Wusste Papst Benedikt XVI. seit Jahrzehnten von den Missbrauchsfällen
in der katholischen Kirche? Das jedenfalls behauptet der Kirchenkritiker Hans
Küng. Joseph Ratzinger selbst habe die Anweisung erteilt, die Anschuldigung
von sexuellen Übergriffen geheim zu halten. Keiner wisse soviel wie Benedikt
XVI.
Der Theologe Hans Küng erhebt schwere Vorwürfe gegen Papst Benedikt
XVI. Das Kirchenoberhaupt soll bereits seit Jahrzehnten konkret über die Missbrauchsfälle
in der Kirche informiert gewesen sein, sagte Küng im Schweizer Fernsehen. "Es
gab in der ganzen katholischen Kirche keinen einzigen Mann, der so viel wusste
über die Missbrauchsfälle, und zwar ex officio - von seinem Amt her", fügte
Küng mit Blick auf die früheren Tätigkeiten Benedikts hinzu. Sowohl als Professor
in Regensburg, als auch als Erzbischof in München oder während seiner 24-jährigen
Zeit in der Glaubenskongregation - Joseph Ratzinger habe immer Zugang zu den
Daten der Missbrauchsfälle gehabt.
Küng, der zu den größten katholischen
Kirchenkritikern zählt, erwähnt in dem Interview einen Brief aus dem Jahr 2001,
der weltweit von Bischöfen, auch Joseph Ratzinger, unterzeichnet wurde. In dem
2005 bekannt gewordenem Schreiben seien die kirchlichen Würdenträger angewiesen
worden, alle Voruntersuchungen zu Missbrauchsanschuldigungen direkt an Ratzinger
weiterzuleiten. Ausdrücklich sei darin gefordert worden, die kirchlichen Untersuchungen
im Geheimen durchzuführen und die Beweise bis zu zehn Jahre nach der Volljährigkeit
der Opfer unter Verschluss zu halten.
"Alle Missbrauchsfälle sind
zentralisiert, damit sie unter höchsten Geheimhaltungsstufe unter der Decke
gehalten werden können", sagte Küng. Der Theologe fordert nun "ein
klares Geständnis, das der Papst selber verantwortlich ist" für die jahrelange
Geheimhaltung des Missbrauchs. Küng wörtlich: "Er kann doch nicht nur den
Bischöfen den Zeigefinger machen - ihr habt das nicht genügend gemacht - er
selber hat die Instruktionen gegeben - als Chef der Glaubenskongregation und
auch als Papst wieder neu."
Des Weiteren müsse der Papst die Diskussion
um den Zölibat freigeben. Als problematisch stufte Küng die sei dem Mittelalter
existierende "verklemmte Theologie der Sexualität" ein, die sich im
Umgang der Kirche mit Themen wie Verhütung und Abtreibung zeigen. Die katholische
Kirche müsse sich verändern, so sein Appell.
Welt online, Jette Moche am 22. März 2010
Siehe den Bericht des Schweizer Fernsehens:
http://videoportal.sf.tv/video?id=c5426ae5-c5fa-4321-9dd3-4b0998378e0e
Hans Küng (* 19. März 1928 in Sursee, Kanton Luzern, Schweiz) ist ein international bekannter Theologe, römisch-katholischer Priester und Autor. Er studierte an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom Philosophie und Theologie und nahm als Experte am Zweiten Vatikanischen Konzil teil. Küng gilt als einer der bekanntesten und umstrittensten katholischen Kirchenkritiker. 1979 wurde ihm wegen kritischer Veröffentlichungen die kirchliche Lehrbefugnis entzogen. (Wikipedia)
Atheistischer Kommentar: Ein Politiker, der mit solchen - seine direkte Verantwortung betreffende Vorwürfe - konfrontiert würde, müsste fast überall (in Kärnten wahrscheinlich eher nicht) seinen Hut nehmen. In der katholischen Kirche ist die Lage natürlich anders. Da wird fast täglich von irgendeinem stramm romtreuen Funktionär verkündet, alle Experten wären sich einig, die Missbrauchsfälle hätten nichts mit dem Zölibat zu tun, obwohl sie sich maximal gegenseitig solche "Expertisen" ausstellen können. Die Weisungen zum Schweigen werden nachträglich zum "Opferschutz" ummontiert und in der Sonntagspredikt wird das Steinewerfen auf klerikale Sünder als unmoralisch dargestellt. Weil Sünder samma alle und darum dürfte keiner den ersten Stein werfen. Und alsbald wird man wieder mit Überzeugung salbungsvoll verkünden: die Menschen brauchen das katholische Christentum, damit sie eine Ethik und eine Moral haben ...