Frage: Frau Müllner, (..) lässt sich aus der Bibel eine
Abwertung von Homosexualität herauslesen?
Müllner: Nein,
aus der Bibel lässt sich überhaupt nicht ableiten, wie man sich heute
als Christ oder als Christin mit Blick auf das Thema Homosexualität positionieren
muss. Erstens, weil die Bibel nichts über Homosexualität, wie wir
sie heute verstehen, aussagt. Und zweitens, weil die sexuellen Akte, die darin
beschrieben werden, immer in ihrem jeweiligen kulturellen und sozio-historischen
Kontext betrachtet werden müssen. Die Vorstellungen von einer homosexuellen
Partnerschaft gab es damals noch nicht. Davon spricht man erst seit Beginn des
19. Jahrhunderts.
Frage: Gerne werden Levitikus 18,22 und Römer
1,26-27 für eine negative Bewertung von Homosexualität herangezogen.
Müllner:
Man kann diese Stellen nicht gegen Homosexualität, wie sie heute verstanden
wird, heranziehen, denn es geht darin nicht um eine auf Dauer angelegte Liebesbeziehung
von Menschen gleichen Geschlechts. Das muss man wissen, bevor man solche Zitate
zur Argumentation heranzieht. Bei Levitikus wird abgelehnt, wenn ein Mann bei
einem Mann wie bei einer Frau liegt. Damit wird Analverkehr zwischen Männern
beschrieben. Doch es geht hier nicht um eine homosexuelle Beziehung. Es geht
um einen Geschlechtsakt, der verurteilt wird, weil er nicht als gemeinschaftsförderlich
angesehen wird. Das wird aus dem Kontext deutlich, wo unter anderem auch der
Geschlechtsverkehr mit einer menstruierenden, also zu diesem Zeitpunkt nicht
fruchtbaren Frau, abgelehnt wird. Aus der erzählenden Literatur wird oft
auf Genesis 19 verwiesen. Hier sollen Gäste, die in die Stadt Sodom, daher
der Begriff Sodomie, kommen, durch Sexualverkehr gedemütigt werden. Es
geht wieder nicht um homosexuelle Beziehungen. Stattdessen sollen Männer
durch eine Gruppe anderer Männer vergewaltigt werden. Es geht also um fremdenfeindliche
Gewalt. Bei dieser Bibelstelle wird der Zusammenhang von Sexualität und
Macht deutlich. Mit diesem Zusammenhang müssen wir uns ja gerade auch im
Hinblick auf den Missbrauchsskandal auseinandersetzen.
Es hatte daher nix mit Homosexualität und Homosexuellen zu tun, wenn
in Lev 18,22 steht, "Du darfst nicht mit einem Mann schlafen, wie man mit
einer Frau schläft; das wäre ein Gräuel."
Und wenn
dann über "Gräuel" in Lev 18, 29-30 steht: "Alle
nämlich, die irgendeine dieser Gräueltaten begehen, werden aus der
Mitte ihres Volkes ausgemerzt. Achtet auf meine Anordnungen, befolgt keinen
von den gräulichen Bräuchen, die man vor euch befolgt hat, und verunreinigt
euch nicht durch sie. Ich bin der Herr, euer Gott."
In unseren
Breiten wurden Männer, die mit einem Mann schliefen, wie man mit einer
Frau schläft, letztmalig in der Nazizeit aus ihrem Volk ausgemerzt,
weil der Hitler hielt sich noch an Gottes Wort! In Österreich war Homosexualität
aus dieser Gräuelpraxis noch bis in die 1970er-Jahre strafbar gewesen,
dann wurde 1971 das von der damaligen SPÖ-Regierung unter Kreisky abgeschafft.
Das Delikt hatte geheißen "Unzucht wider die Natur mit demselben
Geschlecht". Die katholischen Bischöfe wurden wegen der Abschaffung
des Strafparagraphen von Sorgen geplagt, sie befürchteten wegen der Entkriminalisierung,
dass Homosexualität "zur Mode" werden könnte. Denn die Bischöfe
hatten ja in der Bibel Gottes Wort über die homosexuellen Gräuel.
Und sie wussten wohl auch, dass es unter Geistlichen überproportional viele
Homos gab...
Im Römerbrief von Paulus steht in 1,27 "ebenso gaben die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau auf und entbrannten in Begierde zueinander; Männer trieben mit Männern Unzucht und erhielten den ihnen gebührenden Lohn für ihre Verirrung." Nach einer Reihe von Beschimpfungen steht im Vers 32, "Wer so handelt, verdient den Tod." Und das hat laut Frau Müllner nichts mit einer biblischen Verurteilung der Homosexualität zu tun, weil von homosexueller Partnerschaft steht nichts in der Bibel. Dass das damit zusammenhängt, dass damals Homosexualität ein Ausmerzungsdelikt war, darauf kommt im 21. Jahrhundert eine Bibelwissenschaftlerin nicht. Weil heute die Homosexualität anders verstanden wird und in der Bibel das Wort "Homosexualität" nicht vorkommt, sondern nur homosexuelles Verhalten beschrieben wird? Laut göttlicher Bibelvorschrift waren Männer, die mit einem Mann schliefen, wie man mit einer Frau schläft, aus dem Volke auszumerzen, bzw. hatten Männer die mit Männern Unzucht trieben, den Tod verdient. Aber in der Bibel steht keine Stelle, die Homosexualität verurteilt!???
Vielleicht könnt sich Frau Müllner auch noch damit befassen, dass der Jesus die Sklaverei als Selbstverständlichkeit nahm. Steht wahrscheinlich auch nicht in der Bibel. Und dass Sünder und Ungläubige ins ewige Höllenfeuer kommen, dazu könnte Frau Müllner bestimmt auch was Himmlisches schreiben!