Erstmals in Österreich ist es gelungen, bei einer Enquete eines Ministeriums über ein die Allgemeinheit stark interessierendes Thema eingeladen zu werden. Nachdem das Dialogforum angekündigt wurde und die Teilnahme fast aller Religionsgemeinschaften durchsickerte, hat sich das Präsidium um eine Teilnahme bemüht, mit dem Hinweis, dass in der Vorankündigung schon auf die Teilnahme aller gesellschaftlichen Gruppen hingewiesen wurde. Sich darauf berufend, hat das Präsidium auf eine Teilnahme bestanden und ist schließlich eingeladen worden. Wir hoffen, dass diese Teilnahme eine neue Tradition begründet, das nämlich auch Humanisten wie selbstverständlich kommen dürfen, wenn alle Religionsvertreter eingeladen werden. Unser Sprecher Dr. Engelmayer wird uns vertreten.
Im Zuge der Einladung wurde uns auch eine Punktation geschickt und diese möchte ich mit den Mitgliedern teilen, um sicherzustellen, dass jeder die Gelegenheit hat, Vorschläge und Ideen einzubringen und sie dem Präsidium mitzuteilen. Hier der vollständige Text:
Punktation – Dialogforum Sterbehilfe
Ausgangslage
Mit Entscheidung vom 11.12.2020 zu G 139/2019-71 hat der VfGH die Wortfolge "oder ihm dazu Hilfe leistet" in § 78 StGB mit Wirkung ab 1.1.2022 als verfassungswidrig aufgehoben. Ohne Maßnahmen des Gesetzgebers wäre das komplexe Gebiet der passiven Sterbehilfe künftig nicht näher geregelt.
Eine Regulierung dieses Bereichs wirft einige Fragen und Probleme auf. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit geht es dabei etwa um folgende Belange:
1) Ausbau der Verfügbarkeit Palliativ- und Hospizversorgung
Der
VfGH fordert, die Palliativ- und Hospizversorgung so auszubauen, dass Unterschieden
in den Lebensbedingungen der betroffenen Menschen entgegengewirkt werden kann
und allen ein Zugang zu palliativmedizinischer Versorgung offensteht (VfGH am
11.12.2020 G 139/2019-71 Rz 102). Hier stellt sich die vor allem gesundheitspolitische
Frage, welche Lücken in der Versorgung bestehen und wie diese geschlossen
werden können.
2) Sicherstellung des freien und selbstbestimmten Willens
Der VfGH
hat den Gesetzgeber aufgefordert, Sicherungsinstrumente zur Verhinderung von
Missbrauch vorzusehen, damit die betroffene Person ihre Entscheidung zur Selbsttötung
nicht unter dem Einfluss einer dritten Person fasst (VfGH am 11.12.2020 G 139/2019-71
Rz 70, 99). Der oder die helfende Dritte soll eine hinreichende Grundlage dafür
haben, dass die sterbewillige Person tatsächlich eine auf freier Selbstbestimmung
gegründete Entscheidung zur Selbsttötung gefasst hat (Rz 85).
Wie
kann ein Verfahren geschaffen werden zur Sicherstellung, dass der Entschluss
auf freier Selbstbestimmung beruht, ihm also ein aufgeklärter und informierter
Willensentschluss zugrunde liegt, und dieser Entschluss dauerhaft ist?
Soll
ein Aufklärungs- bzw. Beratungsgespräche durch Ärztinnen und/oder
Psychologinnen eine Voraussetzung für die Inanspruchnahme des assistierten
Suizids sein?Soll der Entschluss zur Inanspruchnahme assistierten Suizids zu
Beweiszwecken von einer dritten Person (in Frage kommen z. B. jene Personen,
die mit der Errichtung einer Patientenverfügung betraut sind, Rechtsanwältinnen,
Notarinnen, Ärztinnen, bestimmte Vereine) dokumentiert werden müssen?
Soll diese Person auch die Entscheidungsfähigkeit der sterbewilligen Person
beurteilen und dokumentieren? Soll für die Sicherstellung des dauerhaften
Entschlusses eine Frist vorgesehen werden? Soll der Entschluss "auf Vorrat"
gefasst werden können und eine bestimmte Geltungsdauer haben?
3) Wer darf Sterbehilfe in Anspruch nehmen? Jede (volljährige) entscheidungsfähige Person? Alle unheilbar kranken Personen? Psychisch kranke Personen? Nur todkranke Personen? Wie weit wäre eine Einschränkung verfassungskonform?
4) Wie darf Sterbehilfe geleistet werden? Auf jede Art, die vom Willen der sterbewilligen Person getragen ist? Durch im Gesetz aufgezählte Methoden? Nur durch die Verschaffung und/oder Hilfe bei der Einnahme eines bestimmten letalen Präparates? Wie weit wäre eine Einschränkung verfassungskonform? Sollen auch nach der Neuregelung illegale Beihilfeleistungen sanktioniert werden und wenn ja, wie?
5) Wer darf Sterbehilfe leisten? Jede (volljährige und entscheidungsfähige) Person? Angehörige? Vertrauenspersonen? Betreuungspersonen? Ärzte? Vereine?
Absicherung der Gewissensfreiheit?
6) Staatliche Überwachung – Zertifizierung von Beratungsstellen?
Soll
es Beratungsstellen für Sterbehilfe geben? Sollen diese verpflichtend oder
fakultativ in Anspruch genommen werden? Sollen diese staatlich zugelassen (zertifiziert)
werden?