Als Partei des linksliberalen Bürgertums haben die Grünen keine
Überschneidungen mit der AfD. Letztere verkörpert das konservativ
und nach rechts radikalisierte Bürgertum. Diese beiden Fraktionen des Bürgertums
stoßen sich voneinander ab, leben davon, dass sie sich gegenseitig kulturell
bekämpfen.
Die wachsende Arbeiter- und Erwerbslosenbasis der
AfD, die sich aus früheren SPD- und LINKE-Wählern sowie dem nach 1998
SPD-entfremdeten Nichtwählerlager speist, würde eine bürgerliche
Partei wie die Grünen nie wählen. Von daher müssen sich die
Grünen im Gegensatz zur LINKEN (oder der SPD) die Frage nicht stellen,
wie sie AfD-Wähler zurückgewinnen, ob das möglich oder sinnvoll
ist, geschweige denn, dass sie darüber öffentlich und hitzig diskutieren,
wie die Linke das tut.
Das wollen und brauchen die Grünen auch nicht.
Die LINKE muss Arbeiter*innen zurückholen, weil sie nur zusammen mit
ihnen soziale Gerechtigkeit durchsetzen kann. Die Anhänger der Grünen
sind dagegen bereits ökonomisch herrschend und haben entsprechend kein
Interesse, die Gesellschaft grundlegend zu verändern. Sie wollen nur,
dass sie besser, rationaler und geräuschloser verwaltet wird. Hinzu kommt,
dass Bündnis 90/Die Grünen ihre eigene Basis gerade dadurch bindet,
dass sie die Rechten für dumm, irre, reaktionär, für rassistisch,
sexistisch, nationalistisch, rückständig erklärt. So versichern
sie sich und der eigenen Basis, dass sie selbst die Guten, die Fortschrittlichen,
die Aufgeklärten, die Zivilisierten sind.
Die AfD wiederum müsste
die Grünen erfinden, wenn es sie nicht gäbe. Die Partei erklärt
sie und ihre Anhänger für gaga, kosmopolitisch und »versifft«.
Damit erscheinen die Grünen heute allerdings einer wachsenden Zahl von
Menschen, denen der Aufstieg der Rechten aus gutem Grund Angst bereitet, als
die konsequenteste Anti-AfD-Partei, obwohl sie eigentlich nur ihr eigenes Milieu
durch Abgrenzung nach rechts (was oft genug auch nach unten gegen die imaginierte
proletarische AfD-Wählerbasis meint) zusammenhalten. Dabei sind sie realpolitisch,
gerade unter ihren neuen Doppel-Realo-Führung, nicht nur in der Wirtschafts-,
Sozial- und Finanzpolitik weit rechts von der LINKEN, sondern auch in der Migrations-
und Asylpolitik weit weniger humanistisch und links verortet.
Die
Grünen haben im linksbürgerlichen Milieu noch Wachstumspotenzial.
Trotzdem sind die aktuellen Umfragen mit Vorsicht zu genießen. Zu erinnern
ist nicht nur an ihren Höhenflug kurz nach der Fukushima-Katastrophe, der
bei der Bundestagswahl zwei Jahre später in einem Katzenjammer endete.
Solche Umfragen zeigen eine abnehmende Parteienbindung, lassen sich aber nur
bedingt in reale Wahlergebnisse ummünzen. Allerdings spiegeln sie, wo sie
auf Kosten der SPD gehen, eine bürgerliche Hegemonie wider. Denn keine
Partei und keine Führungsfiguren stehen so sehr für das modernisierte
Mehrheitsbürgertum von heute wie das grüne Spitzenduo Robert Habeck
und Annalena Baerbock.
Auch die CDU nicht - vor allem dann nicht,
wenn sie sich in der Zeit nach Merkel und unter dem Druck der AfD weiter nach
rechts entwickelt. Es ist durchaus denkbar, dass die Christdemokraten in
diese Richtung gehen, weil sie den Spagat zwischen Stadt und Land, jung und
alt, Kosmopolitismus und Kommunitarismus nicht mehr hinbekommen. Von der CDU
können die Grünen also gewinnen. Und auch von der SPD, wenn diese
sich in der unbeliebten Großen Koalition weiter demütigen lässt.
Aber eine Volkspartei werden sie nicht. Denn Grün muss man sich leisten
können.
Das eigentliche Drama ist jedoch, dass das bürgerliche
Lager (Grüne, CDU/CSU, FDP, AfD) den Neoliberalismus, dem wir den Aufstieg
der Rechten verdanken, zementiert. Denn die SPD hätte mit ihrer (Fach-)Arbeiter-
und Angestelltenbasis wenigstens strukturell ein Interesse daran haben müssen,
sich zu resozialdemokratisieren. Aber die Grünen-Wähler sehen den
Neoliberalismus nicht, weil er sie kaum betrifft. (..)
Soweit aus dem ND. Das passt zu dem, was meinereiner immer sagt: Die
Linke kümmert sich nimmer wahrnehmbar um die Interessen der arbeitenden
Bevölkerung und diese wandert dadurch nach rechts ab, weil von links nichts
mehr für sie kommt! Daran ist auch die LINKE, deren Zentralorgan das ND
ist, durchaus mitschuldig!
Denn heute "links" zu sein bedeutet
überwiegend, keine Ahnung von der Realität zu haben, eben in der gehobenen
Wohlstandswelt zu leben, die ein gutes Gewissen durch eine Almosenpolitik für
möglichst alle Randgruppen und durch Asylantenhilfe erwirbt, von der realen
neoliberalen Welt aber kaum was wahrnimmt...