Ein
neuer Skandal erschüttert die katholische Kirche: Im US-Bundesstaat
Pennsylvania sollen über 300 Priester in den vergangenen 70 Jahren mehr
als 1.000 Kinder missbraucht haben. Das gaben gestern die
Ermittlungsbehörden bekannt.
Der Generalstaatsanwalt von Pennsylvania, Josh Shapiro, sagte bei der
Offenlegung des Missbrauchsskandals: "Obwohl die Liste von Priestern
lang ist - wir denken nicht, dass wir alle gekriegt haben."
Die Ermittlungsbehörden haben gestern erschütternde Details über das
Ausmaß von sexuellem Missbrauch und dessen Vertuschung in der
katholischen Kirche der USA öffentlich gemacht. Der Missbrauch beträfe
mehr als 300 namentlich genannte katholische Priester sowie mehr als
1.000 Kinder.
Selbst wenn noch längst nicht alle Details aufgeklärt sind und davon
auszugehen ist, dass noch mehr Priester und Opfer betroffen sind, ist
dies der umfassendste Bericht zu Kindesmissbrauch innerhalb der Kirche,
der jemals in den USA veröffentlicht wurde. Der aufgedeckte Missbrauch
betrifft nur das Gebiet von sechs der acht Diözesen im Bundesstaat
Pennsylvania und einen Zeitraum von 70 Jahre. Man muss davon ausgehen,
dass sich die Situation im Rest der USA nicht davon unterscheidet.
In dem 884 Seiten starken Bericht, den Shapiro vorstellte, heißt es:
"Priester haben kleine Jungen und Mädchen vergewaltigt und die Männer
Gottes, die für sie verantwortlich gewesen wären, haben nicht nur nichts
getan - sie haben alles versteckt." Und weiter: "Die Kirche hat ihre
Institutionen geschützt - kostete es, was es wolle." Wie in der
katholischen Kirche üblich, wurden straffällig gewordene Priester
routinemäßig in andere Gemeinden versetzt.
Der Generalstaatsanwalt sprach von einer "jahrzehntelangen
Vertuschung" durch ranghohe Kirchenobere in Pennsylvania und bis in den
Vatikan. Dadurch kann heute kaum einer der Fälle noch strafrechtlich
verfolgt werden, da fast alle der Taten verjährt sind. Nur zwei Fälle in
dem Bericht führten zu aktuellen Anklagen.
Im US-Bundesstaat Pennsylvania verjährt sexueller Missbrauch von
Minderjährigen, wenn das Opfer 30 Jahre alt wird. Auf Druck der Kirche
hat sich das Landesparlament bisher geweigert, das zu ändern.
Nach dem vorgelegten Bericht vergewaltigten und schwängerten Priester
auch junge Mädchen. In einem Fall sei eine Abtreibung arrangiert
worden. Der zuständige Bischof habe anschließend sein Mitgefühl
ausgedrückt - nicht mit dem Opfer, sondern mit dem Priester. "Es muss
eine sehr schwere Zeit für Sie sein."
Die Ermittlungen hätten auch "eine systematische Vertuschung durch
die Kirchenoberen in Pennsylvania und im Vatikan" belegt. Der Vorwurf
der Vertuschung richtet sich vor allem gegen Kardinal Donald Wuerl,
derzeit Leiter der Erzdiözese Washington und enger Vertrauter des
Papstes. Dieser wies die Anschuldigungen zurück und versicherte, er habe
sich in seinen 18 Jahren als Bischof von Pittsburgh für den Schutz von
Kindern eingesetzt.
Die Grand Jury unter der Führung von Generalstaatsanwalt Josh Shapiro
sprach mit Dutzenden mutmaßlichen Opfern und sichtete eine halbe
Million Akten.