Sogar auf dieser Site wurde daran gezweifelt, dass die von der katholischen
Kirche im Herbst 2010 vermutete Zahl von 80.000 Austritten tatsächlich erreicht
würde.
Nun wissen wir es, am 11. Jänner 2011 konnte die katholische
Kirche einen neuen österreichischen Nachkriegsgroßrekord verkünden: 87.393, in Worten siebenundachtzigtausenddreihundertdreiundneunzig
katholische Kirchenmitglieder hauten sich letztes Jahr über die Häuser!
Das
ist ein Plus von 64 Prozent!
Das Jahr 1939 bleibt mit 103.710 Austritten weiterhin das Rekordjahr.
Allerdings
war von der klerikalfaschistischen Diktatur die Jahre vorher der Kirchenaustritt
praktisch verboten worden (Austretende mussten sich einer "Prüfung ihres
Geisteszustandes" unterziehen), der klerikalfaschistische Terror zwang
zudem massenhaft Ausgetretene zum Wiedereintritt und sogar ungetaufte Kinder
zur Taufe. Dass dann unter dem Naziregime ab Herbst 1938 der Kirchenaustritt
wieder normal möglich war, steigerte darum die Austrittszahlen zu diesem Rekordhoch.
Das hatte weniger mit dem Naziregime als mit dem Zorn über die vergangene klerikalfaschistische
Diktatur unter Dollfuß und Schuschnigg zu tun (siehe dazu: "Der
Weg in den Faschismus").
2010 brauchte die katholische Kirche
keinen Dollfuß und keinen Hitler mehr für diesen Nachkriegsrekord. Das Auffliegen
der jahrzehntelang vertuschten klerikalen Sexualverbrechen und Gewalttaten gab
vielen ohnehin kirchenfernen Menschen den Anstoß, diesen Verein nicht mehr finanziell
zu unterstützen. Allerdings hat die katholische Kirche nach (seit der letzten
Volkszählung 2001 amtlich nicht mehr überprüften) eigenen Angaben
immer noch rund 5.450.000 Mitglieder.
Der Theologe
Paul Zulehner zitierte am 11.1. aus der noch nicht veröffentlichten Religionsstudie
2010: 32 Prozent der österreichischen Kirchenmitglieder haben demnach schon
an einen Kirchenaustritt gedacht. Zum Austritt entschlossen waren davon 13 %,
der Rest hat zur Hälfte noch keine Entscheidung getroffen, die andere Hälfte
will trotzalledem nicht austreten. "Die kontinuierliche Austrittsentwicklung
ist der Hinweis darauf, dass eine Epoche für die Kirche in Europa zu Ende geht,
man konnte in Europa nur Bürger sein, wenn man Katholik war", sagte Zulehner
im ORF-Morgenjournal. Ja! Die Zeiten der katholischen Allmacht sind vorbei.
Unumkehrbar vorbei.
Wenn man Zulehners Prozente in Zahlen umsetzt: 2009 gab es offiziell rund 5.530.000 Mitglieder, davon sind 32 % 1.770.000, davon wieder 13 % sind 230.000. Somit wurde das Plansoll der Religionsstudie 2010 bei weitem nicht erfüllt, es gibt gut 140.000, die zum Austritt entschlossen sind, aber es bisher nicht getan haben. Weitere 780.000 warten mit ihrem Entschluss noch und nochmals dieselbe Zahl auf die nächsten Skandale, um es sich dann vielleicht den Austritt wiederum zu überlegen. Man kann also sagen, die katholische Kirche hält sich trotz allem recht gut. Weil wenn man dazu noch die hohe Zahl der Menschen ins Auge fasst, die zwar Kirchenmitglied sind, aber praktisch religionsfrei leben, dann sind die Austritte eigentlich überraschend wenig.
Aber: macht weiter so! Auch 2011 nehmen die Magistrate und Bezirkshauptmannschaften Austrittserklärungen gerne entgegen, zur Austrittsberatung siehe http://www.kirchenaustritt.at/.