Politik: Oldies but Goldies

Publiziert am 19. Juni 2018 von Wilfried Müller auf www.wissenbloggt.de

Dies stellt keinen Einmischungsversuch ins Liebesgeflüster der Turteltäubchen unter unseren politischen Parteien dar. Momentan bieten CDU und CSU die beste Show, aber andere können's auch. Ausnahmsweise geht es hier auch nicht um Inhalte.

Es geht um die Jahresringe, die den Akteuren anhaften (Bild: bamenny, pixabay). Das Alter scheint in Beziehung zu Konfrontationswillen und Durchsetzungsbereitschaft zu stehen. Bis zum Ruhestandsalter tendieren die Karrierepolitiker der modernen Machart zum weichgespülten Opportunismus, aber danach geschieht etwas. Aus Opportunismus kann dann Opposition werden.

Entweder gehen sie in Rente, oder sie entwickeln eine eigene Meinung, bzw. sie haben schon eine Meinung und nunmehr vertreten sie sie (Bild: LeoNeoBoy, pixabay).

Wenn sowas passiert, hört sich das ganz anders an als das gewohnte Politk-Hickhack. Es wird Rückgrat gezeigt, es werden Meinungen vertreten, die in Konsequenzen münden könnten. Es wird an Dogmen gekratzt, und es werden Dinge ausgesprochen, die sonst tabu sind. Was geht da vor?

Gängige Theorien suchen die Ursache für markige Standpunktsverfechtung im kommenden Wahlkampf.

So ganz aus der Luft gegriffen ist das wohl nicht, aber es kann eben auch was anderes dahinter stecken. Damit sind wieder die Jahresringe angesprochen, oder genauer gesagt der Zeitpunkt, wo der Ruhestand gesichert ist, und das Mandat dauert noch. Alte Knacker bzw. alte Schachteln können dann aus dem Hinterbänkler-Dasein ausbrechen, sie können aus dem Windschatten von Partei und Fraktion treten, sie können ihrem Gewissen folgen.

Im Artikel 38 GG stehen solche verstörenden Sachen über die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sogar drin: Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Wer hätte das gedacht?

Die jungen Karrierepolitiker wissen das bestimmt nicht. Die können sich nicht querlegen, die wollen ja Karriere machen. Deshalb können sie sich kein eigenes Gewissen leisten; sie müssen das von der Partei oder der Fraktion benutzen – oder gleich das von der Führungsspitze (Bild: matamoros, pixabay).

Aus dem Konformitätsdruck lässt sich eine plausible Erklärung für mangelnde Opposition ableiten, im Bundestag oder innerhalb der Parteien. Was passiert denn, wenn unsere Kanzlerin loslegt und Deutschland spaltet, Europa spaltet und jetzt noch die Union spaltet? Wenn sie aus eigener Machtvollkommenheit einen kompletten Trümmerhaufen hinterlässt? Spricht irgendjemand von der Trümmerfrau Merkel? Wohl eher nicht. Nicht in der CDU.

Oder nur hinter vorgehaltener Hand. Wer im Parteivolk nicht stromlinienförmig nachgibt, ist längst abgesägt worden. Jasager und Abnicker beherrschen die Unions-Szene. Bis vor kurzem.

Ein alter Knack-, pardon, ein altgedienter Politiker hat sich auf die Hinterbeine gestellt. Er hat nicht mehr mit dem Schwanz gewedelt, sondern gebellt. Was Seehofer und Merkel im einzelnen ausfechten, ist in diesem Zusammenhang zweitrangig.

Erstrangig ist das Defizit an Opposition, das die deutsche Politik und speziell die Euro- und Migrationspolitik so lange begleitete. Andersdenkende galten quasi als Unpersonen. Diskutiert wurde nicht; und wenn, dann war es Disputieren. Die Gegenmeinung wurde nicht angemessen rezipiert. Weitreichende Entscheidungen wurden autokratisch gefällt und ignorant gegen Kritik immunisiert.

Das Ergebnis sind die Trümmer.

Noch schlimmer, es wird nur an den Symptomen kuriert, und die Probleme sind immer noch ungelöst – ob in Griechenland oder Italien, ob in Arabien oder Afrika. Und natürlich in Deutschland. Hier wird sehr viel Geld ausgegeben, weitgehend perspektivlos, einfach bloß fürs so Weitermachen.

Vielleicht sollte man neue Anforderungen an die Politiker stellen, damit sie unbeeinflusst gegen sowas vorgehen können? Dass sie wirklich unabhängig sein müssen? Dass sie ihre Karriere schon gemacht haben müssen, ehe sie in die Politik gehen? Dass sie Jahresringe brauchen, sogar wenn sie Politik für die Jugend machen?

Schließlich haben die vielen jungen Leute im Parlament die Interessen der Jugend genauso schlecht vertreten wie die der Armen, der Familien und der Deutschen. Das Geld wird von jung nach alt umverteilt, von arm nach reich, von Nord nach Süd, von Einheimischen zu Eingereisten.

Wenn's wenigstens was bringen würde …

Links zu Politik–Artikeln von wissenbloggt: