Die Wortmeldung von Obermuslim Schakfeh mit der er seine Sehnsucht nach Moscheen
mit Minaretten hinausposaunte (siehe Info Nr. 259),
stieß auf wenig Verständnis. Nicht nur bei FPÖ und BZÖ, bei denen gehört das
ja zur rechtspopulistischen Basisarbeit, sondern fast durchgehend bei einer
Menge anderer Leute. Zwar meinte irgendein Experte für Religionsfreiheit, wenn
Muslime Minarette wollten, dann hätten sie das Recht darauf. Aber aus den Landeshauptstädten,
die als Ziel der Schakfeh-Wünsche auserwählt worden waren, kamen durchwegs Absagen,
in der Regel in der Form, dass die jeweiligen Muslim-Gruppen gar keine Minarett-Wünsche
vorgebracht hätten. Die Politik weiß: die Ablehnung in der Bevölkerung
gegenüber muslimischen Zeichensetzungen ist in Österreich sehr hoch. Die
Politik weiß auch, sie muss sich danach richten, will sie nicht das tun, was
der Herr Schakfeh in seiner Einfalt getan hat, nämlich den Rechtspopulismus
zu fördern. Über Schakfehs Sprüche wird wohl nur der Herr Strache gejubelt haben,
das war genau das, was er für den Wiener Wahlkampf gebraucht hat.
Aber
bleiben wir sachlich. Darum hier ein Kolumne von Hans Rauscher aus dem
Standard vom 25. August 2010:
Was die FPÖ und der deutsche SPD-Politiker Thilo Sarrazin über die Muslime
in Europa sagen, ist inhaltlich weitgehend ident: Die Einwanderung der Muslime
(in Österreich und Deutschland hauptsächlich Türken) war ein Fehler, sie leisten
keinen nennenswerten volkswirtschaftlichen Beitrag, weil sie auch in der dritten
Generation keinen sozialen Aufstieg vorweisen können, sie halten an ihrer orientalischen
Kultur fest, die mit modernen westlichen Wertmaßstäben insbesondere in der Frauenbehandlung
nicht vereinbar ist, sie sind zu viele, weil sie eine höhere Geburtenrate haben.
"Ich möchte nicht, dass das Land meiner Enkel und Urenkel zu großen Teilen
muslimisch ist, dass dort über weite Strecken Türkisch oder Arabisch gesprochen
wird, die Frauen ein Kopftuch tragen und der Tagesrhythmus vom Ruf der Muezzine
bestimmt wird" (Sarrazin in seinem neuen Buch "Deutschland schafft
sich ab", DVA, aus dem Der Spiegel jetzt Auszüge druckt).
Der Unterschied
besteht in den "Lösungs"-Ansätzen: Sarrazin will einen demokratisch
legitimierten Assimilationsprozess in Gang setzen, die Strache-FPÖ will die
Muslime teilentrechten, letztlich wohl entfernen.
Ohne sich darauf einzulassen,
kann man doch als gesichert festhalten, dass der jetzige Islam auch in seiner
europäischen Ausprägung den Anspruch stellt, das ganze Leben der Gläubigen zu
umfassen und damit auch zu regeln und dass ein nicht geringer Anteil der europäischen
Muslime sich dem auch unterwirft. Davon kann im "christlichen" Europa
keine Rede mehr sein. Die Religion spielt nicht (mehr) diese dominante Rolle
und diese Errungenschaft sollte Europa im Zweifel verteidigen.
Der Anspruch
der europäischen Muslime, ihre Religion - und den damit verbundenen Lebensentwurf
- offen und selbstbewusst zu leben, wird aber eher stärker als schwächer. In
Österreich ist das jüngste Beispiel dafür das Interview des scheidenden Präsidenten
der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Anas Schakfeh, in dem forderte, es müsse
in jeder Landeshauptstadt eine "nach außen erkennbare" Moschee geben,
"mit Kuppel und Minarett".
Schakfeh besteht also von der äußeren
Form auf einem Modell des Islam aus dem 16.Jahrhundert. Denn die sofort
erkennbare äußere Form der Moscheen hat zu dieser Zeit ihre Letztform gefunden
(Minarette gibt es schon im 7. Jahrhundert). Es muss nicht unbedingt ein
bauästhetischer Nebenaspekt sein, wenn ein Muslim auf dieser Form aus der Zeit
der größten Machtausdehnung des Islam (unter den Osmanen) besteht. Obwohl
es in Europa einige moderne Moscheen gibt, ist doch die Mehrzahl der Großneubauten
(etwa in Köln) im alten orientalischen Stil gehalten. Sie sind so triumphalistisch
wie es die barocken Großkirchen in Österreich (nach dem Sieg über die Türken)
waren. Heutige christliche Kirchen in Europa sind meist nicht mehr triumphalistisch.
Dass die 500.000 Muslime in Österreich (davon vielleicht die Hälfte
Staatsbürger), ein Recht auf Religionsausübung haben, ist unbestreitbar. Ob
ihre Gotteshäuser im Stil des 16. Jahrhunderts gebaut sein müssen, darüber wird
man mit ihnen diskutieren. Die größere Frage ist aber, ob die Muslime in Österreich
und Europa längerfristig eine doch ziemlich abgegrenzte, "nach außen erkennbare"
Groß-Minderheit bleiben wollen und sollen.