenden Anbringen von Kreuzen in
allen staatlichen Behörden Bayerns für wahrscheinlich. (..) Das Gebot religiös-weltanschaulicher Neutralität im deutschen Grundgesetz
schließe es aus, in allen Behörden Kreuze als Symbol einer bestimmten Religion
aufzuhängen, auch wenn es die Mehrheitsreligion sei. 'Das Neutralitätsgebot
fordert vom Staat, sich gerade nicht mit einer bestimmten Religion oder
Weltanschauung zu identifizieren.' Die neue bayrische Regelung verletze dies in
zentraler Weise. (..)"
Außerdem hält Dreier die Argumentation
Söders, das Kreuz sei ein Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung
in Bayern, für falsch und sagt dazu: "Die christlichen
Kirchen haben sich mit zentralen verfassungsrechtlichen Ideen
von Demokratie und Menschenrechten erst nach dem Zweiten Weltkrieg angefreundet,
nicht 1.900 Jahre davor."
Man kann gespannt sein, wie das weitergeht!