Die folgende Mail wurde nicht aus den Wikileaks-Papieren ausgegraben,
sondern ist eher zufällig in Umlauf gekommen. Die im Original angeführten Mieterdaten
wurden gecheckt, sind aber hier anonymisiert.
Betreff: Muslimscher
Nachmieter für Gemeindewohnung gesucht!
Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen
- wir leiten dieses mail von schwester xxxx ausnahmsweise weiter. bitte sich
direkt mit der schwester unter xxxxx@xxx.xx sich in verbindung zu setzten
Salam
liebe Geschwister,
da ich aus diversen Gründen meine Gemeinde-Wohnung aufgeben
muss, suche ich ganz dringend einen muslimischen Nachmieter. (..)
Eigentlich
habe ich bereits Nachmieter gefunden, die per sofort die Wohnung übernehmen
wollten, jedoch wünsche ich mir, dass jemand von den muslimischen Geschwistern
die Wohnung übernimmt, da die Wohnung ganz HALAL ist, keine Tiere, kein Alkohol,
keine Haramkonsumationen, alles ganz rein. Es wäre schade, dass die Wohnung
in nicht muslimische Hände geräte, da dort der Koran sehr viel rezitiert
wurde, und auch ganz viele Gebete verrichtet worden sind.
Bei meiner Wohnung,
die per sofort zu haben ist, handelt es sich um eine Gemeindewohnung in Heiligenstadt
(..), die Infrastruktur ist auch sehr gut. (... es folgt die
Beschreibung der Wohnung, Angabe der Miet- und Betriebskosten etc.) Für weitere Informationen und zur Besichtigung könnt Ihr mich jederzeit unter
0xxx/xxxxxxx anrufen. (..) Danke, wa-Salam!
Ui, was wäre, wenn nun beispielsweise ein Deutschnationaler von der
strengen Observanz für seine Wohnung ebenfalls per Rundmail einen Nachmieter
suchen täte und dabei auch seine strenggläubige Linie einschlüge. Der
also etwa schriebe: "… jedoch wünsche ich mir, dass ein deutscher Volksgenosse
die Wohnung übernimmt, da die Wohnung völlig arisch ist, alles ganz rein. Es
wäre schade, wenn die Wohnung in fremdvölkische Hände geriete, da die Wohnung
ein Hort deutscher Art und deutschen Wortes ist, wo deutsches Bier getrunken ward und deutscher
Gesang erklang."
Empörung wäre dazu angebracht und wohl auch
unvermeidlich. So wachsam ist man inzwischen auch in Österreich.
Vermutlich ist das auch der Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen
aufgefallen, in einer weiteren Mail hieß es nämlich:
Liebe Schwester! Wir haben gestern ausnahmsweise ein Mail von Ihnen weitergeleitet
ohne den Inhalt genau zu prüfen und im Nachhinein betrachtet war es ein Fehler.
Nach genauen hinsehen sind uns aber in ihrem Text Sachen aufgefallen die wir
nicht in Ordnung finden.
Vor allem der Satz "Es wäre schade, dass die Wohnung in nicht muslimische
Hände gerät" erscheint uns sehr problematisch und diskriminierend. Als
Sie die Wohnung von Wiener Wohnen bekommen haben wurden Sie auch nicht nach
dem Religionsbekenntnis gefragt. Und wie hätten Sie es empfunden wenn man Ihnen
abgelehnt hätte, weil Sie eine Muslimin sind? Religion darf nie zu Vergabe oder
Konsum von Leistungen relevant sein. Und auch wir Muslime werden im Umgang mit
anderen hoffentlich das gleiche tun.
Und Gott sei dank werden die Leistungen der Stadt Wien und der Institutionen
allen Bürgerinnen und Bürger egal welcher Religion oder Lebensweise sie haben
gleichberechtigt zu Verfügung gestellt. (..)
Wir sind überzeugt und hoffen dass sie es nicht so gemeint haben. Aber so
wie wir jegliche Diskriminierungen ablehnen so sollten, Uns Muslime, erst recht
die gleichen Maßstäbe von unserer Seite genauso gelten und anwenden. Gleichzeitig
entschuldigen wir uns bei unserem Leserinnen und Lesern das wir beim weiterleiten
uns dies nicht aufgefallen ist und wir nicht die nötige Sorgfalt haben walten
lassen.
Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen
Was lernen wir daraus? Dass Muslime keine Heiligen sind. Dass nicht alle Muslime religiöse Fanatiker sind. Dass es nie gut sein kann, wenn die Religion das Leben dominiert. Und dass wir uns darüber freuen sollen, wenn im säkularen Europa keine Fragen nach dem Religionsbekenntnis gestellt werden. Was noch nicht durchgesetzt ist. Am Meldezettel oder bei Krankenhausaufenthalten, sogar bei Gericht wird immer noch nach der Religion gefragt. Wenn Wohnungsmieter nicht nach der Religion gefragt werden, ist das ein Fortschritt, ein Ausdruck des tagtäglichen Säkularismus auf den wir achten müssen. Und darauf, wenn sich Parallelwelten, die HALAL sind, ausbreiten. HALAL sind die Dinge, die islamisch erlaubt sind, das Gegenteil heißt HARAM. Die Bildung solcher Parallelwelten von halal und haram ist schon ziemlich fortgeschritten. Darauf aufmerksam zu machen und für das aufgeklärte säkulare und deshalb für muslismische Fundis "harame" Europa Position zu beziehen, ist notwendig. Was halal und was haram ist, mögen glaubenseifrige Muslime in ihrer Privatwelt beachten. Gesellschaftlich kann "halal" und "haram" kein Wertmaßstab sein!