Kronenzeitungskirchengeschichte

In der Kronenzeitung ist traditionell der fromme Herr Dieter Kindermann für gottgefällige Texte besonders auserwählt. Wenn's was zu heiligen gibt, dann macht das der Kindermann.

Am 6. März 2011 steht das Thema Seligsprechung von Papst Wojtyla am 1. Mai an, in der sonntäglichen Farbbeilage katholisiert darum Herr Kindermann in einer Rubrik "Kirchengeschichte", dass es nur so papstet.

Kindermann: Der unbeugsame Papst wird in wenigen Wochen selig gesprochen, hunderttausende polnische Pilger werden dazu in Rom erwartet, sie werden Rom "in ein Meer von weiß-roten Fahnen tauchen und ihren 'Nationalheiligen' Karol Wojtyla, Papst Johannes Paul II., umjubeln". Die Seligsprechung erfolgt in Rekordzeit von sechs Jahren und einem Monat, "natürlich unter Einhaltung der strengen römischen Kriterien und Normen, versichert die vatikanische Kongregation für Heilig- und Seligsprechungen."

Atheistische Erläuterung: Das für eine Seligsprechung notwendige Wunder wurde zielsicher präsentiert, der parkinsonkranke Papst heile Parkinson, legte man sich fest, konkret ließ er vom Himmel aus schon 2005 eine französische Nonne mittels Wunder von der bisher absolut unheilbaren Parkinsonkrankheit heilen. Dazu gab es die Einwendung, dem Wunder gebreche es daran, dass die wundergeheilte Nonne gar nicht an der Parkinson Krankheit erkrankt gewesen wäre, von der sie wundergeheilt wurde, es habe sich um eine Fehldiagnose gehandelt, wie etwa der französische Neurologe Stéphane Thobois feststellte. Aber das war kein Problem, das wunderorientierte Ärzteteam blieb beim Wunderglauben und den strengen römischen Kriterien. Und Dieter Zimmermann hatte ja nie daran gezweifelt.

Ein anderes Problem ist ohne Wunder wieder verschwunden. Das Problem, dass Wojtyla bezüglich der Praxis der Vertuschungen von klerikalen Kinderschändungen, rege tätig gewesen wäre, 2010 hatte sogar der Vatikan deswegen Bedenken, siehe dazu Info Nr. 170, Nr. 172, Nr. 219 und den Profil-Artikel "Der Unselige". Aber die Kinderschändungen hat man ja inzwischen schon ausgesessen. Der Papst hat sich entschuldigt, bezüglich der Regelung für das Vorgehen bei Missbrauchsfällen bleibt man weiterhin dabei, dass keine Anzeigepflicht bei den Behörden besteht und Missbrauch unters päpstliche Geheimnis fällt. Kindermann ist dieser Bereich natürlich völlig unbekannt, davon hat er bestimmt noch nie was gehört.

Kindermann: "Im Kampf gegen totalitäre Regime, wie den NS- und KP-Terror. Im Kampf für Menschenwürde und Glaubensfreiheit. 'Widersetzt euch allem, was der Menschenwürde widerspricht', rief er 1979 seinen polnischen Landsleuten zu."

Atheistische Erläuterung: Wenn man den Satz "Widersetzt euch .." unter Anführungszeichen googelt, ist keine einzige Stelle dafür zu finden. Dafür wurde aus dem Spiegel 23/1979 ergoogelt: "Die Menschenwürde kann nur durch einen richtigen und verantwortungsvollen Gebrauch der menschlichen Freiheit gewahrt werden." Gemeint hat der damalige Papst damit laut Spiegel: "Menschenwürde heißt für Papst Wojtyla, daß der allmächtige Staat den von der Kirche bestimmten Kodex des Bürgers in Sitte und Moral respektiert, daß er ihn den Konsens zur Gesellschaft finden lässt". Er forderte also mehr Katholizismus im Kommunismus, nicht mehr Menschenwürde.

Kindermann weiter: "Der Papst ist eine Gefahr für den gesamten Kommunismus", warnte der sowjetische Staatschef Leonid Breschnew. Tatsächlich verübte 1981 der Türke Ali Agca im Auftrag östlicher Geheimdienste ein Attentat auf ihn.

Atheistische Erläuterung: Das Breschnew-Zitat ist nicht zu ergoogeln, die Behauptung östliche Geheimdienste hätten das Attentat von 1981 inszeniert, ist bloß eine zeitweise Behauptung des Attentäters gewesen, die nie belegt werden konnte. Ali Agca ist offensichtlich ein geistig abnorme Rechtsbrecher, der zuerst Bulgarien, dann die Palästinenser und im Jänner 2011 im türkischen TV den Vatikan als Auftraggeber beschuldigte: Der Befehl, auf den Papst zu schießen, wäre vom Staatssekretär des Vatikans, Kardinal Casaroli gegeben worden, man hätte mit dem Attentat den Verdacht auf die Sowjetunion lenken und sie dadurch zum Fall bringen wollen, der Papst habe von dem Plan gewusst, seine Verletzung in Kauf genommen und Agca den Auftrag gehabt, den Papst keinesfalls zu töten. Also sollte man dem Agca eher gar nix glauben, Kindermann glaubt natürlich an Bulgarien.

Kindermann weiter:
"Der polnische Pontifex hat Tabus gebrochen, historische Gesten gesetzt. Er vereinte 1986 die Führer der Weltreligionen in Assisi zum Gebet. Er sprach 2000 die historische Vergebungsbitte für Verfehlungen der Kirche aus: Für Glaubenskriege, Inquisition und Judenverfolgung. Johannes Paul II. pilgerte auch in das Heilige Land und steckte wie ein frommer Jude einen Zettel mit Gebetsanliegen zwischen die Quader der Klagemauer."

Atheistische Erläuterung: Dass er in Assisi gebetet hat, war keine so große Welterrungenschaft und die Vergebungsbitte überhaupt keine, sondern die übliche christkatholische Heuchelei, wie sich leicht ergoogeln lässt: Wojtyla unterschied scharf zwischen den Sünden der "Söhne und Töchter" und der Kirche selbst. Denn die Kirche bleibt trotz der schweren Last heilig und unbefleckt, die Sünde sei immer der Person eigen, auch wenn sie die ganze Kirche verletze, so die Weisheit des Wojtyla. Eine lange Latte an katholischen Straftaten wird aufgezählt, schuld daran sind die beteiligten Katholiken, die Kirche selber kann nix dafür. "Wir bedauern zutiefst die Fehler und Versäumnisse der Söhne und Töchter der Kirche" Punkt. Dasselbe könnten beispielsweise auch Neonazis sagen: der Hitler und der Himmler, der Heydrich und der Eichmann waren Söhne mit Fehlern und Versäumnissen, der Nationalsozialismus an und für sich hingegen war eine reine und völkisch-heilige Idee. Und schon könnte man in Österreich das NS-Verbotsgesetz aufheben.

Dieter Kindermann ist selig, dass es am 1. Mai 2011 einen seligen Wojtyla geben wird. Unsereiner sieht das wie gehabt: Heucheln ist die katholische Grundtugend. Einen Schutzpatron der Heuchler gibt's bisher nicht. Einen heiligen Heuchler braucht die katholische Kirche jedoch auch nicht, die Heuchelei ist substanziell.