Am 19.1.2011 hat sich der Vatikan doch noch zu einer Stellungnahme bezüglich
des Berichtes im irischen TV aufgerafft (siehe Info Nr.
390). Wie der kathpress-Meldung
und dem wortgleichen ORF-Bericht darüber entnommen werden kann, was alles ein
"Missverständnis", aber hinter dem ganzen Herumgerede darüber enthüllt
sich: es war kein Missverständnis, sondern die übliche Vorgangsweise.
Das
"Missverständnis" wird damit begründet, dass erst 2001 "neue Richtlinien" erlassen worden
seien (siehe
dazu die Berichte über die alten Richtlinien,
die neuen Richtlinien und die ganz
neuen Richtlinien), 1997 wäre man deshalb noch anders vorgegangen. Was
eine doppelte Heuchelei darstellt. Denn sowohl die Richtlinien von 2001
als auch die von 2010 beinhalteten das Schweigegebot ("päpstliches Geheimnis")
und keinerlei Anordnungen, Sexualstraftaten von Priestern den Behörden zu melden.
Zu dem "Missverständnis" von 1997 heißt es u.a.
in den Berichten: In der RTE-Dokumentation
vom 17.1. wurde u.a. der Fall des Priesters Tony Walsh beleuchtet, der 1992
von einem Kirchentribunal wegen Kindesmissbrauchs verurteilt und aus dem Amt
entfernt wurde. Walsh focht das Urteil jedoch beim Vatikan an. Und während man
in Rom darüber beriet, habe er sein Priesteramt weiter ausgeübt und ein weiteres
Kind missbraucht. Zwar bestätigte der Vatikan nach einigen Jahren das Urteil,
änderte die Strafe jedoch in einen zehnjährigen Klosteraufenthalt - die Irische
Bischofskonferenz habe1996 als Reaktion auf Missbrauchsfälle neue Richtlinien
zum Schutz von Kindern aufgestellt, nach denen jeder ernsthafte Missbrauchsverdacht
gegen Priester automatisch der Polizei gemeldet werden sollte. Aus dem Vatikan
sei dazu
"Gegenwind" gekommen, die Bischöfe sollten zu ihren Priestern wie
"ein Vater und nicht wie ein Polizist" sein. Bischof Michael Smith
sagte in der Dokumentation dazu: "Man sah Missbrauch immer noch als moralische
Angelegenheit, die nur den Priester und seinen Bischof anging und nicht als
kriminelle Aktivität, die weitreichende Auswirkungen hatte nicht nur für das
Kind, sondern auch dessen Familie. Das ist eine große Wunde im Leben der Kirche."
Es war kein "Missverständnis", sondern
der Vatikan bestand darauf, Missbrauchsfälle - wenn überhaupt - nur disziplinarisch
kirchenintern zu bestrafen, aber in der Öffentlichkeit zu vertuschen. Der Papst
als katholischer Oberkommandierender und Alleinherrscher ist dafür auch entsprechend
verantwortlich, Papst Wojtyla, vulgo "Johannes Paul II.", ist somit
für das damalige Vorgehen in Missbrauchsfällen der Letztverantwortliche. Dass
die katholische Kirche Karol Wojtyla am 1. Mai 2011 trotzdem die zweithöchste
religiöse Würdigung verleihen will, nämlich die "Seligsprechung",
ist ein bodenloser Skandal: die katholische Kirche bekennt sich damit dazu,
klerikalen Sexualstraftätern Schutz zu gewähren und Straftaten zu vertuschen.
Denn eine "Seligsprechung" bedeutet die Anerkennung für ein "vorbildhaftes
christliches Leben". Die Vertuschung von klerikalen Sexualstraftaten zugelassen
zu haben, ist somit ein vorbildhaftes christliches Papstleben.
PS: Im
Anhang Beispiele aus einem Schriftwechsel
zwischen Vatikan und der Diözese Milwaukee aus den 1990er-Jahren in Sachen Vertuschung.