Russlands Einmarsch in die Ukraine

Hartmut Krauss schon am 3. März 2022 auf  https://hintergrund-verlag.de/ - von meinemeinen erst am 1.4. entdeckt, obwohl es keine Aprilscherz ist:

Der kriegerische Einmarsch Russlands in die Ukraine über die Grenzlinien der Volksrepubliken Donezk und Lugansk hinaus und die daraus resultierenden menschlichen Tragödien (Tote, Verletzte, Flüchtlinge etc.) stoßen zu Recht auf Kritik und nachvollziehbare Empörung. Damit hat sich Russland trotz durchaus berechtigter nationaler Sicherheitsinteressen schuldig und sanktionspolitisch angreifbar gemacht. Besonders abstoßend ist in diesem Rahmen u. a. auch der Einsatz von islamisch-tschetschenischen Kampfeinheiten auf russischer Seite. Diese sollen laut vorliegenden Meldungen den Befehl erhalten haben, ukrainische Beamte zu verhaften oder zu töten. Berichtet wurde auch, dass der Tschetschenen-General Magomed Tushayev bei den heftigen Gefechten um den Flugplatz Hostomel bei Kiew getötet worden sei.
Ein dialektischer Effekt der russischen Invasion ist aber auch die kollaterale Stärkung globalkapitalistischer Herrschaftssicherungsinteressen. Sie ermöglicht den westlich-kapitalistischen Regierungen - allen voran Deutschland - erstens eine "Zeitenwende" hin zu einem neomilitaristischen Hochrüstungsstaat einzuleiten und der Bevölkerung die entsprechenden Belastungen aufzubürden. So soll Deutschland nach den Worten des "liberalen" Finanzministers (!) im Laufe dieses Jahrzehnts mit Hilfe eines 100-Milliardenpakets eine der schlagkräftigsten und am besten ausgerüsteten Armeen in Europa bekommen, während die CDU-Opposition für die Wiedereinführung der Wehrpflicht plädiert - womit wohl über die "friedenspolitische Perspektive" der nächsten Jahre alles gesagt ist.
Kein Wunder, dass infolge dieser Verheißungen die Aktienkurse der Rüstungskonzerne umgehend explodieren ].
Zweitens wird die Gelegenheit genutzt, eine politisch-ideologische Generalmobilmachung nach allen Regeln medial-massenpsychologischer Gleichschaltung und Schwarz-Weiß-Malerei durchzuführen, um auf diese Weise die gespaltene Gesellschaft im Sinne einer antirussischen Wutgemeinschaft zu reintegrieren. Drittens lassen sich mit Hilfe der nunmehr omnipräsenten Kriegsberichterstattung wesentliche kontroverse Themen wie Islamisierung und Migrationspolitik, Corona-Verordnungen und Impfplicht etc. vortrefflich aus dem öffentlichen Bewusstsein entfernen, die aber dennoch weiterhin ihre negativen Wirkungen entfalten. Viertens spielt das Geschehen unmittelbar den US-amerikanischen Interessen in die Hände, nämlich das Nord-Stream-2-Projekt zu beseitigen und in Europa Fracking-Gas zu vermarkten.
Unterbelichtet bleibt zudem Folgendes: Im Gegensatz zu den gerade in Deutschland nachwirkenden russlandfeindlichen Dämonisierungen in der Tradition des hitlerfaschistischen "Antibolschewismus" und des atlantischen Antisowjetismus der Kalten-Kriegs-Ära ist Putin - im Gegensatz zu manch westlichen Bündnisdespoten aus dem Orient - nicht "verrückt". Nicht nur aus der Perspektive des postsowjetischen russischen Herrschaftssystems mit Putin als autokratischem Regenten ist die Ukraine (mit ihrem speziellen "prowestlichen" Oligarchen-Regime) ein Vasallenstaat und Vorposten der USA sowie der NATO mit der EU als Juniorpartner. Die Ukraine ist keinesfalls eine einheitlich-harmonische und freiheitlich-demokratische Nation, wie sie jetzt in den Medien im Sinne der Schwarz-Weiß-Propaganda gezeichnet wird. Empfehlenswert dazu dieser informative Text: https://www.rubikon.news/artikel/die-ukrainische-vorgeschichte.
Diesen Vorposten der als provokant empfundenen vorgerückten "atlantischen Vorwärtsverteidigung" gilt es aus russischer Sicht nun auszuschalten. Putin selbst sieht das so: "Es ist bekannt, dass wir 30 Jahre lang beharrlich und geduldig versucht haben, uns mit den führenden NATO-Staaten über die Grundsätze einer gleichberechtigten und ganzheitlichen Sicherheit in Europa zu einigen. Unsere Vorschläge wurden entweder mit zynischen Täuschungen und Lügen oder mit Druck und Erpressungsversuchen erwidert. Währenddessen wurde das Nordatlantische Bündnis trotz all unserer Proteste und Bedenken immer weiter ausgebaut." [
Daraus ergibt sich keine Rechtfertigung für Putins aktuelles Handeln, aber eine diplomatisch und verhandlungspolitisch zu berücksichtigende Erklärung für dessen Vorgehen. Stattdessen werden die Verschärfung der Sanktionen, die Waffenlieferungen, die von Lindner offiziell ausgerufene Hochrüstung Deutschlands zu einem militärischen Musterstaat etc. die Lage für Europa (nicht für die USA) kurz-, mittel- und langfristig eher verschärfen und das Leid in der Ukraine nicht lindern, sondern vielmehr vermehren und verlängern.
Die USA und die EU wollen offensichtlich keine Verhandlungslösung, sondern einen profitablen Stellvertreter- und Abnutzungskrieg, der sich massenpsychologisch und ideologisch zur Ruhigstellung und Ablenkung der eigenen Bevölkerungen ganz im Sinne der "neuen Normalität" instrumentalisieren lässt.
Trotz aller berechtigten Kritik am kriegerischen Vorgehen Russlands sollte man unbedingt einen klaren Kopf behalten und sich unter dem Eindruck des massenmedialen Trommelfeuers nicht zu einer politisch-ideologisch undistanzierten Kumpanei mit den westlich-globalkapitalistischen Herrschaftsträgern, ihren Parteien, Medien, supranationalen Institutionen, strategischen Bündnissen und ideologisch-psychologischen Propagandafeldzügen verleiten lassen.
Denn diese Kräfte sind es, die gestern, heute und morgen statt Sanktionen für Allianzen mit den extrem menschenrechtsfeindlichen islamischen Despotien und Diktaturen stehen, diese zukünftig noch stärker mit Waffenlieferungen bestücken werden, im Inneren die Islamisierung mit demagogischen Narrativen absichern (Islamkritik=Rassismus), nach wie vor eine destruktive Migrationsagenda für Europa verfolgen, die ein repressiv-irrationales Pandemieregime mit skandalösen Grundrechtseinschränkungen und zahlreichen sozialökonomischen Verwerfungen errichtet, eine wirklich demokratische Öffentlichkeit weitestgehend vernichtet und durch eine "politisch-korrekte" Zensurgesellschaft ersetzt haben etc. Das Ganze "unterfüttert" mit einer heillos zerspaltenen und absolut kopflosen Zivilgesellschaft und garniert mit Inflation, Ausbau prekärer Beschäftigungsverhältnisse und wachsendem Bildungsverfall (um es hier nur kurz zu umreißen.)
Die Frage ist: Überschätzt Putin mit diesem kriegerischen Einmarsch in die Ukraine die eigene Stärke und unterliegt einer Fehleinschätzung der Kräfteverhältnisse (die westlichen Sanktionen dürfte er antizipiert haben)? Oder ist Russlands scheinbar überlegtes kriegerisches Vorgehen ein Indikator für die aktuelle weltpolitische Schwäche des ehemals triumphalistischen westlich-globalkapitalistischen Herrschaftsblocks, der im Übrigen mit der "kulturellen Moderne" nicht mehr viel zu tun hat?
Und: Wird China der lachende Dritte des nunmehr neu entfachten Langzeitkonflikts zwischen dem kapitalistischen "Westen" und Russland?