Aus unzähligen Fällen von sexuellem Missbrauch ist die Strategie
der katholischen Kirche hinreichend bekannt: Vertuschung, und falls dies nicht
mehr funktioniert: Bagatellisierung und Verweigerung von Verantwortung.
So geschieht es nun auch im von der Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt
aufgedeckten Fall von Clara D., die von einem Priester geschwängert wurde.
Mit 16 wurde sie laut ihren Angaben von Kaplan V. in der Klosterschule im Beichtstuhl
zum Oralverkehr gezwungen und dann über längere Zeit missbraucht.
Mit 17 war sie schwanger, da wurde sie - nach ihren Angaben - genötigt,
die Zwillinge zur Adoption freizugeben.
Täter-Opfer Umkehr
Doch
die Erzdiözese Wien, die bereits damals, 1995, in die Vertuschung involviert
gewesen zu sein scheint, bezeichnet nun die Geschehnisse als "Affäre"
und deutet an, das Mädchen selbst hätte den Kaplan verführt -
die Handlungen seien daher auch nicht strafbar gewesen. "Wir machen uns
Sorgen um tausende Kinder in kirchlichen Schulen, wenn Kardinal Schönborn
nichts dabei findet, dass ein Beichtvater eine minderjährige Schülerin
schwängert" so Plattform-Sprecher Sepp Rothwangl. Das als "Affäre"
zu verharmlosen, sei eine zynische Täter-Opfer Umkehrung, denn es gehe
um Ausnützung eines Autoritätsverhältnisses bei einem vorbelasteten
jungen Mädchen. Die damals Minderjährige hatte bereits eine Missbrauchsvorgeschichte,
die im katholischen Erziehungsheim bekannt war.
Hat Schönborn
Mädchen zur Adoptionsfreigabe gedrängt?
"Wenn der Kardinal
jetzt ankündigt, der Frau helfen zu wollen, dann ist das eine reichlich
späte Einsicht", so Rothwangl. Immerhin sei er persönlich involviert:
Die damals Minderjährige sagt ja aus, dass Schönborn persönlich
sie 1995 zur Adoptionsfreigabe gedrängt habe. Wenn der Kardinal weiter
behauptet, der Priester hätte sich nie mehr mit "Minderjährigen"
etwas zu schulden kommen lassen, bleibt hier Raum für Spekulationen. "Zumindest
hat er Clara nach ihren Angaben nochmals geschwängert, was zu einer Drillingsschwangerschaft
führte. Unerträglich sei auch, dass der Mann weiterhin für die
Kirche tätig sein durfte, bis heute sogar Jugendliche betreut.
Plattform
lässt strafrechtliche Relevanz prüfen
Die Plattform prüft
jetzt die strafrechtliche Dimension des aktuellen Falls, insbesondere auch,
was die Angaben des Opfers bzgl. der erzwungenen Eizellentnahme betrifft. Die
Betroffene berichtet sie und andere Schülerinnen hätten monatlich
zu "schmerzhaften Untersuchungen" zu einem Gynäkologen gezwungen
worden. Dieser hätte die Entnahme von Eizellen bestätigt, mit der
Begründung "auch andere Frauen möchten Kinder". Ferner wurden
lt. Clara sie und andere Mädchen gezwungen, täglich Hormontabletten
einzunehmen. Eine hormonelle Stimulation der Eierstöcke würde auch
die absolut ungewöhnlichen zwei Mehrlingsschwangerschaften innerhalb eines
Jahres bei der jungen Frau erklären (Zwillingsschwangerschaft, mit 17 Jahren
mittels Kaiserschnitt entbunden, Drillingsschwangerschaft im Alter von 18 Jahren
beendet).
Plattform Betroffener Kirchlicher Gewalt
Der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser ist empört
über die Bagatellisierung von schweren Übergriffen durch einen hohen
Würdenträger der katholischen Kirche.
Laut aktuellen Medienberichten
(APA, Der Standard, Kurier Morgenjournal Ö1 und viele mehr) wurde ein damals
13Jähriges Mädchen ab 1990 in einem Erziehungsheim in Hollabrunn von
dem dort tätigen Kaplan über Jahre hinweg zu sexuellen Handlungen
genötigt und zweimal geschwängert. Während der ersten Schwangerschaft
im Alter von 16 Jahren soll die junge Frau überdies von einer Klosterschwester
schwer misshandelt worden sein, um die Schwangerschaft abzubrechen. Als ihre
daraufhin zu früh geborenen Zwillinge dennoch überlebten, wurde die
Frau nach diesem langen Martyrium auch noch genötigt, ihre Kinder zur Adoption
freizugeben. Der von der Klosterleitung informierte Kardinal Christoph Schönborn,
soll nach ihren Angaben angeordnet haben, dass ihr die Kinder weggenommen werden
sollen. Überdies habe er ihr unterstellt, sie hätte den Kaplan verführt.
Nachdem dieser Skandal aufgedeckt werden konnte, bezeichnete er aktuell dieses
sexuelle Abhängigkeitsverhältnis als "Affäre" oder
"problematische Beziehung" die ohne jede strafrechtliche Relevanz
sei. Nach all dem, was diese Frau durchgemacht hat, muss man die angeführten
Äußerungen als grausam und zynisch bezeichnen.
Wir sind zutiefst
erschüttert über diese kolportierte Verharmlosung sexueller Übergriffe
durch das Oberhaupt der katholischen Kirche in Österreich. Der vorgeworfene
sexuelle Missbrauch dürfte noch dazu im Kontext eines Autoritätsverhältnisses
stattgefunden haben. Durch Machtmissbrauch und Drohungen werden Kinder und Jugendliche
in ein Abhängigkeitsverhältnis gedrängt und zum Schweigen gebracht.
Sexueller Missbrauch kann schwere bleibende psychische Schäden verursachen
und ist gerichtlich strafbar.
"Als sexueller Missbrauch von Unmündigen werden in Österreich
vorsätzliche sexuelle Handlungen mit oder an unmündigen Personen,
also Kindern unter 14 Jahren, bezeichnet. Diese sind gemäß den Paragraphen
206 und 207 des österreichischen Strafgesetzbuches strafbar.
§ 212 StGB stellt Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses
unter Strafe. Demnach ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen,
wer mit einer minderjährigen Person, die seiner Erziehung oder Aufsicht
untersteht, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person
eine geschlechtliche Handlung vornimmt oder von einer solchen Person an sich
vornehmen lässt.
Mehr als skandalös ist auch die von der Frau geschilderte unfreiwillige
Eizellenabnahme, die angeblich an ihr und offensichtlich bei mehreren Klosterschülerinnen
vorgenommen wurde. Hier handelt es sich um Körperverletzung und sexuelle
Gewalt an jungen Frauen.
Der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser fordert die Zuständigen
auf, für eine vollkommene Aufklärung zu sorgen, die TäterInnen
je nach Möglichkeit strafrechtlich oder zumindest disziplinarrechtlich
zur Verantwortung zu ziehen, insbesondere auch all jene Personen, die an der
medizinischen Ausbeutung der jungen Mädchen mitgewirkt haben. Schließlich
ist auch sicherzustellen, dass diese Frau keine Almosen sondern, eine angemessene
Entschädigungsleistung erhält.
www.aoef.at - Mag.a Maria Rösslhumer