Das HEUTE kommt aus dem GESTERN: Auch und gerade der Ukraine-Krieg zeigt, dass sich das HEUTE aus dem GESTERN speist: Der Krieg hat eine lange Vorgeschichte, ohne die er nicht zu erklären ist. Es mag aktuell müßig erscheinen, sich an das "Kiewer Rus" zu erinnern, jenes sagenumwobene mittelalterliche altostslawische Großreich, das in und um Kiew, sowohl die heutigen Russen wie auch die heutigen Ukrainer hervorgebracht hat. Und doch läge genau hier ein Schlüssel zur Lösung des heutigen Krieges. Aber solange Politiker wie die flüchtig gebildete Annalena Baerbock, die deutsche Außenministerin in der UN-Vollversammlung dem russischen Außenminister "dreiste Lügen" vorwirft, statt sich mit der Rolle des Westens im Vorfeld des Krieges zu beschäftigen, so lange wird Öl ins Kriegsfeuer gegossen. Als Brandbeschleuniger betätigt sich auch die ÈU: Der Rat der Europäischen Union hat eine Verordnung veröffentlicht, nach der jede Verbreitung der Sendungen und Inhalte von RT und Sputnik untersagt ist. Die Verordnung tritt mit ihrer Veröffentlichung in Kraft.
Der Rat der Europäischen Union hat heute eine Verordnung veröffentlicht, nach der jede Verbreitung der Sendungen und Inhalte von RT und Sputnik untersagt ist. Die Verordnung tritt mit ihrer Veröffentlichung in Kraft.
Jelzin: Russischer NATO-Beitritt als langfristiges Ziel
>Es war ausgerechnet die FAZ, die sich im Mai des letzten Jahres erinnerte,
dass der russische Präsident Boris Jelzin einen russischen NATO-Beitritt zum
"langfristigen politischen Ziel" erhob. Und In der Nato-Russland-Grundakte
aus dem Mai 1997, einer Absichtserklärung beider Partner, hieß es sogar: "Die
Nato und Russland betrachten einander nicht als Gegner. Sie verfolgen gemeinsam
das Ziel, die Spuren der früheren Konfrontation und Konkurrenz zu beseitigen
und das gegenseitige Vertrauen und die Zusammenarbeit zu stärken." Angesichts
des damals üblichen Verschiebens russischen Volksvermögens in den Westen sah
es so aus, als könne man die Rohstoffe Russlands ohne Druck einsacken, als
reiche es, den Russen Honig um den Bart zu schmieren. Mit genau diesem Sowjet-Ausverkauf
machte Wladimir Putin Schluss. Das können ihm die Rohstoff-Interessenten im
Westen bis heute nicht verzeihen.
Kein "Ende der Geschichte"
Die krasse Zweiteilung der Welt, in einen westlich von den USA beherrschten
kapitalistischen Block und einen von der Sowjetunion dominierten sozialistischen
Block schien in den 90er Jahren zu Ende zu gehen. Francis Fukuyama annoncierte
das "Ende der Geschichte" und aus der sozialistischen Sowjetunion
wurde das kapitalistische Russland. Aber spätestens im Jugoslawienkrieg wurde
mit der tagelangen Bombardierung Belgrads durch die NATO klar: Der Westen setzte
nicht nur auf die freiwillige Preisgabe der im ehemals sozialistischen Boden
lagernden Rohstoffe und das von den sozialistischen Regimes organisierte politische
und militärischen Netzwerk. Man wollte den ganzen Kuchen, möglichst jeden
Krümel.
Der Dealer ist gern bewaffnet
Länder, die gestern noch im "Warschauer Pakt", dem sozialistischen
Militärbündnis Mitglieder waren, wurden Zug um Zug zu NATO-Mitgliedern. Die
NATO, ursprünglich ein Bündnis gegen den sozialistisch firmierenden Osten,
verleibte sich ein Land nach dem anderen ein, obwohl der Grundwiderspruch zwischen
Kapitalismus und Sozialismus durch die Auflösung des sozialistischen Blocks
längst erledigt schien. Was geblieben war, war die Gier nach Märkten und Rohstoffen.
Und was der Kapitalismus aus seiner Kolonisations-Geschichte bestens wusste:
Man kauft und verkauft besser, wenn der Dealer bewaffnet ist. Zugleich brauchten
die neuen Milliardäre in Russland und anderswo viel Geld für den Kauf von
Fussballklubs und ihr schönes Leben an der Cote d'Azur. Der Systemwiderspruch
war verschwunden, der Widerspruch konkurrierender Kapitalfraktionen ist an seine
Stelle getreten.
Können die Russen den Krieg gewinnen?
"Times New Roman"'>Kann die Gruppe um Putin, können die Russen
den Krieg gewinnen? Der konventionelle Krieg braucht Soldaten. Nur wenn ein
Volk bereit ist, seine Kinder in den Krieg zu senden, kann Putin einen Krieg
gewinnen. Im März 2020 wurde eine Verfassungsänderung vorgeschlagen, um die
bisherigen Amtszeiten Putins zurückzusetzen und ihm zu ermöglichen, bis 2036
Präsident zu bleiben. Die Änderungen wurden in einer gesamtrussischen Abstimmung
von fast 78 Prozent der Russen angenommen. Putins Popularität basiert darauf,
dass er, anders als Jelzin, die Zahlung von Renten und Löhnen sicherte. Zur
Zeit gibt ihm die Mobilisierung des Patriotismus einen weiteren Schub. Das wird
sich ändern, wenn den Eltern die ersten Särge als Kriegsprodukte ins Haus
geschickt werden.
Bedrohung der Russen geht seit Jahren von der NATO aus
"Times New Roman"'>Was geht der Krieg die Deutschen an? Die
Angst vor einem Welt-Krieg wächst in den Umfragen. Einen Nato-Beitritt der
Ukraine fände nur eine Minderheit von 45 Prozent gut. Aber im Ergebnis der
Medien-Mobilisierung befürworten 78 Prozent der Befragten die deutschen Waffenlieferungen
an die Ukraine und auch die Aufrüstung der Bundeswehr. Die Kriegsgefahr bleibt.
Für alle Beteiligten wäre ein schnelles Ende des Krieges gut. Die russische
Führung wäre gut beraten, wenn sie an die gemeinsamen historischen Wurzeln
der Russen und Ukrainer erinnern würde. Wer im Westen lebt, wäre gut beraten,
wenn er sich klar machen würde, dass die Bedrohung der Russen seit Jahren von
der NATO ausgeht. Wer Verstand hat und ein Erinnerungsvermögen, der kennt die
Blutspur der NATO: Von Afghanistan über Jugoslawien bis zum Irak, bis Syrien
und Libyen.