(..) (Die katholische) Kirche steht nicht allein wegen der Missbrauchsfälle
derart in der öffentlichen Kritik. Es werden nicht allein deswegen dieses
Jahr 200.000, vielleicht sogar mehr als 300.000 Menschen aus der Kirche austreten.
Die Leute treten nicht aus, weil Kirchenmitarbeiter Verbrechen begangen
haben. Sie gehen, weil ihnen die gesamte Institution unglaubwürdig geworden
ist und der Skandal den letzten Anstoß zum Austritt gegeben hat.
Die
Kirche hätte auch jetzt den Menschen viel zu sagen - sie suchen ja nach jemandem,
der über Sinn und Glauben und die existentiellen Dinge des Lebens redet. Stattdessen
verdunstet die Glaubwürdigkeit der größten Institution des Landes wie im Aralsee
zwischen Kasachstan und Usbekistan das Wasser. Selbst ein guter Teil der
Kirchenmitglieder glaubt nicht mehr an die Lehre von der Auferstehung der Toten,
dass Jesus also leibhaftig vom Tod erstand - und weiß nicht mehr, ob es nun
sieben oder zehn Gebote gibt.
(Im Folgenden verlangt der Artikelautor
Matthias Drobinski, die katholische Kirche sollte ihre Probleme offen und kritisch
diskutieren - zur Ehe, zur Sexualität, zur Sterbehilfe etc. - und in der Folge
vielleicht ein Konzil einberufen. Er schließt seinen Artikel mit:) Die Bischöfe
haben, eine gute Woche vor ihrer Würzburger Versammlung, Michael Broch zum Rücktritt
von seinem Amt als geistlicher Direktor der katholischen Journalistenausbildung
gedrängt, weil der ein papstkritisches Interview gegeben hat. Es ist das Gegenteil
der "obligation to dissent": die Reihen schließen, Kritiker zu Feinden
erklären und ausschließen. Die Krise der katholischen Kirche geht weiter.
Die Ratschläge sind sicherlich nicht zielführend, sie brächten keinen
Nutzen. Denn wenn auch die katholische Kirche all ihre bekannten und berüchtigten
Seltsamkeiten ablegen täte, die o.a. Sachlage "selbst ein guter Teil
der Kirchenmitglieder glaubt nicht mehr an die Lehre von der Auferstehung der
Toten, dass Jesus also leibhaftig vom Tod erstand", würde das nicht ändern.
Es ist zunehmend das Programm selber, das beim Publikum durchfällt, nicht die
Darbietung. Eine Liberalisierung würde zu Verhältnissen wie bei den Protestanten
führen, die Protestanten haben jedoch noch mehr Austritte als die Katholiken.
Eine solche Reform würde keine neuen Gläubigen bringen, aber die Glaubenseifrigen
zu strengkatholischen Sekten wie den Piusbrüdern treiben.
Zwei- bis
dreihunderttausend Austritte im Jahre 2010 wäre zudem ein Lercherlschas. In
Österreich rechnet die katholische Kirche, dass 2010 von 5,5 Millionen bis zu
80.000 austreten könnten. In
der BRD gibt es knapp 25 Millionen Katholiken, also wären 80.000 in Österreich
360.000 in Deutschland, selbst die 53.216 österreichischen Austritte im Jahre
2009 ergäben in der BRD 240.000 (voriges Jahr waren es dort magere 123.681).
Als Atheist muss man dem Handeln der katholischen Kirche zustimmen: Es
ist viel vernünftiger, "die Reihen schließen, Kritiker zu Feinden erklären
und ausschließen", die Krise wird ausgesessen, anders geht es gar nicht,
ohne noch mehr Schaden zu stiften.
Aber: Ist es nicht schön, dass die größte Kirche der Welt in einer so
unheilvollen Lage steckt?
PS: Auf kath.net versucht sich ein
besonders strenggläubiger Theologe am 25.8. als Problemlöser: Nur die Belebung der Beichte kann die
Kirche erneuern - lest Euch das durch, soviel religionszentrierte Einfalt
ist höchst unterhaltsam ...