Das Forderungsprogramm der FDP von 1974 zum Verhältnis von Staat und
Religion: Der Staat hat auf kirchliche Angelegenheiten keinerlei Einfluss
zu nehmen, der Körperschaftsstatus der Kirchen ist durch ein neues Verbandsrecht
abzulösen, Kirchenmitgliedschaft ist rein intern zu regeln, das Recht auf Verschweigen
der Religionszugehörigkeit ist stets zu beachten, die Kirchensteuer ist durch
ein kircheneigenes Beitragssystem zu ersetzen, das Neutralitätsprinzip des Staates
ist auch im Landesrecht und bei religiösen Symbolen zu beachten, Kirchenverträge
und Konkordate sind aufzuheben und gegebenenfalls durch Gesetze oder Einzelvereinbarungen
zu ersetzen, Staatsleistungen und finanzielle Sondervorteile sind aufzuheben,
bei sozialen Einrichtungen ist freien Trägern kein Vorrang einzuräumen und die
öffentliche Hand muss ausreichend neutrale Einrichtungen bereitstellen, die
religiös-weltanschaulich neutrale Gemeinschaftsschule soll im gesamten Bundesgebiet
Regelschule sein, Militärseelsorge ist die alleinige Sache der Kirchen, Religions-
und Weltanschauungsgemeinschaften, Geistliche und Theologiestudenten sind im
Wehrdienstrecht den anderen Bürgern gleichzustellen, in den öffentlichen Gremien
ist die Vertretung der Kirchen und anderer gesellschaftlicher Gruppen auf die
jeweilige Funktion der Verbände zu überprüfen.
Das war ein recht gutes
Programm, allerdings wurde davon nahezu nichts jemals realisiert. Unter
dem nun abtretenden FDP-Vorsitzenden Westerwelle nahm sich die Partei als Vertretung
der Religionsfreien zurück, der mutmaßliche neue Vorsitzende Philipp Rösler
ist praktizierender Katholik. Er stammt aus einem katholischen Waisenhaus in
Vietnam und wurde von einem deutschen Ehepaar adoptiert. Seit 2008 ist er Mitglied
im Zentralkomitee der deutschen Katholiken und nach seiner Ansicht wäre die
kirchenkritische Haltung der FDP in den 1970er-Jahren ein "Grundfehler"
gewesen. Die Kirche sei Träger von Werten und deswegen sei es "hilfreich
für die Politik, wenn Menschen in einem Glauben verankert" wären.
In
Deutschland sind um die 35 Prozent der Einwohner ohne Bekenntnis, im deutschen
Bundestag sind 40 Prozent der Mandatare ohne Bekenntnis oder geben in ihren
Unterlagen keine Auskunft über eine Religionszugehörigkeit. Was soll da ein
katholisierender FDP-Vorsitzender? Der CSU das katholische Wählervolk abspenstig
machen? Mehr
Religion unters Volk bringen, weil in einem Glauben verankerte Menschen hilfreich
für die Politik wären? Wie hilfreich? Weil Gläubige glauben könnten, alle Macht
ginge von Gott aus und die deutsche Bundesregierung wäre gottgesandt?
Mit
dem Philipp Rösler hat die FDP keinen guten Griff getan. Er steht ganz offensichtlich
im direkten Gegensatz zum anfangs zitierten FDP-Programm von 1974. Vielleicht
rennt er bald wirklich mit einem Kreuz herum wie der HC Strache?