Über die Risiken im Finanzsektor

Aussendung von Sven Giegold am 19.6.2018:

Reform der europäischen Bankenregeln:
Keine spürbare Reduzierung von Risiken im Finanzsektor

Der Wirtschaft- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments hat am 19.6.2018 über ein umfassendes Gesetzgebungspaket zur Reform der europäischen Bankenregeln (CRD, CRR, BRRD) abgestimmt. Die Überarbeitung soll die auf internationaler Ebene vereinbarten Basel-Regeln umsetzen, bestehende EU-Gesetze klarstellen sowie die Anforderungen stärker an der Größe und dem Geschäftsmodell der Banken ausrichten. Im Juli wird das Plenum des EU-Parlaments über die heute im Ausschuss angenommenen Texte abstimmen. Nach der parlamentarischen Sommerpause werden dann die Trilogverhandlungen mit dem Rat der Mitgliedstaaten und der EU-Kommission beginnen. Eine Einigung wird für Anfang 2019 erwartet, die neuen Regeln würden dann Ende 2020 in Kraft treten.

Die heute angenommenen Berichte enthalten mehrere Grüne Vorschläge: Erstmals sollen große Banken über Umwelt-, Sozial- und Korruptions-Risiken berichten, kleine Banken werden von überbordenden bürokratischen Auflagen befreit, der Informationsaustausch zwischen Bankaufsehern und Geldwäschebehörden über Geldwäscherisiken wird verpflichtend und Aufsichtsbehörden erhalten den Auftrag, Kredite an Schattenbanken und Steueroasen zu begrenzen. Zusätzliche Kapitalpuffer können die Behörden nun einfacher in Kraft setzen und unterliegen dabei weniger Restriktionen.

Weil das Gesetzespaket bei der Reduzierung der Risiken im Finanzsektor nicht weit genug geht, haben sich die Grünen bei der Abstimmung über die Berichte als Ganzes enthalten. Die Regeln zur Verschuldungsquote (Leverage Ratio) und der strukturellen Liquiditätsquote (Net Stable Funding Ratio, NSFR) enthalten zahlreiche Abweichungen vom internationalen Basel-Standard. Die neuen Regeln zur Abwicklung von Banken bleiben weit hinter der starken Position im Rat der EU-Mitgliedstaaten zurück.

Dazu sagt der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen/EFA- Fraktion im Europäischen Parlament, Sven Giegold:
"Das Europaparlament schwächt in wichtigen Punkten die Baseler Bankenregeln. Die Position des Parlaments bleibt in einigen wichtigen Punkten hinter dem Kompromiss der EU-Mitgliedsländer zurück. Die laxen Vorgaben für die Nachrangigkeit von Verbindlichkeiten sind ein Lobbygeschenk an die europäischen Großbanken und gefährden die dringend nötige Vertiefung der Bankenunion. Finanzminister Scholz hat völlig recht, wenn er hier eine rote Linie zieht, die das Parlament heute leider überschritten hat.
Überfällig waren die heute beschlossenen Vorgaben zu weniger Bürokratie bei der Bankenaufsicht über kleine Banken. Hier sind viele Ideen des Berichterstatters Peter Simon und von uns Grünen eingeflossen. Wir Grünen wären hier gerne noch weiter gegangen.
Erstmals hat sich eine Mehrheit der Abgeordneten gesetzgeberisch dafür ausgesprochen, das Thema nachhaltige Finanzanlagen in einen verbindlichen Gesetzestext zu schreiben. Es ist ein Novum, dass große Banken über Umwelt, Sozial- und Korruptions-Risiken berichten sollen. Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde muss zudem untersuchen, wie diese Gefahren im Risikomanagement der Banken berücksichtigt werden müssen. Das ist zusammen ein großer Schritt für grüne Finanzmärkte.
Noch immer sind einige europäische Banken zu groß und zu komplex, vor allem jedoch halten sie zu wenig hartes Eigenkapital. Um die Probleme zu großer und zu vernetzter Institute anzugehen, braucht Europa dringend weitergehende Reformen. Leider gab es für eine strengere leverage ratio ("Verschuldungsquote") oder harte Vorgaben zur Begrenzung von Risiken aus Schattenbanken keine Mehrheit."