Am 24. Februar 2010 berichtete die Kleine Zeitung Graz über die Aussagen eines österr. Missbrauchsopfers, am 27. Februar kam der Betroffene im ORF-Mittagsjournal zu Wort. Hier der Artikel der "Kleinen":
Auch in der Steiermark hat sich ein Opfer von Kindesmissbrauch durch einen
Pfarrer gemeldet. Ein Zeuge spricht von mindestens zehn weiteren Opfern in den
70er-Jahren.
Den Anstoß gaben die Fälle von Kindesmissbrauch in kirchlichen
Einrichtungen in Irland und Deutschland. Jetzt hat auch in der Steiermark ein
Opfer das Schweigen gebrochen. Klaus F., heute 46 Jahre alt und Techniker in
Leoben, spricht darüber, was ihm in seiner Kindheit in einem kleinen obersteirischen
Ort widerfahren ist. Es ist die Geschichte eines massiven sexuellen Missbrauchs
durch den örtlichen Pfarrer.
Doch nicht nur er sei in den 70er-Jahren
Opfer des Pfarrers gewesen, der an der Hauptschule als Religionslehrer unterrichtete.
Er spricht von vielen weiteren Fällen. Das bestätigt ein glaubwürdiger Zeuge
aus der Region (Name der Redaktion bekannt). Er weiß von mindestens zehn weiteren
Opfern. Immer seien Buben betroffen gewesen, meist aus sozial schwachen Familien.
"Kirche
sollte sich bei Opfern entschuldigen" Der Zeuge möchte anonym bleiben,
er fürchtet Repressalien durch jene, die, wie er sagt, "die Geschichte
am liebsten ruhen lassen wollen". Der Pfarrer, ein Pater aus dem Stift
Admont, kann nicht mehr befragt worden. Er ist inzwischen gestorben. "Der
Pfarrer hat die Buben, zehn- bis 14-jährige Hauptschüler, gerne auf eine von
ihm gepachtete Almhütte zum Jungscharlager eingeladen", erzählt der Zeuge.
Dort sei es zu den sexuellen Übergriffen und Schlägen gekommen. F. sagt rückblickend:
"Wenn ich ihn nicht richtig streichelte, schlug er mich." Im Beichtstuhl
habe der Pater ihn sogar aufgefordert, zu erzählen, wie er onaniere.
Treffen
Der Abt des Stiftes Admont Bruno Hubl, der damals noch nicht im Amt
war, bestätigt, dass es zu jener Zeit Jugendlager auf der gepachteten Alm gab.
Er gibt auch an, von den Anschuldigungen gegen den Pater zu wissen, "allerdings
hatte ich den Eindruck, dass Herr F. selber nicht betroffen sei, sondern von
anderen Betroffenen sprach", sagt Hubl. Er habe, als die Geschichte vor
ein paar Jahren aufkam, mit dem Pater gesprochen. "Ich habe aber dabei
nur erfahren, dass er sich mit Herrn F. getroffen hat", so Hubl.
Bei
diesem Treffen vor etwa drei Jahren habe der Pater, so F., "nichts abgestritten,
aber sich mit dem Zölibat gerechtfertigt und damit, dass seine Eltern ihn
unter Druck*) gesetzt hätten, Priester zu werden". Dass er sexuell
missbraucht wurde, wusste er damals als Bub nicht. Doch, so sagt er, auch die
Erwachsenen schienen es nicht wissen zu wollen. Der Pfarrer sei eine angesehene
Person im Ort gewesen. Einmal sei ihm in kindlicher Naivität bei seiner Mutter
etwas herausgerutscht. "So etwas sagt man nicht, Gott hört alles",
habe sie nur geantwortet. Dann blieb er still, stets von Furcht getrieben. Darüber
zu sprechen sei eine Todsünde, habe der Pfarrer gesagt.
Erst als Erwachsener
begann F., sich mit dem Geschehen auseinanderzusetzen, wollte mit anderen Opfern
des Pfarrers eine Interessensgemeinschaft bilden, eine Klage anstreben. Sein
Fall war bereits verjährt, doch andere waren es nicht. Keiner der Betroffenen
wollte mitmachen. "Sie haben noch immer Angst", meint F. Der Zeuge
sagt ebenfalls: "Auch anderen wurde Angst gemacht."
Vor ein
paar Jahren wandte er sich an die "Ombudsstelle für Opfer sexuellen Missbrauchs
von kirchlichen Angestellten der Diözese Graz-Seckau". Dort forderte er
Schmerzensgeld, eine Million Euro. Für das offizielle Geltendmachen einer finanziellen
Entschädigung vor Gericht sei es zu spät gewesen, sagt F.
"Ich habe
mit dem Generalvikar gesprochen und wir haben dem Herrn F. gesagt, dass wir
kein Schweigegeld zahlen", sagt Birgit Posch-Keller von der Ombudsstelle.
Man habe ihm aber eine Psychotherapie angeboten. "Eine Psychotherapie habe
ich schon längst selbst gemacht. Ich wollte aber, dass sich das endlich ein
Zuständiger anhört", sagt F. dazu. Er habe keine Reaktion mehr bekommen.
"Keine
Reaktion"
Posch-Keller sagt auch, dass sie ein anderer Pater kontaktiert
habe, der von einem Pfarrgemeindemitglied von dieser "Geschichte"
gehört habe. Ein Brief, den F. im Mai 2009 an Diözesanbischof Egon Kapellari
geschrieben hat, hat der Bischof nach eigenen Angaben an Abt Hubl ins Stift
Admont weitergeleitet. In dem Brief schilderte F. detailreich seine Geschichte
und forderte eine Stellungnahme der Kirche. "Ich habe nie eine Reaktion
bekommen", sagt er. Laut Diözese wurde der Pater nach Bekanntwerden der
Geschichte Ende 2007 pensioniert. Er war zu diesem Zeitpunkt 79 Jahre alt.
Ombudsstelle
Der Admonter Abt Hubl rät jenen, die sich als Opfer fühlen, sich an
die Ombudsstelle der Diözese oder an ihn selbst zu wenden: "Wenn es Opfer
gegeben hat, müssen wir mit der Sache offen umgehen und ihnen beistehen",
sagt er. Auch eine Entschuldigung sei möglich: "Wenn der Pater ein Täter
war, müsste man den Opfern helfen und sich bei ihnen entschuldigen." SONJA
HASEWEND
Hier kann der Ausschnitt aus dem Mittagsjournal
nachgehört werden.
Am
1. März trat das Opfer, der 46-jährige Klaus Fluch in der TV-Sendung "Thema"
auf und schilderte detailiert die Verbrechen des Pfaffen siehe Info
Nr. 95
Anm. der Homepage:
*) Die Methode, Müttern, die
besonders erfolgreich einer religiösen Gehirnwäsche unterzogen worden waren,
einzureden, sie könnten sich das "Himmelreich" sichern, wenn sie einen
von ihren Söhne zum Priesterwerden zwängen, war bis nach dem 2. Weltkrieg üblicher
katholischer Brauch. Diese unsäglichen Verbrechen der Verpriesterisierung durch
Erpressung ("Himmel oder Hölle") hat die katholische Kirche bis heute noch nicht einmal wahrgenommen.