Auf dem Meinungsmarkt haben folgende Behauptungen Hochkonjunktur: 1. Es gibt
fast keine Arbeiter mehr. Und 2. Sehr viele Arbeiter sind dumm, weil sie die
FP wählen. Natürlich drückt man das in wohlgesetzten Worten aus.
Man verfolgt damit aber ein Ziel: Fortschrittliche Bewegungen sollen sich nicht
mehr vorrangig um die Arbeitswelt kümmern. Arbeiter sind aber keine Fabelwesen.
Gibt
es wirklich fast keine Arbeiter mehr? Wenn man die Dinge global betrachtet,
dann stimmt diese Aussage ganz und gar nicht. Es hat weltweit noch niemals so
viele Arbeiterinnen und Arbeiter gegeben wie jetzt. Das hängt mit der Industrialisierung
in Kontinenten wie Asien und Afrika und mit der Auslagerung einfacher Produktionsvorgänge
in die dritte Welt zusammen. Dort kann man Tag für Tag beobachten, was
Ausbeutung von Lohnarbeitern bis ins einundzwanzigste Jahrhundert hinein bedeutet.
Aber
auch bei uns nimmt die Zahl der Lohnabhängigen und der Arbeiter im engeren
Sinn nicht ab. Allerdings verändert sich die Zusammensetzung der Arbeiterschaft:
Mit der Entwicklung der Technik (genauer gesagt der Produktivkräfte) wandeln
sich die Arbeitsvorgänge von der Herstellung von Produkten durch Handarbeit
zur Kontrolle der Produktionsvorgänge. Arbeiter sind heutzutage gebildeter
und umfassender interessiert als ihre Vorfahren vor 100 Jahren. Und Arbeiten,
die sich nicht so einfach ändern lassen, werden vorrangig von Menschen
gemacht, die aus anderen Ländern zu uns gekommen sind. Man braucht nur
an einer Baustelle vorbeizugehen oder an einer Supermarktkassa zu stehen, dann
wird man das bemerken.
Zwei Drittel: Streiks gerechtfertigt.
Auch
der Interessengegensatz zwischen den Eigentümern von Fabriken und Konzernen
und ihren Beschäftigten wird bei jedem Stellenabbau und jeder Betriebssperre
sichtbar. Und im Kampf um jede Lohnerhöhung. Dieser Widerspruch ist
nicht verschwunden, er wird in der medialen Öffentlichkeit nur für
nicht vorhanden erklärt.
In der Bevölkerung, bei den arbeitenden
Menschen, ist eine Keimform des Bewusstseins für diesen Gegensatz aber
vorhanden. Das hat eine Umfrage im Dezember gezeigt. 64 Prozent der Gesamtbevölkerung
halten die Kampfmaßnahmen der Gewerkschaft und auch die Warnstreiks für
gerechtfertigt. Bei den FP-Wählern sind dies immerhin noch 59 Prozent.
(Profil, 17. 12. 2018). Zwei Drittel der Bevölkerung gehen der Meinungsmache
von Wirtschaftsbund und Industriellenvereinigung nicht auf den Leim.
Wie
ist das aber mit der FP und den Arbeitern? Allgemein gesehen sieht man ein
gespaltenes Wahlverhalten: Bei Betriebsrats- und AK-Wahlen gibt es deutliche
Mehrheiten für Listen, die mit der Arbeiterbewegung in Verbindung stehen,
bei allgemeinen Wahlen ist das seit einiger Zeit nicht mehr so.
Arbeiter
entscheiden Wahlen
Warum? Das ist zu erklären. Die SPÖ
hat als Regierungspartei die Arbeiter enttäuscht und selbst Sozialabbau
betrieben. Dabei ist sie eine Gefangene der EU, die diesen Sozialabbau vorschreibt.
Die FP hat in der Opposition diese Enttäuschung aufgegriffen und so getan,
als würde sie für "unsere Leute" da sein. In der Regierung
macht sie aber das genaue Gegenteil. Deshalb hat es bei der Einführung
des 12-Stundentages eine große Unruhe unter den facebook-Freunden von
Vizekanzler Strache gegeben. Wenn diese Menschen merken, dass die Einschnitte
bei der Mindestsicherung auch sie selbst treffen und nicht allein die Ausländer,
wird sich die Entfremdung von der FP noch verstärken. Der Rückgang
der FP in einigen Umfragen ist ein erstes Indiz dafür.
Übrigens:
Die ärgsten Rassisten in der FP-Anhängerschaft kommen immer noch aus
den Burschenschaften und aus kleinbürgerlichen Kreisen, die Angst vor dem
sozialen Abstieg haben.
Wen werden die Arbeiter aber dann wählen?
Wieder die SP, die in der Regierung versagt hat, die Grünen oder gar die
neoliberalen NEOS? Werden sie gar nicht zur Wahl gehen? Oder sehen einige von
ihnen die KPÖ und den GLB als sinnvolle Alternative an? Die Antwort auf
diese Frage kann Wahlen entscheiden. Arbeiter sind nämlich keine Fabelwesen.
Es gibt sehr viele von ihnen.