100 Jahre Boris Vian

Verzögert durch die Corona-Geschichten kommt meinereiner erst heute am 18.3.2020 dazu an einen Lieblingsautoren zu erinnern, an den französischen Jazztrompeter, Chansonnier, Schauspieler und Schriftsteller Boris Vian,
geboren am 10. März 1920 in Ville-d’Avray,
gestorben am 23. Juni 1959 in Paris.


Bild: Archives de la Cohérie Boris Vian, PD Wikipedia - CC BY-SA 3.0

Gelesen hat meinereiner seinerzeit die Bücher von Vian erst nach dessem frühen Herztod, denn sie erschienen damals in deutscher Sprache erst ab 1964 im Verlag Karl Rauch, hier meine drei Lieblingsbücher von Vian:


1946 erschien sein heute bekanntestes Werk, der Roman L'Écume des jours (dt. Der Schaum der Tage), auf deutsch hieß der Roman im Rauch-Verlag nach der weiblichen Hauptfigur "Chloé", der Originaltitel wurde erst in späteren Auflagen verwendet, auch in der Variante "Die Gischt der Tage". Das Buch zählt in Frankreich zu den 100 wichtigsten Romanen, es schildert eine surreale Liebesgeschichte. Der junge Dandy Colin widmet sich den schönen Dingen des Lebens, wozu für ihn neben der Liebe und exquisitem Essen die Musik von Duke Ellington gehört. Auf einem Fest lernt er die schöne Chloé kennen - und verliebt sich unsterblich. Ihre Hochzeit feiern sie mit einem rauschenden Fest, aber das Glück ist nicht von Dauer. Chloé wird von einer rätselhaften Krankheit befallen: Eine Seerose wächst in ihrer Brust. Das Große an diesem Buch ist, dass die veränderten Lebens- und Beziehungsverhältnisse sich als Veränderungen der Umwelt manifestieren, Gefühle, Ängste, Hoffnungen werden zu einer surrealen Realität im Sein, meinereiner traut sich auch Jahrzehnte nach der Lektüre des Buches zu sagen, dass diese Verschiebungen und Umkehrungen der Wirklichkeit unglaublich faszinieren...

Das Buch wurde mehrmals verfilmt, zuletzt 2013:


Jacquemort ist Psychiater, er fühlt sich selber leer und versucht sich daher mit den Wünschen und Sehnsüchten von anderen zu füllen, sein Mangel an Patienten führt dazu, dass er seine Katze psychoanalysiert - dann wird er doch noch anderweitig gebraucht. Im Haus am Steilhang ist eine Geburt im Gang; und kein Arzt weit und breit. Nachdem die Drillinge geboren sind, will die Mutter erst nichts mit ihnen zu tun haben - und schon gar nichts mehr mit dem Vater. Jacquemort wird mit diversen Aufgaben betraut; so macht er sich immer wieder auf den Weg in das Dorf, um alles Nötige für die Kinder zu besorgen. Dieses Dorf ist jedoch ein Kapitel für sich; Lehrlinge sind ein Verschleißartikel, alte Leute werden auf dem Markt versteigert, Zuchthengste gekreuzigt, weil sie Unzucht betrieben haben, Katzen können sprechen und auch psychoanalysiert werden, und für das Schamgefühl bezahlt man eigens einen Mann. Jacquemort, der Psychiater, versucht, zumindest einiger Seelen habhaft zu werden, die er analysieren kann - und sich somit selber füllen. Doch außer einer Katze findet er nur noch einen, der dazu bereit ist - und ausgerechnet dessen Platz muss er dann auch übernehmen...


Der Romantitel passt zu Vian, denn das Buch spielt weder im Herbst noch in Peking. Amadis Dudu will wie jeden Morgen den Bus zum Büro nehmen, landet jedoch unfreiwillig in der Wüste Exopotamien. Er nistet sich im einzigen Hotel ein und plant den Bau einer Eisenbahnlinie. Seine Firma schickt Material und Mitarbeiter: die Ingenieure Angel und Anne, deren Freundin Rochelle, Professor Frißfrist, einen Arzt und Modellflugzeugbauer, sowie einen wenig geschätzten Vorarbeiter. Verzwickte Beziehungen bahnen sich an: zwischen Menschen und beißenden Stühlen, zwischen Sekretärinnen und Päderasten, Eremiten und Negerinnen, Brimmen und Bummern. Also wieder eine verrückte, surreale Welt...

1954 verursachte Boris Vian mit dem Lied Le déserteur einen großen Skandal: ein pazifistisches Lied, in dem er angesichts der französischen Niederlage in der Schlacht von Đin Biên Ph während des Indochinakrieges und der Teilmobilisierung der französischen Armee für den Algerienkrieg zur Fahnenflucht aufrief, womit er den Zorn der Nationalisten und der Justiz auf sich zog. Le déserteur wurde 1955 verboten.


Hier die deutsche Version des Liedes von Zupfgeigenhansel:

Und als Abschluss Trompetenmusik von Boris Vian, "Sheikh of Araby":