Ein Versuch bei seinerzeit aufmüpfigen Organisation wie der Katholischen Arbeiterjugend (KAJ) nachzuforschen, führte ins Leere. Die war nach der 68-er-Zeit einige Jahrzehnte befreiungstheologisch-widerborstig, jetzt ist sie wieder brav. Alles in katholischer Butter. Widerspruch gibt es nur vom Rande, Presseaussendung "Wir sind Kirche" vom 20. 03. 2010:
Der Hirte hat endlich gesprochen. Sein lange erwarteter
Brief an die Irinnen und Iren ist geprägt von hoher Anteilnahme und
einfühlsamen Worten an die Opfer und Strenge gegenüber den Tätern. Aber er ist
in einer spirituellen Sprache abgefasst, die nichts Konkretes aussagt und die
keinerlei Veränderungen erwarten lässt. Im Gegenteil: angesichts der
Missbrauchsfälle auf die "Wunden Christi" zu verweisen, wird wohl nicht
verstanden werden und eher befremdlich wirken.
Es fehlt eine strukturelle Analyse der kircheninternen
Begünstigungen für Pädophilie. Benedikt sieht die Schuld an den Vorfällen
ausschließlich bei den einzelnen Tätern, der irischen Gesellschaft und bei
einzelnen Bischöfen. Die Mitschuld der Kirchenleitung durch Vertuschen und
Verschweigen wird nur bis zur Ebene der Bischöfe wahrgenommen. Seine eigene
Verantwortung als oberster Kirchenleiter spricht er nicht an. Nur an einer
Stelle wird kurz von der Schuld "der" Kirche gesprochen.
Konkreten Initiativen zum Umgang mit der Situation wird ein
ganzer Abschnitt gewidmet: es handelt sich allerdings um rein "sakramentale und
andächtige Gebräuche", die laut Benedikt im Irland der letzten Jahrzehnte zu
kurz gekommen seien. Die Chance, die Kritik von außen und innen als wertvoll zu
erachten und sich Hilfe von Expertinnen und Experten (zB. aus dem
therapeutischen Bereich) zu holen, nimmt er leider nicht wahr.
Grundsätzlich atmet der Brief nach wie vor die strukturelle
und persönliche Selbstherrlichkeit, die glaubt, Kleriker wären die besseren
Menschen. Besonders irritierend wirkt am Schluss das Zitat, "der Priester hält
den Schlüssel zu den Schätzen des Himmels". Das Verständnis des 2.
Vatikanischen Konzils von Kirche als wanderndem Volk Gottes scheint im Vatikan
selbst noch sehr fremd zu sein. Die Meldungen aus Deutschland, den Niederlanden und
Österreich sind offensichtlich noch nicht bis Rom gedrungen.
Für den Vorstand der Plattform "Wir sind Kirche": Hans Peter
Hurka, Martha Heizer, Gotlind Hammerer
Eigenartigerweise gibt es auch Widerspruch aus einer
unerwarteten Richtung: Ex-ÖVP-Politiker Herbert Kohlmaier von der
Laieninitiative am 22.3. (kathweb.at): Die nunmehrigen Maßnahmen gegen
sexuellen Missbrauch dürfen nach Ansicht der "Laieninitiative" nicht
vom Reformbedarf in der katholischen Kirche ablenken. Das erklärte der Obmann
der "Laieninitiative", Herbert Kohlmaier, am 22.3. in einer
Pressekonferenz in Wien. Sein Stellvertreter Peter Pawlowsky meinte im Blick auf
die "Austrittswelle" nach den jüngst zutage getretenen Übergriffen
durch Geistliche: "Wir wollen und werden die Kirche nicht verlassen, aber
umso stärker auf Reformen drängen."
Geplant sind seitens der vor 14 Monaten gegründeten
"Laieninitiative" konkrete Formen "loyalen Widerstands";
die Palette reicht dabei von einem von möglichst vielen Gläubigen
auszufüllenden "Bischofsbeurteilungsbogen" über das Ignorieren von -
nach Ansicht der Initiative zu restriktiven - kirchlichen Vorschriften zum
"würdigen" Sakramentenempfang (etwa für wiederverheiratete
Geschiedene) bis hin zum Tragen eines weißen Emblems mit dem Logo der
"Laieninitiative". (..)
Kohlmaier übte Kritik vor allem an der Kirchenführung in
Rom: Im profanen Bereich hätten derartige Krisen und Misserfolge wie in den letzten
Jahren längst zu Rücktritten geführt; in der Kirche seien die Verantwortlichen
aber mit der Berufung auf göttliche Berufung "immunisiert". Durch
Vorkommnisse wie die Missbrauchskandale, durch das zugrundeliegende
"überholte Obrigkeitsdenken" und ein lebensfernes Verständnis von
Sexualität werde der Kirche insgesamt und vor allem der Frohbotschaft Jesu
"permanent schwerer Schaden zugefügt", meinte Kohlmaier. (..)
"Wir wollen Katholiken sein, ohne uns dessen schämen zu müssen". (..)
Was allerdings nicht viel zu bedeuten hat. Die Laieninitiative sammelt seit 2009 Unterschriften im Internet für eine Kirchenreform und hat bisher nicht einmal 13.000 zusammengebracht. Was wohl vorwiegend mit der Altersstruktur der Kirche zusammenhängt. Die praktizierenden Katholiken sind überwiegend in einem Alter, in dem man noch mit Papier und Bleistift kommuniziert und nicht mit dem Computer. "Wir sind Kirche" stellt ebenfalls keine religionskritische Betrachtungen an, man will eine katholische Kirche, die so ähnlich ist wie der liberale Flügel bei den Evangelischen. Also murrt man zwar, aber bleibt. Diese innerkirchlichen Initiativen können zwar lästig sein, bewirken werden sie nichts. Wer weiterhin katholisch an diesen Jesus glauben will, wird sich noch längere Zeit an den Greisen im Vatikan orientieren müssen. Aber vielleicht hoffen die Betroffenen darauf, dass ihnen dies als Martyrium fürs Jenseits als "Hölle auf Erden" gutgeschrieben wird ...