Ein neues Virus aus Russland sollte 2021 weltweit die Gehirne
von Menschen infizieren und diese in Zombies verwandeln – was
wie das Sujet eines billigen Horrorfilms klingt, war Ende 2020 in diversen europäischen Boulevardmedien als
Voraussage für das jetzt ablaufende Jahr zu lesen. Diese und andere weltweite
Katastrophen – zum Beispiel der Einschlag eines Asteroiden auf der Erde –
wurden dem Renaissance-Dichter Nostradamus zugeschrieben und erwiesen sich –
erwartungsgemäß – als absoluter Humbug. Auch sonst lieferte die alljährliche
Auswertung esoterischer Zukunftsprognosen wenig Greifbares und wie üblich keine
überraschenden Treffer.
Natürlich war zum Jahreswechsel 2020/21 Corona ein häufiges Thema in den
Prognosen von Wahrsagern, Hellsehern und Astrologen. "Hier hielten
sich optimistische Prognosen eines baldigen Endes der Pandemie und Warnungen
vor weiteren, schlimmeren Auswirkungen in etwa die Waage" berichtet der
Mainzer Mathematiker Michael Kunkel, der Prognosen dieser Art seit 20 Jahren
für die GWUP sammelt und auswertet. So sahen die Astrologin Christine
Dittrich-Elm und ihr
Kollege Roland Jakubowitz das Ende
der Pandemie im Frühjahr 2021, während andere – wie die amerikanische Wahrsagerin Judy
Hevenly – noch Auswirkungen
bis in die folgenden Jahre voraussagten. Die absoluten Wahrversager beim
Thema Corona kamen jedoch aus den Reihen der sogenannten Querdenker:
Ob Abschaltung des Internets (mehrfach), Sperre der Stromversorgung in Deutschland
oder Tod aller Geimpften im September – mit solchen Prophezeiungen machten
sich die Protagonisten eher lächerlich.
Der Wahltermin, die Geburtsdaten der Kandidaten und der Kandidatin – einige
Astrologen nahmen die Bundestagswahl in den Fokus ihres Blicks in die Sterne.
Warum Peter-Johannes Hensel am Wahltermin
zweifelte, blieb unklar, sein Kollege Malkiel Dietrich hielt den Wahltermin
für schlecht gewählt, plädierte für eine Verschiebung und sah 25 % der Stimmen
bei der AfD. Für Taufiq Mempel war Armin Laschet
"bis 2024 der Mann für diese Zeit", zu einem möglichen Wahlergebnis
äußerte er sich jedoch nicht. Für Kunkel eine kluge Strategie: "Mit
genauen Prognosen kann man falsch liegen, solange man sich nur rein astrologisch
äußert, kann man sich zumindest nicht blamieren." Ein Gegenbeispiel liefert
die Kartenlegerin Silvie Kollin, die im Januar Markus Söder als nächsten
Bundeskanzler erpendelte und damit ebenso daneben lag wie die von einem Radiosender
spaßeshalber befragte Orakelhündin Lucy.
In der Regenbogenpresse dominierten bei den dort üblichen Promi-Prognosen die
bekannten Themen Liebe, Gesundheit oder Karriere sowie – bei jungen Familien
aus Königshäusern – die Vorhersage von Nachwuchs. Treffer sind dabei nicht
ausgeschlossen, Fehlprognosen aber auch nicht, selbst dann, wenn sie mehrfach
vorausgesagt wurden. In den USA ließen sich weder Melania und Donald Trump
scheiden, noch trat Joe Biden vom Präsidentenamt zurück (Nikki Pezzaro und andere)
und auch Queen Elizabeth ist weiter im Amt, obwohl ein Wechsel an der Spitze
des britischen Königshauses seit Jahren zu den Standardprognosen gehört.
Zum Standard gehören seit einiger Zeit auch kurze Astrologiebeiträge in verschiedenen
Lifestylemagazinen. Keine Woche vergeht ohne Listen von Sternzeichen, denen
Eigenschaften – mal positiv, mal negativ – zugeschrieben werden. Wenn dann
ein und demselben Sternzeichen in verschiedenen Artikeln die Eigenschaften "nicht
so schlau" und "besonders gebildet" zugeordnet werden, kann sich
Kunkel ein Lächeln nicht verkneifen. "Ich hoffe ja, dass die Leserinnen
und Leser diese Art von Fastfood-Vorurteilen nicht allzu ernst nehmen. Es mag
sich ja gut anfühlen, wenn man als 'besonders umweltbewusst' klassifiziert
wird – bei 'extrem arrogant' oder 'total unhöflich' dürfte das
eher nicht der Fall sein."
Hintergrundinfos
zur Prognosenauswertung
Die GWUP dankt an dieser Stelle Michael Kunkel ganz herzlich für 20 Jahre Prognosenauswertung.
Wir freuen uns auf die nächsten 20 Jahre mit ihm!