Der verschämte Papst

Am 19. März 2010 hat Papst Ratzinger einen Brief an seine Hirten in Irland unterschrieben. Am 20. März ging der Brief an die Medien. Hier komplett zum Downloaden.

Was steht drinnen? Shame and Skandal in the Family. But the Family is unschuldig.

Schuldig sind die Gfraster in Irland. Die hl. Katholische Kirche kann nix dafür. Weil "es ist wahr, dass das Problem des Missbrauchs von Kindern weder ein rein irisches noch ein rein kirchliches ist."
Auf der ganzen Welt werden Kinder geschändet, was soll also daran sein, dass auch katholische Priester mitschänden?

Aber den Iren (und allen anderen nicht?!) zeigt es der Ratzinger: Es "ist Eure Aufgabe nun, das Problem des Missbrauchs aufzuarbeiten, das in der irischen katholischen Gemeinschaft entstanden ist, und dies mit Mut und Bestimmtheit zu tun. Niemand erwartet, dass diese schmerzhafte Situation sich schnell lösen lässt. Wirklicher Fortschritt ist gemacht worden, aber es bleibt noch viel zu tun."
Was hilft? "Durchhaltevermögen und Gebet sind nötig, mit großem Vertrauen in die heilende Kraft der Gnade Gottes."

Woher kam das Problem? "Das Programm der Erneuerung, dass das Zweite Vatikanische Konzil vorgelegt hat, wurde häufig falsch gelesen; im Licht des tiefen sozialen Wandels war es schwer, die richtigen Weisen der Umsetzung zu finden. Es gab im Besonderen die wohlmeinende aber fehlgeleitete Tendenz, Strafen für kanonisch irreguläre Umstände zu vermeiden. In diesem Gesamtkontext müssen wir das verstörende Problem des sexuellen Missbrauchs von Kindern zu verstehen versuchen, das nicht wenig zur Schwächung des Glaubens und dem Verlust des Respekts vor der Kirche und ihre Lehren beigetragen hat."

Aha. Zuwenig Respekt vor den kirchlichen Lehren! Da haben wir es schon!
Aber es gab auch direkte Ursachen:
"Unangemessene Verfahren zur Feststellung der Eignung von Kandidaten für das Priesteramt und das Ordensleben; nicht ausreichende menschliche, moralische, intellektuelle und geistliche Ausbildung in Seminarien und Noviziaten; eine Tendenz in der Gesellschaft, den Klerus und andere Autoritäten zu favorisieren; und eine fehlgeleitete Sorge für den Ruf der Kirche und die Vermeidung von Skandalen, die zum Versagen in der Anwendung bestehender kanonischer Strafen und im Schutz der Würde jeder Person geführt hat."
Das hat dazu geführt, dass die Täter "das Licht des Evangeliums in einer solchen Weise verdunkelt haben, wie es noch nicht einmal Jahrhunderten der Verfolgung gelungen ist."
Jetzt ist es gelungen! Das Kirchenlicht ist verdunkelt! Geleuchtet hat es vorher auch immer ziemlich finster!

Unschuldig und schuldig
Die Kirche als Institution, die Idiotien wie den Zölibat zelebriert und eine menschenfeindliche Sexualmoral predigt, kann nix dafür, schuldig sind
"die Priester und Ordensleute, die Kinder missbraucht haben. Ihr habt das Vertrauen, das von unschuldigen jungen Menschen und ihren Familien in Euch gesetzt wurde, verraten und Ihr müsst Euch vor dem allmächtigen Gott und vor den zuständigen Gerichten dafür verantworten. Ihr habt die Achtung der Menschen Irlands verspielt und Schande und Unehre auf Eure Mitbrüder gebracht. Die Priester unter Euch haben die Heiligkeit des Weihesakraments verletzt, in dem Christus sich selbst in uns und unseren Handlungen gegenwärtig macht. Gemeinsam mit dem immensen Leid, das Ihr den Opfern angetan habt, wurde die Kirche und die öffentlichen Wahrnehmung des Priestertums und des Ordensleben beschädigt. (..) Erkennt Eure Schuld öffentlich an, unterwerft Euch der Rechtsprechung, aber verzweifelt nicht an der Gnade Gottes."

An seine Mitbrüder im Bischofsamt hat Ratzinger diese Botschaft: "Es kann nicht geleugnet werden, dass einige von Euch und von Euren Vorgängern bei der Anwendung der seit langem bestehenden Vorschriften des Kirchenrechts zu sexuellem Missbrauch von Kindern versagt haben. Schwere Fehler sind bei der Behandlung von Vorwürfen gemacht worden. Ich erkenne an, dass es schwer war, die Komplexität und das Ausmaß des Problems zu erkennen, gesicherte Informationen zu erlangen und die richtigen Entscheidungen bei widersprüchlichen Expertenmeinungen zu treffen."

Nicht mehr erinnern kann sich Ratzinger an das Vertuschungsgebot von 1962 und an seine eigene Weisung von 2001.
Über Opferentschädigungen kommt ihm kein Ton aus.

In Österreich schließt Kardinal Schönborn Entschädigungszahlungen für Opfer sexuellen Missbrauchs nicht aus. Diese sollten im Einzelfall geklärt werden. Er gibt jetzt sogar dem PROFIL wieder Interviews. Das hatte er viele Jahre nicht getan, weil das Magazin 1995 die Untaten von Groër aufdeckte, Schönborn begründete die Weigerung, Interviews zu geben, damit, dass er "die Angriffe auf meinen Amtsvorgänger" nicht gutheißen könne. Jetzt ist er für Aufklärung und scheinheiligt salbungsvoll. Schönborn kann das übrigens besonders gut: Wenn er in diesem frömmelnden gehobenen Singsang loslegt, so als sei ihm gerade der Hl. Geist erschienen, dann weiß der Zuhörer, jetzt sind wir wieder einmal bei der praktischen Anwendung von Matthäus, Kapitel 23.

PS: Im Sonntagskronenzeitungsevangelium vom 21.3.2010 holt sich Schönborn Jesus zu Hilfe. Die zu predigende Bibelstelle ist Johannes, 8, 1-11, der Herr Kardinal genießt es, zu verkünden: "wer von Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein". Bei all der Sündereien von Klerikanern stünde es "uns allen" an, "an die eigene Brust zu klopfen". Derartig billig wird es jedoch für die katholische Kirche nicht werden können ...

Die katholischen Kinderschändungsopfer in Irland und anderswo sehen Ratzingers Rundschreiben als nicht ausreichend an. Österreichische Missbrauchsopfer verlangen, dass "alle Täter, Mitwisser und Helfershelfer" an staatliche Gerichte ausgeliefert werden und vermissen Stellungnahmen über "Entschädigungen und Wiedergutmachungen, die diesen Namen verdienen." Die katholische Krise ist nicht behoben. Am Grundsystem der leibfeindlichen Lehre, der Unterdrückung und Verdammung sexueller Bedürfnisse, wird sich nichts ändern. Kinderschändungen kann man heute nicht mehr vertuschen. Aber dort, wo es noch möglich ist, wird sexualbezüglich weiter gelogen und geheuchelt werden. Es war Zeit, dass die institutionelle katholische Kirche öffentlich bloßgestellt wurde, aber ausgereicht hat dies offenbar immer noch nicht!

Internettipp: http://www.profil.at/articles/1011/560/264726/missbrauch-die-kirche-krise-geschichte.