Während
Papstbesuche im katholisch geprägten Irland üblicherweise Heimspiele
waren, interessierten sich für den Irland-Besuch von Papst Franziskus am
vergangenen Wochenende wesentlich weniger Iren als von der katholischen
Kirche erwartet. Nach dem Bekanntwerden immer schlimmerer
Missbrauchsskandale durch Würdenträger der katholischen Kirche in den
letzten Jahren waren die Iren auf den Besucher aus Rom nicht gut zu
sprechen.
Knapp 40 Jahre lang hatte kein Papst Irland besucht. Als Johannes
Paul II. 1979 auf die Insel kam, konnte er beim Massengebet noch über
eine Million Gläubige um sich scharen. Beim Besuch von Franziskus am
vergangenen Wochenende waren es etwa 130.000 Teilnehmerinnen und
Teilnehmer. Der Vatikan rundete großzügig auf 300.000 Gläubige auf.
Von 500.000 interessierten Gläubigen war nach der Bestellung der
Tickets im Juli dieses Jahres ursprünglich ausgegangen worden. Im Rahmen
eines organisierten Protestes namens "Say Nope to the Pope"
("Sag Nein zum Papst") hatten Menschen allerdings viele Gratis-Tickets
bestellt, um sie verfallen zu lassen und so ein klares Zeichen des
Protests gegen den Papstbesuch und die katholische Kirche zu setzen.
Irland hat sich verändert. Waren zur Zeit Johannes Pauls II. noch über 92 % der Menschen katholisch, so sind es heute etwa 76 %. Irland wurde in den letzten Jahren – ebenso wie Chile, die USA und zahlreiche weitere Länder – von Missbrauchs- und Vertuschungsskandalen in der katholischen Kirche
erschüttert. Der Papst traf sich daher auch mit Missbrauchsopfern
katholischer Geistlicher. Dieses Treffen, ein offener Brief des Papstes
an alle Gläubigen, in welchem er den Missbrauch als abscheulich
verurteilte, sowie eine Rede, bei der er Irland um Verzeihung auch für
weitere Verbrechen durch den Klerus und Angestellte der Kirchen bat,
reichten den Menschen jedoch nicht. Die Vorsitzende des
Selbsthilfevereins One in Four, Maeve Lewis, erklärte bereits vorab in irischen Medien, dass ein klarer Aufruf zum Handeln vermisst wird.
Bei seinem Irland-Besuch verpasste der Papst erneut die Chance, einen
Fahrplan zur Aufarbeitung geschehener Verbrechen und zur Verhinderung
künftigen Missbrauchs vorzulegen. Ein bekanntes Phänomen bei Franziskus:
Da er es vorzieht, sich modern zu geben, statt wirklich modern zu sein,
bleiben bei ihm Kritik und Tatendrang oberflächlich.
Der Besuch von Franziskus hat deutlich gezeigt, dass in Irland der
Protest gegen den Katholizismus wächst. Mehr und mehr Menschen lassen
die Kirche hinter sich. Neben dem Missbrauch vor allem Minderjähriger
durch katholische Amtsträger gibt es hierfür weitere Gründe. So zum
Beispiel die Positionen der katholischen Kirche zu Homosexualität,
Verhütung, Schwangerschaftsabbruch und Frauenrechten, die von der
Mehrheit der irischen Gesellschaft nicht mehr geteilt werden. Seit 1985
dürfen Kondome ohne Rezept gekauft werden und seit 1997 ist die Ehescheidung möglich. Im Jahre 2015 sprach sich die Mehrheit (62 %) der Irinnen und Iren für die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe aus. Im Mai dieses Jahres stimmte die Mehrheit der Bevölkerung ferner für eine Liberalisierung des Abtreibungsverbotes, sodass der Weg zur Etablierung einer Fristenregelung durch das Parlament frei wird.