Die "Ufo-Religion": Ersetzen Außerirdische Gott?

Valentin Raskatov am 20.7.2019 auf https://de.sputniknews.com

Es gibt einen Glauben an Ufo und Aliens, der sich mit gängigen Religionen messen kann und diese seinerzeit sogar ersetzen könnte. Diese Überzeugung vertritt die Religionswissenschaftlerin Diana Walsh Pasulka in ihrem Buch "American Cosmic". Sputnik hat die Autorin zur "Ufo-Religion" befragt.

Gibt es Aliens irgendwo draußen im Weltall, weit von uns entfernt, die den Kontakt suchen oder schon mit ihren Raumschiffen unterwegs sind? Oder sind sie längst unter uns, maskiert oder von den Geheimdiensten von der Öffentlichkeit verheimlicht? Oder ist das Leben auf der Erde einzigartig und wir sind alleine im Weltall?

Bei der Beantwortung dieser spekulativen Frage scheint sich die Waagschale immer mehr auf die Seite des Glaubens an Außerirdische zu neigen. So glaubt nach einer YouGov-Umfrage aus dem Jahr 2015 über die Hälfte der Deutschen, der US-Amerikaner und der Briten an extraterrestrische Intelligenzen im Weltall. Das kommt in diesen Ländern nahezu an den Glauben an eine höhere Instanz heran - und ist für die Religionswissenschaftlerin Diana Walsh Pasulka von der University of North Carolina Wilmington mehr als Zufall.

In ihrem Buch "American Cosmic" stellt die Geisteswissenschaftlerin nicht nur dar, dass der Glaube an Außerirdische bei jungen Menschen im Kommen ist, während traditionelle Religiosität zurückgeht. Sie zeigt auch, dass es einige Parallelen gibt, die den Alienglauben als eine Art neue Religion erscheinen lassen.

"Im Wesentlichen geht es mir in "American Cosmic" darum, dass sich mit der Gesellschaftsstruktur auch unsere religiösen Überzeugungen und Praktiken ändern", erklärt die Autorin ihr Vorhaben gegenüber Sputnik. "Es gibt heute neue Religionsformen wie ‚fiktionsbasierte Religionen‘, die etwa auf Filmen beruhen. Das unterscheidet sich offensichtlich sehr stark von traditionellen Religionen, die für gewöhnlich auf historischen Ereignissen und Personen beruhen. Ich wollte am Fallbeispiel Ufo und den Glauben an diese neue Art der Glaubenssysteme untersuchen."

Glaube an Außerirdische ist älter als man denken könnte

Bei ihrer Beschäftigung mit dem Gegenstand machte die Forscherin eine unerwartete Entdeckung: "Menschen haben immer an Außerirdische geglaubt", stellt sie fest. Als Beispiele führt sie etwa das Buch "Die Erdkörper im Weltall" Wissenschaftlers und Mystikers Emanuel Swedenborgs aus dem 18. Jahrhundert an, in dem er eingebildete Bewohner der anderen Planeten unseres Sonnensystems schilderte und das sich schnell zum Bestseller aufschwang. Allgemein gelte, dass in den monotheistischen Religionen wie Judaismus und Christentum immer wieder auf Wesen hingewiesen werde, die vom Himmel kommen und mit den Menschen interagieren. Aus jüngerer Zeit führt Pasulka hier die "Engel-Katechesen von Papst Johannes II. aus den 80er-Jahren an, die zeigen sollen, "dass Mitglieder von Religionen in nichtmenschliche intelligente Wesen glauben, die in die menschliche Geschichte eingreifen".

Ist Alienglaube auch gleich Religion?

"Innerhalb der Geschichte des modernen Ufo-Glaubens gab es bereits Gründer von Ufo-Religionen. Propheten gibt es etwa beim Raelismus, aber es gibt auch gewöhnliche Menschen überall auf der Welt, die das Gefühl haben, im Kontakt mit nicht-menschlicher Intelligenz zu stehen", bemerkt Pasulka auf die Frage, was den Alienglauben zur Religion machen soll. Sie glaubt entsprechend, dass die neue Religion stärker zerstreut und weniger hierarchisch geordnet sein würde. Auch was die "Gläubigen" betrifft, gibt es kein konkretes Schema: Die einen halten die Wesen aus dem All für böse, die anderen sehen in ihnen die Erlöser der Menschheit, viele integrieren den Glauben an Aliens auch mit ein paar Kunstgriffen in die monotheistische Religion, der sie anhängen.

Ob das noch Religion sei? "Als Europäer und Amerikaner neigen wir dazu, uns unsere Religionen anzuschauen, um zu bestimmen, was Religion sei. Aber es gibt Religionen, die Dogmen vermeiden und keine ‚Götter‘ haben. In der Religionswissenschaft gibt es viele Definitionen von Religionen, die sich vom ‚Glauben in Geisterwesen‘ bis hin zu Sigmund Freuds Idee, Religion sei eine Form von Massenwahn, erstrecken", erklärt Pasulka hierzu.

Aus Sicht der Religionswissenschaftlerin liegt die Zunahme dieses speziellen Glaubens darin begründet, "dass wir immer größere Reisen im Raum zurücklegen und bereit sind, neue Welten zu erkunden". Auch die Medien seien "gesättigt von Bildern von Aliens und Ufo". Allerdings glaubt sie, dass dieses Bezugssystem, das die Medien geschaffen haben, nicht wirklich helfen würde, Aliens zu erkennen, denn diese "dürften meiner Ansicht nach so anders sein, dass wir sie überhaupt nicht erkennen würden".

Pasulka selbst war 2012, als das Buchprojekt begonnen wurde, atheistisch in Bezug auf Aliens veranlagt. Mittlerweile schätzt sie sich als "Agnostikerin" ein, ist also der Möglichkeit ihrer Existenz gegenüber offen eingestellt. Dafür hätten die vielen "Wissenschaftler und Menschen gesorgt, die sehr intelligent sind und viel geleistet haben, darunter Astronomen und Astrophysiker" und von der Existenz von außerirdischen Intelligenzen ausgehen.